PREDIGT VOM 27.10.2013

Von PFARRER JOHANN WEINGÄRTNER
1. MOSE 18, 20-33
20 Und der HERR sprach: Es ist ein großes Geschrei über Sodom und Gomorra, dass ihre Sünden sehr schwer sind.
21 Darum will ich hinabfahren und sehen, ob sie alles getan haben nach dem Geschrei, das vor mich gekommen ist, oder ob’s nicht so sei, damit ich’s wisse.
22 Aber Abraham blieb stehen vor dem HERRN
23 und trat zu ihm und sprach: Willst du denn den Gerechten mit dem Gottlosen umbringen?
24 Es könnten vielleicht fünfzig Gerechte in der Stadt sein; wolltest du die umbringen und dem Ort nicht vergeben um fünfzig Gerechter willen, die darin wären?
25 Das sei ferne von dir, dass du das tust und tötest den Gerechten mit dem Gottlosen, so dass der Gerechte wäre gleich wie der Gottlose! Das sei ferne von dir! Sollte der Richter aller Welt nicht gerecht richten?
26 Der HERR sprach: Finde ich fünfzig Gerechte zu Sodom in der Stadt, so will ich um ihretwillen dem ganzen Ort vergeben.
27 Abraham antwortete und sprach: Ach siehe, ich habe mich unterwunden, zu reden mit dem Herrn, wiewohl ich Erde und Asche bin.
28 Es könnten vielleicht fünf weniger als fünfzig Gerechte darin sein; wolltest du denn die ganze Stadt verderben um der fünf willen? Er sprach: Finde ich darin fünfundvierzig, so will ich sie nicht verderben.
29 Und er fuhr fort mit ihm zu reden und sprach: Man könnte vielleicht vierzig darin finden. Er aber sprach: Ich will ihnen nichts tun um der vierzig willen.
30 Abraham sprach: Zürne nicht, Herr, dass ich noch mehr rede. Man könnte vielleicht dreißig darin finden. Er aber sprach: Finde ich dreißig darin, so will ich ihnen nichts tun.
31 Und er sprach: Ach siehe, ich habe mich unterwunden, mit dem Herrn zu reden. Man könnte vielleicht zwanzig darin finden. Er antwortete: Ich will sie nicht verderben um der zwanzig willen.
32 Und er sprach: Ach, zürne nicht, Herr, daß ich nur noch einmal rede. Man könnte vielleicht zehn darin finden. Er aber sprach: Ich will sie nicht verderben um der zehn willen.
33 Und der HERR ging weg, nachdem er aufgehört hatte, mit Abraham zu reden; und Abraham kehrte wieder um an seinen Ort.

Liebe Gemeinde !
Gott ist unterwegs nach Sodom. Feuer und Schwefel hat er in der Hand um die Stadt und ihre Bewohner zu vernichten. Zu groß ist der Frevel, zu schwer die Schuld, zu übermäßig die Dekadenz, die in dieser Stadt herrschen. Und sie ist nicht zur Umkehr zu bewegen.
Auf dem Weg dorthin begegnet Gott Abraham. Der erfährt vom Ansinnen Gottes, während er mit ihm unterwegs ist. Abraham interveniert. Denkt an den einen oder die andere Unschuldige oder Gerechte, die mit in der Stadt wohnen. Und so beginnt er, mit Gott zu verhandeln.
Kann man so mit Gott umgehen? Eine Gebet, eine Fürbitte für andere in Form eines orientalischen Feilschers auf dem Markt; oder wie früher eines norddeutschen Viehhändlers? Immer noch einen drauf oder besser gesagt, noch ein Stück nach dem andern weiter herunter handeln bis der besiegelnde Handschlag erfolgt.
