Predigt 2.Kor.6,1-10
Unser heutiger Predigttext, der uns nach der Perikopenordnung
für den Sonntag Invokavit vorgegeben ist, steht im 2.Korinther-
brief. In dem ausgewählten Abschnitt verweist Paulus auf die
Gnade Gottes, die er selbst in seinem Leben erfahren hat und
an die er seine Leser erinnert.
Wir hören aus dem 2. Korintherbrief 6,1-10:
1 Als Mitarbeiter ermahnen wir euch, dass ihr die Gnade
Gottes nicht vergeblich empfangt.
Denn er spricht (in Jesaja 49,1): „Ich habe dich zur Zeit der
Gnade erhört und habe dir am Tage des Heils geholfen.“
Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des
Heils!
3 Und wir geben in nichts irgendeinen Anstoß, damit unser Amt
nicht verlästert werde;
4 sondern in allem erweisen wir uns als Diener Gottes:in großer
Geduld, in Trübsalen, in Nöten, in Ängsten,
5 in Schlägen, in Gefängnissen, in Verfolgungen, in Mühen, im
Wachen, im Fasten,
6 in Lauterkeit, in Erkenntnis, in Langmut,in Freundlichkeit,
im Heiligen Geist, in ungefärbter Liebe,
7 in dem Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes,mit den Waffen
der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken,
8 in Ehre und Schande, ; in bösen Gerüchten und guten Gerüchten,
als Verführer, und doch wahrhaftig;
9 als die Unbekannten, und doch bekannt; als die Sterbenden, und
siehe, wir leben; als die Gezüchtigten und doch nicht getötet;
10 als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber
die doch viele reich machen; als die nichts haben und doch alles
haben.
Herr, dein Wort ist unseres Fußes leuchte und ein Licht
auf unserem Weg. Amen.
-1-
Liebe Gemeinde
Es gibt Bibelworte, die schwer zu verstehen sind und die
eine Erklärung benötigen.
Ich habe Ihnen deshalb den heutigen Predigttext kopiert,
damit sie den Text nachlesen können.
Auch mir hat sich dieser Text erst nach mehrmaligem Lesen
und nach längerer Beschäftigung erschlossen.
Der gehörte Abschnitt ist eine Art Antwort an die Gegner in
Korinth, die Paulus als Apostel und als Mensch in Frage stellten.
Die Gegner waren der Ansicht, Christsein müsse sich in einem
äußerlich erfolgreichen Leben zeigen, das frei von Schwierig-
keiten und Belastungen ist.
Dazu passte das Leben des Apostels in keiner Weise.
Paulus hatte – worauf er im heutigen Text selbst hinweist –
viele Schwierigkeiten bis hin zu lebensbedrohlichen
Situationen durchzustehen. Und auch als Mensch hatte er
keine besonderen Fähigkeiten aufzuweisen.
Seinen Kritikern, die Gottes Wirken und Seine Gnade auf
ein von Leiden freies Leben beschränken wollten, hält Paulus
in unserem Text entgegen:
In allem erweisen wir uns als Diener Gottes.
Mit dieser Aussage, mit der Paulus die Aufzählung von unter-
schiedlichen Lebenssituationen einleitet, sind auch wir heute
eingeladen, Gott und sein Wirken nicht bloß dort zu suchen,
wo wir vor Schwerem bewahrt werden. Gerade auch in den
Belastungen des Lebens will Gott erfahren werden als Kraft,
die uns befähigt, Herausforderungen anzunehmen und
auszuhalten. So sieht Paulus selbst sein Leben, auf das er
im heutigen Text stichwortartig zurückblickt.
Paulus redet von einem Leben in Trübsal, in Nöten, in Ängsten.
Ich denke, all das ist auch uns nicht fremd. Es gibt kein Leben,
ohne Belastungen.
Nach diesen mehr allgemeinen Beschreibungen wird Paulus
konkreter. Er redet von besonderen Belastungen, denen er als
Apostel bei den Missionsreisen ausgesetzt war. Er musste
Zeiten erleiden in Schlägen, in Gefängnissen, in Verfolgungen,
in Mühen, im Wachen und im Fasten. Seine Tage sind von
Mühsal bestimmt und seine Nächte von Schlaflosigkeit
und Hunger.
All dies habe er mit großer Geduld ertragen und auch darin
erweist er sich als Diener Gottes – als sein Mitarbeiter.
Paulus kennt aber auch andere Zeiten, Zeiten in Lauterkeit,
in Erkenntnis , in Freundlichkeit.
Zeiten der Lauterkeit oder der Reinheit lassen an Tage denken, wo
Paulus sich ganz frei fühlte und mit sich und Gott im Reinen war
im Sinne der Seligpreisung aus Matthäus 5: Selig sind, die reines
Herzens sind, denn sie werden Gott schauen. Dazu – zu dieser
Reinigung können uns Zeiten der Besinnung verhelfen, Zeiten,
wo wir gewahr werden, dass Gottes Nähe uns umgibt in allem,
was wir erleben und was uns widerfährt. Dieses Gewahrwerden
nennt Paulus Erkenntnis.
In solchen Zeiten, in Zeiten der Erkenntnis, wußte er sich mit
Gott verbunden wie er schreibt: im Heiligen Geist, in
ungefärbter/ungeheuchelter Liebe.
