Predigt vom 09.12.2012 von Pfarrer Andreas Knüpffer

7 Mahnung zur Geduld
So seid nun geduldig, liebe Brüder und Schwestern, bis zum Kommen des Herrn. Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen.
8 Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen; denn das Kommen des Herrn ist nahe.
9 Seufzt nicht wider einander, liebe Brüder und Schwestern, damit ihr nicht gerichtet werdet. Siehe, der Richter steht vor der Tür.
10 Nehmt, liebe Brüder und Schwestern, zum Vorbild des Leidens und der Geduld die Propheten, die geredet haben in dem Namen des Herrn.

11 Siehe, wir preisen selig, die erduldet haben. Von der Geduld Hiobs habt ihr gehört und habt gesehen, zu welchem Ende es der Herr geführt hat; denn der Herr ist barmherzig und ein Erbarmer.

Liebe Gemeinde

Geduld – Geduld! Ach ja, Geduld ist eine schöne bürgerliche Tugend! Aber manchmal reißt mir der Geduldsfaden. Manchmal bin ich mit meiner Geduld am Ende. Man kann schließlich nicht ewig warten. Irgendwann will man auch einen Erfolg sehen, eine Bestätigung. Einmal ist Schluss mit der Geduld. Selbst bei einem Pfarrer. Ich erinnere mich an die Predigt eines Hamburger Kollegen vor über vierzig Jahren, die mich damals schier umgehauen hat, einer Predigt, mit der er seiner Ge­meinde die Geduld aufkündigte und dann – konsequenterweise – aus dem Amt schied. Er sagte:

„Nein. Ich will nicht mehr predigen. Ich höre auf damit. Ich denke mir keine neuen Verfahren mehr aus, mit denen ich noch weiter Gott und der Welt vorspiegele, hier sei etwas los, das die Welt verändert. Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zum Nutzen. Macht mich nicht länger zum Harlekin, zum Alibi für euer Nichtstun, für euer Dulden, für eure Bequemlichkeit des Denkens, für eure Feigheit und mangelnde Fantasie. Ich habe gemerkt, dass ich mit Worten nichts erreichen kann, dass ihr eure Ruhe wollt. Ich will sie euch lassen, ungern, aber bitte … Lasst mich aufhören, euch in eurem Nichtstun zu bestätigen mit schönen Worten. Amen.“

Ich denke, dass wir fast alle ähnliche verzweifelte Situationen kennen: ­Geduld ist eine schöne bürgerliche Tugend, aber sie hat auch ihre Grenzen.
Im Jakobusbrief geht es nun aber nicht nur um meine kleine bürgerliche Geduld bzw. Ungeduld – mit meinen Kindern, mit meinen Freunden, vielleicht auch mit meiner Gemeinde. Es geht vielmehr um Geduld bzw. Ungeduld in einem ganz großen Rahmen, nämlich in der Frage, wann denn Christus, so wie die Bibel es verheißt und wie wir es jeden Sonntag im Glaubensbekenntnis sprechen, einmal wiederkommen werde, um dem Recht und der Gerechtigkeit auf der Erde zu neuem Glanz zu verhelfen und unsere aus den Fugen geratene Welt wieder ins Lot zu bringen. Sollen wir darauf geduldig warten – , oder ist, was die Zukunft unserer Welt betrifft, auch Ungeduld angesagt?
 
Ich weiß, der Jakobusbrief redet der Geduld das Wort: So seid nun geduldig bis zum Kommen des Herrn. Und er stellt uns auch ein Vorbild vor Augen, eine Gestalt aus dem Alten Testament: Siehe, wir preisen selig, die erduldet haben: Von der Geduld Hiobs habt ihr gehört. Aber Hiob – ein Vorbild der Geduld? Das ist ja doch wohl ein Irrtum. Sicher, in Kapitel 1 und 2 und im letzten Kapitel 42 des Buches wird Hiob wegen seiner Geduld gelobt. – „Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen, der Name des Herrn sei gelobt!“

Aber alles, was dazwischen steht, ist auf einen anderen Ton gestimmt. Da ist Hiob zutiefst ungeduldig, rebellisch, eine Art Revolutionär vor Gott, der sich beschwert, dass Gott sich nicht zeigt, der Gott herausfordert, dass er sich endlich sehen lasse: „Siehe, ich schreie Gewalt und bekomme keine Antwort, ich rufe um Hilfe und bekomme kein Recht. (19,7) O, dass ich wüsste, wo ich Gott fände, dass ich gelangte vor seinen Thron. Vorlegen wollte ich ihm meine Sache und meinen Mund mit Beweisen füllen. Geh ich nach Osten, so ist er nicht da; geh ich nach Westen, so spüre ich ihn nicht; such ich im Norden, so schau ich ihn nicht; kehr ich um nach Süden, so seh ich ihn nicht.“ (23,3.8–9)

Worüber also soll ich predigen: über christliche Geduld oder über christliche Ungeduld nach Art des Hiob? Ich habe mich entschieden, beides zu thematisieren, weil ich meine, unsere Welt brauche beides, die Ge­duld und die Ungeduld der Christen, die Ungeduld aber zuerst.