Und das Erstaunlichste: Gott lässt sich auch noch auf diesen Handel ein, zumindest in unserer Geschichte. Da haben andere Beter zu anderen Zeiten ganz andere Erfahrungen gemacht: Sie erlebten das Schweigen Gottes oder ein Nein! Und es kam ganz und gar anders als gewünscht. Wie oft habe ich in meiner seelsorgerlichen Praxis diese Erfahrung gemacht. Menschen reden inständig mit Gott, bitten und bitten immer wieder. Denken dabei weniger an sich selbst, sondern wie Abraham an andere, die ihnen wichtig sind und die sie vor Gefahr bewahrt oder von schwerem Leiden geheilt, aus großer Not befreit wissen wollten. Und trotz inständigen Gebetes wurde keine Erhörung gewährt. Manche haben ihren Glauben sogar darüber verloren oder sind zumindest in tiefe Zweifel geraten.
Was sollen wir nun mit dieser sicherlich außergewöhnlichen aber genauso realitätsfremden Geschichte anfangen?
Und dann das Gottesbild das sie uns vor Augen malt. Gott geht nach Sodom und was hat er in der Hand? Ein großes Vernichtungspotential, Feuer und Schwefel. Was ist das für ein Gott, der vernichtet anstatt zurecht zu bringen. Der kann doch nur ein religiöser Irrtum sein oder bestenfalls der Anwalt von Machtbesessenen, die für sich in Anspruch nehmen, über Gut und Böse entscheiden zu können, und deshalb vernichten zu dürfen, was böse ist. Viele Machthaber dieses Typs sind gekommen und gegangen und immer hinterließen sie unzählige Opfer und manches Stück verbrannte Erde.
Nein, liebe Gemeinde, ein solcher Gott ist für mich nur schwer zu glauben.
Und deshalb noch einmal: Was sollen wir mit dieser Geschichte anfangen.
Ich will versuchen, einiges, was mir dazu eingefallen ist, mit Ihnen an diesem Nachmittag zu teilen.
1. Glaube kann retten
Wenn am Ende nur 10 Gerechte in Sodom gefunden werden, dann soll die Stadt gerettet werden. So weit hat Gott sich von Abraham herunterhandeln lassen. Bei 50 hatte er angefangen. Und dann kamen die Zweifel, ob die zu finden seien. Und so geht es weiter bis hin zur Untergrenze 10. Und Gott sagt zu: Wenn ich sie finde, dann soll die ganze Stadt gerettet werden.
Hier, liebe Gemeinde, findet sich beim alttestamentlichen Gott, der so wenig christliche Züge trägt, die eher auf grenzenlose Barmherzigkeit und Vergebung ausgerichtet sind, doch ein für mich fast versöhnender Zug. Gott will verschonen, seinen Vernichtungsplan aufgeben, zu dem er allerdings allen Anlass hat, wegen einer ganz kleinen Schar von Gerechten. Und wenn wir uns dann die Gerechten – im späteren Verlauf nach unserer Geschichte kommt es heraus – genauer ansehen, dann sind auch die noch ziemlich erbärmlich. Es handelt sich immerhin um Lot und seine Familie. Lot, dieser Neffe Abrahams, hatte den alten Onkel immerhin um das fruchtbarste Land am Jordan gebracht. Dort konnte er nun relativ leicht seinen Lebensunterhalt als Viehzüchter absichern, während Abraham das trockene Steppengebiet an der Grenze zur judäischen Wüste erhielt mit dem ständigen Kampf um das wenige Wasser.
Es geht also nicht um die lupenreinen Gerechten, sondern um die, die selbst einige dunkle Flecken auf ihrer alles andere als der sprichwörtlich weißen Weste tragen. Aber immerhin, sie sind von Gottvertrauen geprägt, spielen das unwürdige Spiel menschenverachtender Verhaltensweisen einer dekadent gewordenen Gesellschaft nicht mit.
