von Pfarrer Helmut Müller
Ein Philosoph unserer Zeit hat einmal gesagt: „Wir haben heute viel Wissen, aber wenig Weisheit.“
Von der Weisheit Gottes, die unser menschliches Wissen übersteigt, ist in unserem heutigen Predigttext die Rede.
Wir hören aus dem 1.Korintherbrief , aus dem 2.Kapitel, die Verse 1-10:
1 Auch ich, liebe Brüder, als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten und mit hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu verkündigen.
2 Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten.
3 Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern.
4 und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft.
5 damit euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.
6 Wovon wir aber reden, das ist dennoch Weisheit bei den Vollkommenen; nicht eine Weisheit dieser Welt, auch nicht der Herrscher dieser Welt, die vergehen.
7 Sondern wir reden von der Weisheit Gottes, die im Geheimnis verborgen ist , die Gott vorherbestimmt hat vor aller Zeit zu unserer Herrlichkeit.
8 die keiner von den Herrschern dieser Welt erkannt hat; denn wenn sie die erkannt hätten, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt.
9 Sondern es ist gekommen, wie geschrieben steht:
„Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.
10 Uns aber hat es Gott offenbart durch seinen Geist; denn der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit.
(Herr, dein Wort ist unsres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Weg)
Liebe Gemeinde,
die Worte unseres heutigen Predigttextes sind an Menschen in Korinth gerichtet, bei denen das Wissen und die Philosophie hoch geachtet waren.
Gemessen an der Weisheit der griechischen Philosophie war die Botschaft, die Paulus den Korinthern verkündigte, nicht besonders attraktiv. Die Botschaft von Jesus, dem Gekreuzigten, war den
Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit – wie Paulus im vorigen Kapitel schreibt.
Für viele ist auch heute noch ein Glaube schwer nachvollziehbar, der darin besteht, dass sich Gott in einem Menschen offenbart, der wie ein Verbrecher in der Blüte seines Lebens am Kreuz hingerichtet wurde.
Unserem gewohnten Denken, das sich am
äußeren Erfolg orientiert, ist dies alles andere als einleuchtend. Anders denkt Paulus ist unserm Text. Für ihn ist die Botschaft vom Gekreuzigten Anlass, über seine eigenen Schwächen und Begrenzungen zu sprechen:
Ich hielt es für richtig, unter euch von nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten.
Und ich war bei euch in Schwachheit, und in Furcht und mit großem Zittern.
Wer heute solche Worte in Bewerbungsschreiben verwenden würde, würde kaum eine Anstellung
finden – vermutlich nicht einmal in der Kirche.
Um der Wahrheit und Wahrhaftigkeit willen, die in unseren Tagen keine hohe Wertschätzung erfahren, verzichtet Paulus bewusst auf beeindruckende und gescheite Worte, um das Evangelium den Korinthern zu bezeugen:
Als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten und hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu verkündigen.
Paulus wollte die Korinther nicht durch Rhetorik und durch tiefsinnige Erkenntnis überzeugen, sondern er überließ dies dem Wirken Gottes bzw Seinem Geist, wenn er im heutigen Text ausdrücklich schreibt:
Mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft.
Was Paulus hier schreibt, ist grundlegend für die Haltung beim Predigen. Es geht beim Predigen nicht darum, andere Menschen zu beeindrucken, sondern es geht letztlich um eine Haltung, die um das eigene Begrenztsein und zugleich um das Angewiesen
sein auf Gott und sein Wirken weiß.
Der Theologe Karl Barth hat das Begrenztsein und das Angewiesensein in die Worte gefasst:
„Wir sollen als Theologen von Gott reden. Wir sind aber Menschen und können als solche nicht von Gott reden.“ Die Antwort, die Barth gibt, lautet in der ihm eigentümlichen Dialektik:
„Wir sollen beides wissen, unser Sollen und Nichtkönnen und dadurch Gott die Ehre geben.“
Das Wissen um die eigene Begrenztheit macht demütig und bewahrt uns, andere Menschen durch kluge und gewandte Worte zu beeindrucken,um uns selbst darzustellen.
Paulus geht es nicht darum, bei den Menschen gut anzukommen, um sie durch geschickte Manipulationen zu beeinflussen. Es geht ihm vielmehr darum, dass die Menschen mit Hilfe Gottes – mit Hilfe des Heiligen Geistes – inwendige Erfahrungen machen, die auf Gott hinweisen.
