Der heutige Predigttext, der uns nach der Perikopenordnung für den 5. Sonntag nach Trinitatis vorgeben ist, enthält Worte Jesu, die inhaltlich beschreiben, welche Konsequenzen ein Leben in seiner Nachfolge für uns haben kann.
Die Worte richten sich an Menschen, die mit Jesus auf dem Wege sind und ihm nachfolgen.
Wir hören aus Lukas 14, 25-33:
25 Es ging aber eine große Menge mit ihm; und er wandte sich um und sprach zu ihnen:
26 Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein.
27 Und wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein.
28 Denn wer ist unter euch, der einen Turm bauen will und setzt sich nicht zuvor hin und überschlägt die Kosten, ob er genug habe, um es auszuführen?
29 damit nicht, wenn er den Grund gelegt hat und kann`s nicht ausführen, alle, die es sehen, anfangen, über ihn zu spotten,
30 und sagen: Dieser Mensch hat angefangen zu bauen und kann´s nicht ausführen.
31Oder welcher König will sich auf einen Krieg einlassen gegen einen andern König und setzt sich nicht zuvor hin und hält Rat, ob er mit Zehntausend dem begegnen kann, der über ihn kommt mit Zwanzigtausend?
32 Wenn nicht, so schickt er eine Gesandtschaft, solange jener noch fern ist, und bittet um Frieden.
33 So auch jeder unter euch, der sich nicht lossagt, von allem, was er hat, der kann nicht mein Jünger sein.
Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Weg. Amen
Liebe Gemeinde
unser heutiger Predigttext enthält Aussagen, die beim ersten Hören nicht nur schwer zu verstehen sind, sondern auch zum Widerspruch reizen.
Wie sollen wir Aussagen verstehen, die zur Trennung, ja sogar zum Hass gegenüber unseren Nächsten und gegenüber uns selbst aufrufen.
Die Worte Jesu richten sich nicht an einige wenige – an besonders Auserwählte, sondern an alle, die mit ihm auf dem Wege sind:
Es ging aber eine große Menge mit ihm; und er wandte sich um und sprach zu ihnen:
Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau , Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, kann nicht mein Jünger sein.
Wir haben richtig gehört: im griechischen Urtext steht tatsächlich das Wort „hassen“.
Nun hat aber Jesus nicht griechisch, sondern aramäisch gesprochen.
Ich denke, dass hier der Evangelist Matthäus vom aramäischen/hebräischen Kontext her dem ursprünglichen Sinn näher kommt, wenn er statt „hassen“ mit „mehr lieben als“ übersetzt.
In dieser Übersetzung wird die erste zentrale Aussage zur Nachfolge ein Stück verständlicher:
Wenn jemand zu mir kommt und seinen Vater, Mutter, Frau , Kinder, Brüder, Schwestern und sich selbst mehr liebt als mich, kann nicht mein Jünger sein.
Jünger ist heute ein Wort, das kaum mehr verwendet wird und höchsten zur Bezeichnung für Sektenmitglieder gebraucht wird. Im Urtext steht das Wort Schüler.
In den heutigen Bibelworten geht es um die Bewußtmachung unserer Prioritäten, die uns bei der Gestaltung des Lebens leiten.
Sind es unsere nächsten Angehörige, die unser Leben, unser Tun und Lassen, derart bestimmen und ausfüllen, so dass für Gott und sein Wort kein Raum mehr bleibt?
Wo unser Herz besetzt ist und wo kein Raum für inwendiges Wachstum mehr bleibt, da gilt Jesu Wort, dass wir so nicht seine Schüler sein können.
Jesus hat uns in Wort und Tat eine Liebe vorgelebt, die nicht auf Familienmitglieder beschränkt ist, sondern überall gilt, wo Menschen in Not sind. Darauf weisen seine Worte:
Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben, was tut ihr da Besonderes, tun das nicht die Heiden auch?!
Die Liebe gegenüber jedermann, die wir im Laufe unseres Lebens zu entfalten haben, sie können wir von Jesus lernen.
Wo uns Menschen oder auch verinnerlichte Werte hindern, den Weg zu gehen, der unserem eigentlichen Wesen entspricht, da kann es auch zu Konflikten und inneren Kämpfen kommen.
Oft sind es falsche verinnerlichte Werte und Maßstäbe, die uns lähmen und die wir manchmal auch verbittern lassen. In diesem Zusammenhang haben die heutigen Bibelworte eher etwas Befreiendes, wenn wir da gebeten werden, unsere Prioritäten zu überdenken und uns von Jesus andere befreiende Maßstäbe und Perspektiven schenken zu lassen.
Jesus ist den Menschen seiner Zeit mit Güte und Achtung begegnet. Er hat die Menschen nicht daran gemessen, was sie äußerlich leisten und besitzen. Ja er hat ihnen den Weg zur Quelle der liebe zugänglich gemacht, die unsere eigentliche Identität ausmacht.
Was immer dieser Identität entgegensteht, seien es egozentrische Wünsche und Strebungen, all das gilt es loszulassen und Distanz dazu zu finden.
Wir Menschen neigen dazu, im Leben oft das Negative festzuhalten und auf das zu schauen, was uns missglückt ist. Wie heilsam kann es sein, wenn wir uns davon distanzieren und mehr auf das schauen, was uns gelungen ist, was wir an Schönem im Leben schon alles erfahren haben.