Um die kämpft Abraham in seinem betenden Handel mit Gott. Dieser schwache Glaube soll die ganze Stadt retten. Aber eben auch der Glaube des Beters Abraham, der seinem Gott solange in den Ohren liegt, bis er deren Rettung erreicht. Wie gesagt, Abraham bittet ja nicht für sich; er bittet für andere; sicherlich für einen Verwandten mit wenigen Angehörigen. Ab er eben auch um einen, der ihn selber einst übers Ohr gehauen hat. Das ist schon vorbildlicher Glaube. Und nicht umsonst wird Abraham einer der Väter des Glaubens genannt.
Glaube kann retten. Ich sage bewusst kann. Das ist nicht immer so gewesen und wird auch nicht immer so sein. Am Anfang habe ich darauf hingewiesen. Manches, was Menschen und ganzen Völkern geschieht, bleibt für uns im Dunkeln. Und manch ein mit Gott ringendes Gebet wird nicht oder nicht so oder noch nicht erhört, wie der Beter es erhofft und gewünscht hat. Übrigens bei Sodom ist es ja auch anders ausgegangen. Es gab keine 10 Gerechten in der Stadt, sondern nur Lot, seine Frau und seine beiden Töchter, die allerdings wurden gerettet, nachdem sie zuvor von den Bürgern der Stadt verspottet worden waren und sogar gelyncht werden sollten. Das war ein erster Gedanke, der mir wichtig wurde, um dieser sperrigen Geschichte etwas abzugewinnen. Vielleicht geschieht es ja hin und wieder heute doch noch, was Abraham in seinem unbändigen Gottvertrauen widerfuhr. Glaube kann retten.
2. Keine Kollateralschäden
Wenn Menschen das so genannte Böse vernichten wollen, dann nehmen sie in der Regel in Kauf, dass unschuldiges Leben mit zerstört wird. Die höchst zweifelhaften Kriege gegen das Böse in den letzten Jahren legen davon ein beredtes Zeugnis ab. Oft frage ich mich allerdings: wer sind die Bösen und wer die Guten? Die Grenzen verschwimmen da mehr und mehr. Wenn Unschuldige mit betroffen werden, reden die Mächtigen nicht von der Zerstörung menschlichen Lebens, sondern von Kollateralschäden. Das klingt etwas milder und weil es nur so klingt, ist es umso verabscheuungswürdiger. Wie viele Tausende von Kindern und schlichten Zivilisten sind mit umgekommen in all den Bombenkriegen der Vergangenheit und – Gott sei es geklagt – auch der Gegenwart, von Afghanistan bis nach Syrien, von Palästina bis in den Kongo. Wenn es um Macht geht, tendiert der Wert des Lebens und seine Unantastbarkeit gegen Null und noch darunter. Und da spielt es keine Rolle, ob sie von totalitären oder so genannten zivilisierten Staaten ausgeübt wird.
Das darf nicht sein, um Gottes und der Menschen willen nicht. Und wenn das schon bei dieser schrecklichen Geschichte von Sodom und Gomorra eine Rolle spielt, wie viel mehr muss das im Neuen Testament von Bedeutung sein.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Gefangennahme Jesu im Garten Gethsemane. Dort stehen schwer Bewaffnete Jesus und seiner Jüngerschaft im Dunklen gegenüber. Bevor es zu einem sinnlosen Gemetzel kommen kann, sagt Jesus: Sucht ihr mich? Hier bin ich. Aber diese lasst gehen, fügt er mit einer Handbewegung in Richtung auf seine Jünger an. Mich könnt ihr haben – aber jene lasst in Frieden. Auch hier: Bitte keine Kollateralschäden.
Und dennoch ist gerade diese Jesusgeschichte eine pure Kontrastgeschichte zu der von Abraham, Gott und Sodom im Alten Testament.
In beiden Geschichten ist Gott unterwegs zu den Menschen. Zu den Guten und Bösen, den Gerechten und Ungerechten. Auf dem Weg nach Sodom trägt Gott Feuer und Schwefel mit sich. Und am Ende wird die Stadt vernichtet, wenn auch mit Rettung der wenigen Glaubenden.