Denn – so schreibt Paulus- der Glaube soll sich nicht gründen auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.
Die Korinther verdanken ihren Glauben nicht menschlicher Überredungskunst, sondern Gott selbst, der inwendig in uns Menschen wirkt.
Wo immer wir uns von Gott – von seiner Kraft berühren und erfüllen lassen, da lernen wir uns selbst
und die Welt in einem neuen Licht zu sehen. In einem solchen Vertrauen verliert das Leiden seine nur dunkle Seite und kann für uns dazu dienen, dass wir auf innerem Weg wachsen und reifen.
Auch Leiden kann – wo es unabänderlich ist – dazu verhelfen, Gott und Seine Kraft zu erfahren. Das ist mit der Zusage Jesu gemeint, wenn er in der Bergpredigt sagt: Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.
Mit dieser Zusage soll Leiden nicht verherrlicht werden, aber da, wo es unvermeidbar ist, da kann es uns einen Trost finden lassen, den wir uns nicht selber geben können und der in Gottes Kraft gründet.
Hölderlin hat diesen Trost in die Worte gefasst: „Wo die Gefahr wächst, wächst das Rettende auch.“
Der Apostel Paulus hat Gottes Kraft in seinem Leben wiederholt erfahren, gerade auch in Situationen, die für ihn schwer auszuhalten waren. Und damit komme ich auf die Jahreslosung zu sprechen, die uns im Jahr 2012 zur Begleitung gegeben ist und die wir zum Beginn des Gottesdienstes gehört haben: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.
Paulus muss an einer nicht näher beschriebenen Krankheit gelitten haben. Im 2. Korintherbrief bezeichnet er seine Krankheit als Pfahl im Fleisch, was darauf hinweist, dass Schmerzen damit verbunden waren.
Dreimal – so schreibt er – bittet er im Gebet, dass der Pfahl im Fleisch von ihm genommen werde. Und da bekommt er im Gebet die Antwort
Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in Schwachheit/in der Krankheit wirksam – wörtlich heißt es:
Meine Kraft kommt in der Schwachheit zur Vollendung. (2.Kor. 12,9)
Dieses Bibelwort, die Jahreslosung, hat mein früherer
Kollege im Klinikpfarramt als Text für seine eigene
Beerdigung gewünscht. Er war blind, und als seine Krankheit zu nahm, da gab es Zeiten, in denen er auch nichts hörte.
Bei einem meiner Besuche erzählte er, dass er einmal so verzweifelt war, dass er nur noch an Suizid dachte. Und da, in der tiefsten Krise, habe ihn eine Kraft durchströmt, die ihn von aller Angst befreite.
Er sagte: „Was ich erfahren habe, war – wenn ich es fromm ausdrücke – die Erfahrung mit Gottes Nähe.“
Aufgrund dieser Erfahrung entschied er sich für das Bibelwort aus dem 2.Korintherbrief:
Lass dir an meiner Nähe genügen, denn meine Kraft ist in der Schwachheit mächtig – kommt da zur Vollendung.
Das, liebe Gemeinde, ist die Weisheit, von der Paulus im Text spricht, die nicht auf äußerem Wissen gründet, sondern die aus Erfahrungen mit Gott erwächst.
Wir können uns darauf verlassen, dass wir niemals tiefer fallen als in Gottes Hand. Auf Gottes Kraft, die uns Gott schenkt, können wir uns verlassen. Darauf werden wir in Losung für das Jahr 2012 ausdrücklich hingewiesen.
Im Glauben finden wir eine neue Sicht-und Seinsweise, unser Leben und die damit verbundenen Begrenzungen zu sehen und entsprechend damit umzugehen.
Ja, wo wir auf Gott ausgerichtet bleiben, ihn lieben, da erfahren wir, was wir nicht für möglich gehalten
hätten – worauf Paulus mit den Worten hinweist: Was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben.
Mit dieser Hoffnung können wir getrost und gelassen in dieses Jahr gehen, was immer es bringen mag.
Wir können es tun in dem Vertrauen, von dem Dietrich Bonhoeffer gesagt hat: „Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen.
Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf Gott verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.“Gott selbst schenke uns in Jesus Christus einen Glauben, der uns Kraft zum Leben gibt und von Angst befreit.“
Amen
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Erstellt am: 17.01.2012 00:47 Uhr