Predigt vom 17.08.14

Bilder und Vorstellungen über Gott bedürfen von Zeit zu Zeit der Überprüfung.
Wo sie uns einengen und Angst machen, da bedürfen sie der Korrektur!
Dies wird schon im Alten Testament deutlich – beim Propheten Elia, der im
9. Jahrhundert vor Christus in Israel als Prophet wirkte.
Auch der große Prophet musste erst lernen, dass Gott nicht ein Zerstörer des Lebens ist , sondern einer, der zum Leben verhilft und aus Ängsten befreit.
Elia kämpfte gegen die Vermischung der Religion, speziell gegen den Baalskult, gegen die Verehrung eines Wetter- und Fruchtbarkeitsgottes.
Auf dem Karmelgebirge kam es zu einem Blutbad, bei dem Hunderte von Baalspriestern auf grausame Weise hingemetzelt wurden.
Als die Königin Isebel, die Frau des Königs Ahab, die dem Baalskult nahe stand, von diesem Blutbad erfuhr, trachtete sie Elia nach dem Leben.
Hier beginnt die Erzählung unseres heutigen Predigtextes, der etwas länger ist.
Wir hören aus 1. Könige 19,1-13a:
Und Ahab sagte Isebel alles, was Elia getan hatte und wie er alle Propheten Baals mit dem Schwert ungebracht hatte.
Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen:
die Götter sollen mir dies oder das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast!
Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort.
Er aber ging hin in die Wüste eine Tagesreise weit und kam und setzte sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte zu sterben und sprach:
Es ist genug, so nimm nun Herr meine Seele; denn ich bin nicht besser als meine Väter.
Und er legte sich und schlief unter dem Ginsterstrauch.
Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss!
Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser.
Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen.
Und der Engel kam zum zweiten mal wieder und rührte ihn an und sprach:
Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.
Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.
Und er kam dort in eine Höhle und blieb dort über Nacht.
Und siehe, dass Wort des Herrn kam zu ihm: Was machst du hier, Elia?
Er sprach: Ich habe geeifert für den Herrn, den Gott Zebaoth; denn Israel hat deinen Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen und deine Propheten mit dem Schwert getötet, und ich bin allein übrig geblieben, und sie trachten danach, dass sie mir mein Leben nehmen.
Der Herr sprach: Geh heraus und tritt auf den Berg vor den Herrn! Und siehe, der Herr wird vorübergehen.
Und ein großer, starker Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, kam vor dem Herrn her; der Herr aber war nicht in dem Sturm.
Nach dem Sturm kam ein Erdbeben; aber der Herr war nicht im Erdbeben.
Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer, aber der Herr war nicht im Feuer.
Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Säuseln.
Als das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und ging hinaus und trat an den Eingang der Höhle.
(Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Weg.)
Liebe Gemeinde

Mit der eben gehörten Erzählung sind wir eingeladen, uns mit dem Prophet Elia auf den Weg zu machen, um Gott in neuer und vertiefter Weise zu erfahren.
Am Ende der Erzählung erfährt Elia Gott auf neue Weise.
Auf dem Berg Horeb – am Ende eines langen Wegs – kommt es zu einer Gottesbegegnung, die den Propheten Gott neu sehen lässt und die ihn von Angst befreit.
Er tritt heraus aus der Höhle, in die er in seiner Angst geflüchtet war.

Äußerlich betrachtet war sein bisheriges Leben und Wirken als Prophet von Erfolg gekrönt.
Das Volk hatte zurückgefunden zum Gott der Väter. Die feindlichen Baalspriester waren beseitigt und Elia war gegenüber den Baalspriestern Sieger geblieben.
Eigentlich könnte er zufrieden und voller Zuversicht sein.
Und nun bringt ihn die Drohung der Königin Isebel dermaßen aus dem Konzept, dass er aufgeben möchte.
Was Elia zuvor von sich und anderen forderte, nämlich ein klares und eindeutiges Bekenntnis zu Gott ohne Rücksicht auf die Folgen, davon ist in der gehörten Erzählung wenig zu spüren.