Aber da stocke ich auch schon. Haben wir uns die Hoffnung auf Gottes Kommen, auf den Advent Jesu Christi nicht längst stillschweigend abgewöhnt? Ungeduldig warten wir jedenfalls nicht mehr. Insofern bedarf es der Mahnung zur Geduld gar nicht. Dabei braucht unsere Welt nichts nötiger als Menschen, die sich ihrer Zukunft in der Hoffnung auf den letzten großen Advent Christi engagiert und ungeduldig annehmen.
Liebevoll gestaltete Adventsfeiern mit Geschichten, Lichtern und Liedern!
Aber eben auch ganz konkret an Aktionen von Greenpeace (im Internet: www.greenpeace.de) oder Attac (im Internet: http://www.attac-netzwerk.de).
Sicher, sie verstehen sich nicht als origi­när christliche Organisationen und würden sich auch verbitten, von uns vereinnahmt zu werden. Dennoch: Von ihnen könnten wir lernen, bei ihnen könnte man auch mitmachen. Sie haben nämlich verstanden, dass geduldiges Zuwarten auch tödlich sein kann. Vergleiche die Berichte der Welthungerhilfe!

Klimakonferenz in Doha am persischen Golf.

Das alles heißt nicht, einen wilden, blinden christlichen Aktionismus zu predigen. Ungeduld im Blick auf die Zukunft unserer Erde bedarf keiner Bremse, aber der Ergänzung in Gestalt eines regelmäßigen geduldigen Innehaltens, eines gründlichen Nachdenkens, eines Abwägens aller Even­tualitäten und nicht zuletzt des intensiven Gebets, das weiß, dass es nicht (allein) an unserem Wollen und Laufen liegt, sondern an Gottes Erbarmen (Röm 9,16). Nur solch ein Gebet kann uns vor Fanatismus bewahren und uns geduldig machen.
Ein Beispiel für die notwendige Geduld: Saint-Exupérys Kleiner Prinz fragt auf der Suche nach Freunden den Fuchs, wie man sich vertraut macht, sich zähmt, – mit anderen Worten: wie man geduldig Freunde gewinnt. Aber er hat nicht viel Zeit: „Ich muss Freunde finden und viele Dinge kennen lernen.“
Die Antwort des Fuchses: „Man kennt nur die Dinge, die man zähmt. Die Menschen haben keine Zeit mehr, irgendetwas kennen zu lernen. Sie kaufen sich alles fertig in den Geschäften. Aber da es keine Kaufläden für Freunde gibt, haben die Leute keine Freunde mehr. Wenn du einen Freund willst, so zähme mich!“ „Was muss ich da tun?“, fragte der kleine Prinz. „Du musst sehr geduldig sein“, antwortete der Fuchs. „Du setzt dich zuerst ein wenig abseits von mir ins Gras. Ich werde dich so verstohlen, so aus dem Augenwinkel anschauen, und du wirst nichts sagen. Die Sprache ist die Quelle der Missverständnisse. Aber jeden Tag wirst du dich ein bisschen näher setzen können …“

Mag sein, dass wir nicht alle geduldig und ungeduldig zugleich sein können. Das ist auch eine Frage des Temperaments und der Veranlagung. Die einen von uns sind eben mehr abwartend, nachdenklich, geduldig, während die anderen es kaum erwarten können, im Namen Jesu etwas für die Zukunft der Welt zu tun. Aber so war das in der Geschichte der Kirche immer. Da gab es die Aktiven und die Meditativen, die Kämpfer und die Beter. Aber so muss es auch sein. Denn die beiden Gruppen brauchen einander. Kirche ist immer beides: Beten und Tun des Gerechten unter den Menschen, wie Dietrich Bonhoeffer gesagt hat. Oder Ora et labora – Bete und arbeite, wie es Benedikt formuliert hat. In der Benediktinerregel liegt eine unermessliche Kraft für die Neugestaltung unserer Gesellschaft und Erde!
Wir sollen für eine neue Welt kämpfen, so als käme Jesus Christus nie wieder, und gleichzeitig sollen wir uns sammeln um das Wort Gottes und einstimmen in die nicht endenden Gesänge zum Lob seiner Herrlichkeit.

Amen.

Infos unter:

Erstellt am: 10.12.2012 19:36 Uhr

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