Wo wir immer wir uns dem Heiligen Geist, den Gott uns
schenkt, öffnen, da sind wir mit Gott verbunden. Dasselbe gilt
auch von der Liebe und Zuwendung, die wir einander geben.
In der Liebe ist Gott mit uns, wie uns im 1.Johannesbrief
ausdrücklich gesagt wird: Gott ist die Liebe; und wer in der
Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm .(1.Joh.4,16).
Damit, liebe Gemeinde, kommen wir auf 3 weitere zentrale
Aussagen, die Paulus nennt und die er in Verbindung mit dem
Wort der Wahrheit , mit der Kraft Gottes und mit den Waffen der
Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken als Geschenk Gottes sieht .
Paulus vermag den Herausforderung seines Dienstes standzuhalten,
weil Gott ihn selbst dazu befähigt hat in dem Wort der Wahrheit
und in der Kraft Gottes.
Begleitet vom Wort der Bibel, gestärkt durch Gottes Kraft, die uns
daraus erwächst, können auch wir den Herausforderungen unseres
Lebens standhalten und den Weg gehen, den Gott uns weist, was
immer auch die Welt von uns denken mag.
Paulus hat sich inmitten von Anfeindungen und Missverständnissen
als Diener Gottes erwiesen und ist seinen Weg gegangen in Ehre
und Schande, in bösen und guten Gerüchten, als Verführer und
doch wahrhaftig.
Eine solche Geradlinigkeit ist wohl gemeint, wenn er in der Apostel-
geschichte sagt: Man muss Gott mehr gehorchen, als den Menschen.
Mit Gott konnte er und seine Mitarbeiter den Aposteldienst durch-
halten in extremen Situationen, selbst dann noch, als man sie schon
abgeschrieben hatte: als die Unbekannten, und doch bekannt; als die
Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten und doch
nicht getötet.
Paulus spricht hier von seinen besonderen Belastungen, denen er
als Apostel ausgesetzt war. Auch wenn wir heute andere Rahmen-
bedingungen als Christen haben wie damals Paulus, so können wir
von Paulus lernen, unser Leben mit seinen jeweiligen Belastungen
von Gott her zu sehen und auf seine Kraft zu vertrauen. Gerade im
Umgang mit dem Leiden können wir Erfahrungen machen, die
Paulus am Ende unseres Textes in dialektischer Weise
beschreibt: als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die
Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts haben
und doch alles haben.
Damit ist nicht gemeint, dass wir im Glauben den irdischen
Bedingungen enthoben wären. Auch im Glauben bleibt Trauer
Trauer, aber im Glauben wird uns bei all dem Schweren Kraft
geschenkt, dem Leben treu zu bleiben. Wo wir lernen, unser
Leben in einem größeren Zusammenhang in Gott zu sehen,
da finden wir eine freudige Gelassenheit von der Paulus im
Text sagt: „als die Traurigen, aber allezeit fröhlich.“
Ähnliches gilt auch von den beiden weiteren Aussagen.
Mag sein, dass wir materiell vielleicht wenig haben, so sind
wir doch alle reich und können andere reich machen durch die
ungeheuchelte Liebe, die wir weitergeben. Liebe und
Zuwendung macht vieles ertragbar, zumindest erträglicher.
Und wo wir loslassen und auf alles verzichten, was Gott
und seinem Willen entgegensteht, da kann Gott in uns Wohn-
ung nehmen und uns mit seiner Liebe und Kraft erfüllen.
Ich habe dies in der Seelsorge erfahren an
Sterbebetten, wo Menschen Frieden und Gelassenheit
ausstrahlten, wo nach menschlichem Ermessen nichts mehr
zu erhoffen war, was ich mit jener Kraft in Verbindung bringe,
die Gott uns schenkt.
Ich habe in den vergangenen Predigten auf solche Beispiele
hingewiesen -von meinem Kollegen im Klinikpfarramt oder
am letzten Sonntag von einem spastisch gelähmten Patienten,
der jahrelang bettlägerig war und der dennoch viel
Freundlichkeit, Dankbarkeit und Frieden ausstrahlte.
Alles im Leben, Helles und Dunkles, kann uns dazu dienen,
Gott und seine Nähe zu erfahren, zu der uns Paulus am Anfang
des heutigen Predigttextes ausdrücklich einlädt.
Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade,
siehe, jetzt ist der Tag des Heils!
Mit diesen Worten sind wir eingeladen, Gottes Nähe zu suchen
und uns seinem heilendem Wirken zu öffnen.
Ich möchte schließen mit 3 Fragen, die dem russischen Dichter
Tolstoi zugeschrieben werden. Es geht um die Fragen:
Was ist die wichtigste Zeit?
Was ist der wichtigste Mensch?
Was ist die wichtigste Tat?
Die wichtigste Zeit ist der gegenwärtige Augenblick.
Der wichtigste Mensch ist immer der Mensch, der mir jetzt
gerade gegenüber sitzt,liegt oder steht.
Und die wichtigste Tat ist immer die Liebe.
Gott selbst schenke uns in Jesus Christus, dass wir die
Kostbarkeit der uns geschenkten Zeit erkennen und
sie füllen für uns und für die Menschen, die uns brauchen.
Amen
Lied 398 1 und 2 In dir ist Freude, in allem Leide
Infos unter:
Erstellt am: 28.02.2012 17:26 Uhr