Aus Angst vor Rache flüchtet er in den Süden; er rennt buchstäblich um sein Leben:
Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben.
Schließlich flüchtet er in die Einsamkeit der Wüste und lässt sich an einem Ginsterstrauch nieder. Er muss wohl sehr verzweifelt gewesen sein, wenn es in der Erzählung heißt:
Er aber ging hin in die Wüste eine Tagesreise und kam und setzte sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte sich, zu sterben.
In seiner Verzweiflung spricht er aus, was ihn bedrückt:
Es ist genug, so nimm nun, Herr, meine Seele, ich bin nicht besser als meine Väter.

Es gibt im Leben Situationen, in denen auch wir an unsere Grenzen kommen und keine Kraft mehr haben. In solchen Zeiten ist dann der Schritt nicht weit, wie Elia zu sagen: Es ist genug.
Es macht nachdenklich, dass in Deutschland, das zu den reichsten Ländern der Welt gehört, sich mehr Menschen als im Straßenverkehr umkommen durch eigene Hand umbringen.
Oder denken wir an die Zunahme von psychischen Krankheiten, oft ausgelöst durch Stress und überzogene Anforderungen. „Bourn out“, „Ausgebranntsein“ heißt die neue Krankheit, die zuzunehmen scheint, und viele am Leben verzweifeln lässt.
Schicksalsschläge wie Krankheiten, Tod und Schwierigkeiten im familiären Umfeld können Menschen in Verzweiflung treiben. Auch Gläubige werden davon nicht verschont und können in Situationen kommen, in denen sie keine Kraft zum Weitermachen mehr haben.

Was den Propheten Elia am Ende zur Verzweiflung brachte, war wohl mehr als die erwähnten Drohworte der Königin Isebel. Möglicherweise war er über sich selbst enttäuscht – über seine
eigenen Vorstellungen und Lebensziele, wenn wir an seine resignierende Worte denken, die er seinem Todeswunsch hinzufügt: Ich bin nicht besser als meine Väter.

Inmitten der Verzweiflung bleibt Elia dennoch auf Gott ausgerichtet.
In den Worten: So nimm nun Herr, meine Seele spricht nicht allein pure Verzweiflung, sondern zugleich ein Vertrauen auf Gott, in dessen Hände wir alles legen können.

Wo immer wir uns an Gott wenden, uns ihm überlassen und auch unser „nicht mehr können“ in Seine Hände legen, da bleiben wir nicht ohne Hilfe.
Gottes Hilfe erfährt Elia mitten in der Wüste. In unserer Erzählung wird diese Hilfe mit dem Bild vom Engel beschrieben, der ihn im Schlaf begegnet und mit neuer Kraft erfüllt.

Wo Gott in unser Leben eingreift und unsere Seele heilt, da braucht es eine besondere Sprache, die unsere Alltagssprache übersteigt – so wie es der Verfasser des 1. Königsbuchs auch tut: Und siehe, ein Engel (ein Bote Gottes) rührte ihn an und sprach zu ihm: steh auf und iss!
Essen und Trinken, auf die der Engel hinweist, halten – wie es im Sprichwort heißt – Leib und Seele zusammen. Heilung ist immer auch ein ganzheitlicher Prozess, zu dem die Befriedigung von elementaren Bedürfnissen wie Essen und Trinken gehört.
Von der Mystikerin Theresa von Avila stammt das Wort, das an die Bitte des Engels erinnert:
„Tu deinem Leib Gutes; dann hat deine Seele Lust darin zu wohnen.“
Beide, die körperliche und die spirituelle Dimension wollen beachtet sein, damit die Seele genesen kann. Das braucht Zeit und Geduld!
In der Erzählung kommt dies in der wiederholten Begegnung mit dem Engel zum Ausdruck.
Beim zweiten Mal fügt der Engel der Aufforderung Steh auf und iss die Begründung hinzu:
Denn du hast einen weiten Weg vor dir.
Elia hört auf den Engel und lässt sich inwendig ansprechen. Er vertraut den Worten und macht sich auf den weiten Weg durch die Wüste bis zum Gottesberg Horeb.

