Predigt vom Sonntag den 29.01.2012

Von Pfarrer Helmut Müller
Der letzte Sonntag nach Epiphanias wird in der evangelischen Kirche als Fest der Verklärung Christi begangen..

Nach der Perikopenordnung ist uns ein Bibeltext vorgegeben, in dem der erhöhte Christus dem Seher Johannes in einer Vision erscheint und ihn zum Dienst beauftragt.
Wir hören aus Offenbarung 1, 9-18:


9 Ich, Johannes, euer Bruder und Mitgenosse an der Bedrängnis und am Reich und an der Geduld in Jesus, war auf der Insel, die Patmos heißt, um des Wortes Gottes willen und des Zeugnisses von Jesus.

10 Ich wurde vom Geist ergriffen am Tag des Herrn und hörte hinter mir eine große Stimme wie von einer Posaune.

11 die sprach: Was du siehst, das schreibe in ein Buch und sende es an die sieben Gemeinden: nach Ephesus und nach Smyrna und nach Pergamon und nach Thyatira und nach Sardes und nach Philadelphia und nach Laodizea.

12 Und ich wandte mich um, zu sehen nach der Stimme, die mit mir redete. Und als ich mich umwandte, sah ich sieben goldenen Leuchter

13 und mitten unter den Leuchtern einen,der war einem Menschensohn gleich, angetan mit einem langen Gewand und gegürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel.

14 Sein Haupt aber und sein Haar war weiß wie weiße Wolle, wie Schnee, und seine Augen wie eine Feuerflamme

15 und seine Füße wie Golderz, das im Ofen glüht, und seine Stimme wie wie großes Wasserrauschen

16 und er hatte sieben Sterne in der rechten Hand, und aus seinem Munde ging ein scharfes, zwei-
schneidiges Schwert, und sein Angesicht leuchtete
wie die Sonne scheint in ihrer Macht.

17 Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot und er legte seine rechte Hand auf mich und sprach zu mir: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte

18 und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die
Schlüssel des Todes und der Hölle.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Weg

Liebe Gemeinde,
es gibt unterschiedliche Weisen, Gott im Leben zu erfahren. Das kann geschehen im Hören auf das Wort der Bibel – durch Menschen und durch Ereignisse.

Selten und eher die Ausnahme sind Erfahrungen wie sie Johannes auf Patmos zuteil wurden. Im letzten Buch der Bibel begegnet uns ein Bild von Jesus Christus, das einem auf den ersten Blick ungewohnt und fremd vorkommt. Da ist nicht von einem Kind die Rede, das armselig in einem Stall zur Welt kam.
Es fehlen Hinweise auf den Wanderprediger und Heiler, der nichts hatte, wohin er sein Haupt hinlegen konnte. Auch sein Leiden und Tod am Kreuz finden keine Erwähnung.

Stattdessen begegnet uns in der Vision Jesus Christus als kosmischer Herrscher im himmlischen Lichtglanz – als Überwinder, der das Leiden dieser
Welt weit hinter sich gelassen hat.

Aber auch dieser von Johannes geschaute Christus gleicht dem Jesus, den wir von den Evangelien her kennen und der heilend in unserem Leben wirkt. Das wird schon an den Worten deutlich, mit denen der Seher Johannes seine erste Vision einführt.

Er tut es, indem er zunächst seine Solidarität mit denen bekundet, die wie er in Bedrängnis sind. Er fühlt sich „in Jesus“ mit den vom römischen Staat Verfolgten verbunden, wenn er schreibt:

Ich, Johannes, euer Bruder, der wie ihr bedrängt ist, der mit euch an der Königsherrschaft teil hat und der mit euch in Jesus standhält, ich war auf der Insel Patmos, um des Wortes Gottes willen und des Zeugnisses für Jesus.

Diese Worte machen deutlich, wie Johannes seine Vision verstanden wissen will. Er möchte die Christen in Kleinasien, die am Ende des ersten Jahrhunderts unter der Verfolgung des römischen Kaisers zu leiden hatten, ermutigen, dass sie standhalten und nicht aufgeben – so wie auch Jesus Christus überwunden hat und Sieger über den Tod geblieben ist.

Es war an einem Sonntag, am Tag des Herrn, als ihm die Vision zuteil wurde oder wie es Johannes formuliert, als er vom Geist ergriffen wurde. Im Französischen und Italienischen heißt der Sonntag auch heute noch Tag des Herrn.

Der Sonntag kann, wo er wieder ernsthaft als Tag der Einkehr und der Besinnung begangen wird, uns dazu verhelfen, Distanz zum Alltag zu bekommen und inwendige Erfahrungen zu machen – Erfahrungen mit Gott. Dass dies möglich ist – auch ohne spektakuläre Visionen – davon spricht der Wochenspruch:

Über dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.