In der Mitte der Botschaft Jesu steht die Vergebung, von der in der Predigt am letzten Sonntag die Rede war. Vergebung, wo sie denn praktiziert und angenommen wird, befreit uns von den Lasten der Vergangenheit und hilft uns, Irrtümer zu berichtigen und gibt uns Kraft, den Herausforderung des Lebens zu begegnen..
Und damit komme ich noch auf ein weitere Aussage Jesu zu sprechen.
Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, kann nicht mein Jünger sein.
Wenn Jesus hier vom Kreuz im Zusammenhang der Nachfolge spricht, dann macht er damit bewusst, dass zum Christsein auch Herausforderungen und Belastungen gehören.
Wir müssen aber das Kreuz nicht gewaltsam suchen. Es ist schon immer gegenwärtig, seien es Krankheiten oder Begrenzungen des Alters, Verlust eines lieben Menschen, Konflikte mit Menschen oder soziale Nöte. Sein Kreuz tragen – das könnte heißen, dass wir Leiden beheben und lindern, wo sie möglich sind – Leiden, die unabänderlich sind, sie gilt es anzunehmen und zu tragen.
Eine Patientin hat dies in einer Strophe einmal so ausgedrückt:
„Brüder, alles Leid wird licht, wenn wir es tragen als stille Pflicht.
Wenn wir ihm/dem Leiden/ wie einem Freunde begegnen,
wird es zutiefst unsere Seele segnen.
Wir sind wie der Acker, wir brauchen das Leid,
um reif zu werden für die Ewigkeit“
Was immer auch unsere Belastungen sein mögen, wir können sie in Gottes Hand legen, der unser Geschick in seinen Händen hält.
Wer Gott ganz vertraut, wer sich völlig seinen Händen überlasst, der wird frei von ängstlichen Sorgen und bekommt die nötige Kraft, um Antwort auf die gestellten Aufgaben zu finden.
Alles, was uns im Leben begegnet und widerfährt, ist eine Lektion, von der Gott will, dass wir sie lernen.
In den beiden Gleichnissen vom Bauherr, der einen Turm bauen will und vom König, der seinen Herrschaftsbereich ausdehnen will, werden wir gebeten, uns als Christen nicht zu überschätzen, sondern uns zu prüfen, welche Ressourcen, welche Gaben wir haben, die wir als Christen entfalten und in der Gemeinde einbringen können.
Im April habe ich in in Sigmaringen, wo ich bis zum Ruhestand Pfarrer war, einen Vortag über den Auslandsdienst auf Teneriffa gehalten und dabei die vielerlei ehrenamtlichen Aktivitäten erwähnt, die in der hiesigen Kirchengemeinde durch die Kirchenvorstände und durch engagierte Gemeindeglieder getan werden.
In den beiden Gleichnissen, von denen im Predigttext die Rede ist, werden wir darauf hinweisen, die eigenen Fähigkeiten wahrzunehmen und sie entsprechend weiterzugeben. Aber wir müssen dabei sorgsam mit unsern Kräften haushalten, um uns nicht zu überfordern.
Am Schluss unseres heutigen Predigttextes wird nochmals thematisiert, dass ein Christ, der sich
an Jesus orientiert, nichts als Besitz betrachten soll.
So auch jeder unter euch, der sich nicht lossagt, von allem, was er hat, der kann nicht mein Jünger sein – man kann auch übersetzen, wer sich nicht trennt vom Besitz, wer nicht Abschied nimmt vom Vorhandenen, der kann nicht mein Schüler sein, der ist kein Lernender.
Auf die Mitarbeit in einer Kirchengemeinde bezogen, könnte das heißen:
Man muss auch Abschiednehmen können von Leitungsfunktionen und Positionen.
Ein Kollege aus Württemberg hat dies in einer Gedichtstrophe einmal so zum Ausdruck gebracht:
„Du bist auch gar nicht unersetzlich. Bist du mal tot, dann ist`s zwar schmerzlich.
Die Weisheit stirbt darob nicht aus, und andere bauen Gottes Haus.“
Mit der Aufforderung zur Distanzierung und der Bitte, sich zurückzunehmen, um Gott
allein die Ehre zu geben, um uns von seiner Liebe in allem leiten zu lassen, hat unser Predigttext begonnen. Davon ist auch am Ende die Rede.
Mit anderen Worten: Es geht um das Loslassen, von allem, was uns besetzen und besitzen will.
Wer sehr viel oder zu wenig an Geld hat, der weiß, wie sehr uns das belasten und unter Umständen schlaflose Nächte bereiten kann.
Es geht aber bei dem letzten Wort unseres Textes, das von der Trennung des Besitzes spricht, nicht um eine Verteufelung des Besitzes an sich, sondern um unsere innere Haltung dazu.
Es ist etwas anderes, ob ich sage: ich habe Geld oder das Geld hat mich. Es ist die Gier, von der wir uns als Christen lossagen/trennen müssen, was uns die Skandale in letzter Zeit gezeigt haben wie Vetternwirtschaft oder unverantwortliche Bankgeschäfte.
Wo immer Gier, falsche Prioritäten und lebensfeindliche Zielsetzungen unser Leben bestimmen, da gilt es, Korrekturen vorzunehmen und uns von falschen Wertmaßstäben zu trennen. Der Mensch lebt nicht allein von Macht und Geld, sondern von jeglicher Liebe, die er empfängt, und sei sie noch so fragmentarisch.
Gott selbst schenke uns in Jesus Christus ein neues Gewahrssein, das alles loslässt, was der Liebe zum Leben entgegensteht.
Amen
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Erstellt am: 01.07.2013 16:47 Uhr