Um Gott zu erkennen und zu erfahren, kann der Weg mitunter weit und schwierig sein.
Elia verbringt viele Tage und Nächte in der Wüste.
Und als er endlich auf dem Berg ankam, der in der Antike als Ort besonderer Gottesbegegnung galt, da verkriecht er sich in einer Höhle.
Und da in der Höhle begegnet ihm Gottes Anruf. Und siehe, das Wort des Herrn kam zu ihm:
Was machst du hier, Elia?

Mit dieser Frage wird Elia aufgefordert, sich zu stellen und sein bisheriges Leben zu überdenken. Auf dem Karmel hat er sich für einen Gott stark gemacht, der in zerstörerischen Naturphänomenen am Werke ist und erbarmungslos gegen Andersgläubige vorgeht.
Diese Gottesbild muss er berichtigen und loslassen, um Gott in neuer Weise zu erfahren.

Ich denke, auch wir müssen unsere Bilder und Vorstellungen von Gott immer wieder neu
überprüfen und gegebenenfalls korrigieren.
Glaubensvorstellungen, die unser Leben einengen und die uns in der Höhle gefangen halten, müssen verlassen und korrigiert werden.
Martin Luther spricht vom „homo incurvatus in se“ – vom „in sich gekrümmten Menschen“,
aus dem wir befreit werden sollen.
Dies muss Elia auf dem Gottesberg lernen, wenn es da weiter heißt: Der Herr sprach:
Geh heraus und tritt hin auf den Berg vor den Herrn.

Um Gott zu erkennen und zu erfahren, ist es erforderlich, all das loszulassen, was seinem Wirken entgegensteht. Das kann Angst sein, die uns lähmt und die uns in der Höhle gefangen hält.
Es können auch Bilder und Vorstellungen von Gott sein, die nicht an Jesus Christus ausgerichtet sind.
Von all dem müssen wir uns trennen, aus der Höhle heraustreten, und uns stattdessen an Jesus Christus orientieren.
In seinem Antlitz zeigt sich uns Gott als Liebe, die uns hält und an die wir uns halten können.

Am Ende der Erzählung erfährt auch Elia, dass Gott nicht in zerstörerischen spektakulären Machterweisen am Werke ist. Im Bibeltext heißt es:
Nach dem Sturm, dem Erdbeben und dem Feuer, in dem der Herr nicht war, kam ein stilles, sanftes Säuseln.
Unsere rationale, ans Äußere gebundene Sprache reicht nicht aus, um inwendige Prozesse zu beschreiben. Wort wie stilles Säuseln sind lediglich Versuche, das letztlich Unsagbare in Worte zu kleiden.
Wo immer Gott uns in tieferer Weise berührt und anspricht, da treten wir aus dem Gewohnten heraus und verlassen alte und gewohnte Geleise.
Mit dieser Aussage schließt der heutige Predigttext:
Als das Elia hörte – das stille, sanfte Säuseln – ging er hinaus und trat an den Eingang der Höhle.
Und dazu, liebe Gemeinde, sind auch wir heute mit Elia eingeladen. Wir sind eingeladen, aus der Höhle herauszutreten – aus festgefahrenen Vorstellungen und Gewohnheiten, die uns den Weg zu Gott, zum Leben, verbauen.

Ekstase heißt wörtlich „heraustreten“ – heraustreten aus der Höhle, die unser Leben verdunkelt und einengt.
Und dazu schenke uns Gott seinen Segen.
Er schenke uns in Jesus Christus, dass wir aus der Höhle der Angst und der Ichbezogenheit heraustreten und uns Seiner Liebe überlassen.
Amen

Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt
Der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt.
Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege lauf und Bahn,
der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.

361 1 u.2, 4 u 6

Infos unter:

Erstellt am: 18.08.2014 11:35 Uhr

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