Das kann schon dadurch geschehen, dass uns ein Wort der Bibel inwendig berührt und anspricht, so dass wir dadurch neue Impulse bekommen. Der Glaube kommt aus dem Hören. Auch in der Vision ist vom Hören die Rede.

Ich wurde vom Geist ergriffen am Tag des Herrn und hörte hinter mir eine große Stimme wie von einer Posaune.

Die Stimme beauftragt Johannes, das Geschaute aufzuschreiben und es den Christen in Kleinasien weiter zu sagen. Was Johannes schaut, kann er nur unzureichend in unserer Sprache ausdrücken.

Das zeigt sich in der gehäuften Verwendung des Wortes „wie“ – ein Hinweis dafür, dass wir für die Wirklichkeit Gottes keine wirklichen Bilder und Worte haben.

Die Stimme ist wie eine Posaune – wie ein großes Wasserrauschen

Auch die Gestalt im himmlischen Lichtglanz kann der Seher Johannes nur annähernd beschreiben:

sein Haupt und sein Haar war weiß wie weiße Wolle – wie Schnee; seine Augen wie eine Feuerflamme; sein Angesicht leuchtete wie die machtvoll strahlende Sonne.

Wo Gott in unser Leben tritt, da reicht unsere gewohnte Sprache nicht mehr aus. Da kommt der feste Boden, auf dem wir zu stehen meinen ins Wanken, was zunächst Angst auslöst.

Im Text heißt es: Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot. Da wo Johannes ins Bodenlose zu fallen droht, da wird er berührt und aus seiner Angst geholt.
Und er legte seine rechte Hand auf mich und sprach zu mir: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige.

Wo Gott uns durch Jesus Christus berührt und anspricht, da verlieren wir unsere Ängste, was immer sie sein mögen.

Vieles im Leben macht uns Angst und engt unser Leben ein. Das können ganz alltägliche Sorgen sein – Sorgen um äußere Dinge. Es können auch existentielle Ängste sein, die uns umtreiben und belasten – Ängste um Menschen, die wir lieben oder auch Angst vor dem eigenen Tod.

Das Fürchte dich nicht ist im heutigen Text ausdrücklich mit dem Geschick Jesu Christi verbunden, der ja nicht im Tod geblieben ist, sondern den Tod überwunden hat, um uns den Weg zu einem neuen Leben bei Gott zu ermöglichen:

Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.

Mit dieser Zusage werden wir auf ein Leben bei Gott hingewiesen, das über den Tod hinausreicht. Mit dem Bild vom Schlüssel des Todes und der Hölle wird uns dies anschaulich bezeugt. Wer einen Schlüssel hat, kann Räume und Behausungen zuschließen oder aufschließen.

Und wenn hier vom Schlüssel der des Todes und der Hölle geredet wird, dann ist mit „Hölle“ nicht ein Ort der Verdammnis gemeint, sondern das Totenreich, das wir im Glaubensbekenntnis bekennen in den Worten: „hinab gestiegen in das Reich der Toten“

Dieses Reich hat Jesus Christus verschlossen, um uns ein Leben bei Gott zu ermöglichen, ein Leben, das durch den Tod nicht mehr genommen werden kann. In dieser Hoffnung verliert Sterben und Tod seine nur bedrohliche Seite und kann je nach Umständen als Befreiung und Erlösung erlebt werden.

Ich möchte dies an einem Beispiel aus der Seelsorge veranschaulichen, an das mich die Vision des Johannes erinnert. Ich besuchte eine Patientin im Krankenhaus.
Neben ihr lag eine Frau, die sehr schwach war. Ich ging an ihr Bett und begrüßte sie und stellte mich vor.. Da machte sie die Augen auf und strahlte mich an. Als ich ihr sagte, dass sie so strahle, erzählte sie mir, sie habe ein großes Licht gesehen – es sei der Herr gewesen, der auf sie wartet.

Ich sagte ihr damals, dass sie ein großes Geschenk bekommen habe und wünschte ihr Gottes Segen. Als ich am nächsten Tag wieder kam, war sie in der Nacht verstorben. Auch im Dunkel des Todes kann uns das Licht begegnen, das Johannes im Text bezeugt.

In der Vision sieht Johannes den auferstandenen Christus ebenfalls als Lichtgestalt inmitten von sieben goldenen Leuchtern. Die sieben goldenen Leuchter stehen für die im Text genannten christlichen Gemeinden in Kleinasien. Die Zahl sieben steht für die Gesamtheit der Christenheit.

Mit dem Bild von den Leuchtern, die von Christus entzündet werden, sind auch wir heute eingeladen, uns dem Licht zu öffnen und es in die Welt zu tragen. Dieses Licht kommt zum Strahlen, wo wir einander als Schwestern und als Brüder sehen und entsprechend miteinander umgehen.

Wie das geschieht, hat Paulus im Epheserbrief in die
eindrücklichen Worte gefasst:

Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.
Amen

Infos unter:

Erstellt am: 30.01.2012 12:37 Uhr

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