In den Jesusgeschichten ist Gott ebenfalls unterwegs, gleichermaßen in der Gestalt eines, wenn auch besonderen Zeitgenossen. Er hat kein Verderbens – oder Vernichtungspotential in den Händen, sondern ein vor Liebe brennendes Herz in der Brust. Einer Liebe, die auch noch den Feinden vergibt, die schuldig Gewordenen versöhnt, die aus der Bahn geworfenen auf guten Weg bringt. Er hat ein brennendes Herz voller Liebe, die bereit ist, sich selbst zum Opfer zu geben, anstatt andere zu Opfern werden zu lassen, und wenn sie es auch noch so sehr verdient hätten. Gibt es in der Tat so etwas wie einen Lebenslauf Gottes in der Geschichte des Glaubens? Ein Theologe des 20. Jahrhunderts hat das einmal so gesagt. Und in der Tat, wenn ich die Entwicklung des Gottesbildes von Sodom bis hin zu den Jesusgeschichten anschaue, dann ist das festzustellen und festzuhalten. Gott kann sich ändern. Er tat es erstmals schon ziemlich am Anfang, als er sagte: Ich hinfort nicht mehr die Erde zerstören, es soll nicht aufhören Saat und Ernte, Sommer und Winter, Frost und Hitze, Tag und Nacht.
Einmal sind die Jünger Jesu allerdings in großer Versuchung, einen schrecklichen Rückfall in alte Gottesbilder zu erleiden. Sie sind mit ihm unterwegs gewesen, um den Menschen die Liebe Gottes zu verkündigen. Und dabei kamen sie auch an Orte, wo sie nicht gern gesehen wurden, ähnlich wie Lot in Sodom. Mit viel Vollmacht hatte Jesus die Jünger ausgestattet. Und als sie ihm von ihren negativen Erfahrungen berichtet hatten, da sagen sie zu ihm: Herr, willst Du, so wollen wir sagen, dass Feuer vom Himmel falle und verzehre sie. Jesus antwortet: Wisset ihr nicht, wes Geistes Kinder ihr seid? Ich bin nicht gekommen, der Menschen Seelen zu verderben, sondern zu erhalten.
Und damit ist es nun endgültig heraus. Wenn der Gott in der schwierigen Geschichte von Sodom und dem Gebetshandel mit Abraham zumindest keine Kollateralschäden will – und damit ist das uralte Gottesbild schon weitaus fortschrittlicher als das Menschenbild gegenwärtiger Machthaber – dann zeigt uns Jesus endgültig den Gott, dessen Barmherzigkeit keine Grenzen mehr kennt, dessen Liebe weit ist wie das Meer und der uns ermutigt an diesem Sonntag:
Ein Glaube, der mit Gott rechnet und redet, der kann retten, weil er an einen Gott gerichtet ist, der die ganze Welt gerettet hat. Nur haben es viel zu wenige begriffen und können deshalb nicht aufhören, sie zu zerstören. Seien wir deshalb seien wir fair und schieben wir das eigene Unvermögen, Leben zu schützen und zu erhalten, nicht Gott in die Schuhe. Er hat’s nicht verdient. Die vielen Erfahrungen von Sodom und Gomorra, Aleppo und Damaskus, Kabul und Pakistan gehen eben nicht auf göttliche Zerstörungswut zurück. Das schaffen die Menschen ganz ohne ihn in einem manchmal teuflischen Wahn.
Der Gott Abrahams, in dessen Zügen sich bereits Erbarmen ankündigt, hat in Jesus von Nazareth endgültig sein Gesicht gezeigt mit den Zügen unendlicher Gnade, tiefster Liebe und endgültiger Rettung aus allem, was das Leben gefährdet und zerstört.
Amen

Infos unter:

Erstellt am: 29.10.2013 11:24 Uhr

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert