Von Pfarrer Helmut Müller
Wir wollen heute auf Segensworte hören, die ich eben bei der Taufe Juna zugesprochen habe. Es ist ursprünglich ein jüdisches Segenswort, mit dem Aaron und seine Nachkommen beauftragt wurden, es im Gottesdienst dem Volk zuzusprechen. Dieser dreifache Segen, auch Aaronitischer Segen genannt, steht im 4. Mosebuch .
Wir hören aus dem 6.Kapitel die Verse 22-27:
Und der Herr redete mit Mose und sprach:
Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet:
Der Herr segne dich und behüte dich;
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
der Herr erhebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
Denn ihr sollt meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne.
Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege.)
Liebe Gemeinde, liebe Tauffamilie,
wenn unser leben gelingen soll, dann braucht es mehr als unser Wollen und Machen. Es muss etwas hinzukommen, das über unser Tun und Machen hinausgeht und das in der Bibel Segen genannt wird. „Was hast du, das du nicht empfangen hast“? Mit diesen Worten hat Paulus auf den Geschenkcharakter des Daseins hingewiesen, was Sie, liebe Eltern, durch die Geburt Ihrer beiden Kinder erfahren haben. Wie sie sagten, haben Sie sich lange danach gesehnt.
In einem alten Gesangbuchlied aus dem 17. Jahrhundert heißt es:
„Alles ist an Gottes Segen und an seiner Gnad gelegen über alles Geld und Gut. Wer auf Gott sein Hoffnung setzet, der behält ganz unverletzet einen freien Heldenmut“
Es ist daher auch kein Zufall, dass uns der gottesdienstliche Segen von der Geburt bis zum Grab begleitet. Er wird uns zugesprochen bei der Taufe am Anfang des Lebens; wir empfangen den Segen beim Eintritt ins Erwachsenenleben – bei der Konfirmation.
Wenn wir heiraten, wird uns der Segen Gottes mit auf den gemeinsamen Lebensweg gegeben. Und selbst am Ende wird uns Gottes Segen zugesprochen, sei es beim Sterben oder bei der Trauerfeier.
( Im Allgäu mache ich Krankenbesuche in einem Pflegeheim. Bei einem meiner Besuche kam ich in das Zimmer eines Heimbewohners, der eben verstorben war. Zusammen mit einem Angehörigen machte ich eine Aussegnungsfeier, wobei ich meine Hände auf den Verstorbenen legte und ihn segnete. Ich finde es schade, dass dieser alte Ritus der Aussegnung kaum mehr praktiziert wird.)
Aber nicht nur in wichtigen Lebensabschnitten werden wir an Gottes Segen erinnert. Segensworte begegnen uns auch mitten im Alltag, wenn wir einander grüßen oder uns verabschieden. Meist ist uns das nicht bewusst. „Behüt dich Gott“ oder „Adieu“ – Gott mit dir – sind im Grunde Segensworte, die auf Gott und sein Wirken hinweisen.
Solche Grußworte sind, wenn wir sie mit dem Herzen sprechen oder hören, mehr als fromme Wünsche. Sie sind im Grunde Zusagen Gottes, die uns Kraft geben und zum Gelingen des Lebens beitragen.
Das gilt auch von dem dreifachen Segen, der uns in der Regel am Schluss des Gottesdienstes als Heilkraft zugesprochen wird. Wie wir gehört haben, soll der Segen von denen, die damit beauftragt waren, weitergegeben werden. „Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich: so sollt ihr zu den Israeliten sagen, wenn ihr sie segnet:
Der Herr segne dich und behüte dich;
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.“
Im orthodoxen Judentumleitet sich bis heute davon die Praxis ab, dass nur Nachfahren der Priester mit dem Namen Cohen diesen Segen sprechen dürfen. Bei uns sind es die von der Kirche Beauftragten. Sie sollen am Schluss des Gottesdienstes das dreifache Segenswort im Namen Gottes weitergeben:
Ihr sollt meinen Namen auf das Volk legen, dass ich sie segne, spricht Gott, der Herr.
Im zugesprochene Segen ist Gott selbst am Werke. Die Sprechenden, die Priester bzw die Pfarrer, sind lediglich Werkzeuge für Gott, der den Segen spendet. Mit dieser Aussage beginnt der erste Satz des dreifachen Segens. Der Herr segne dich und behüte dich. Es ist Gott selbst, der den Segen spricht. Der Segen zielt in der Bibel auf unser äußeres Wohlergehen und auf unser inneres Heilwerden.
Wir erfahren diesen Segen als Schutz, als behütet werden, wie es in der zweiten Satzhälfte ausdrücklich heißt: Der Herr segne dich und behüte dich. Im Taufspruch von Juna wird dieser Schutz mit dem Bildwort von den Engeln veranschaulicht. Der Herr hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.
Dietrich Bonhoeffer hat dieses Behütetwerden in die Worte gefasst:
„Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“
Es ist Gott, der uns auf unserem Lebensweg wie ein guter Hirte begleitet. Er gibt uns, was wir zum Leben brauchen und was unserem Wohl dient. Aber nicht nur das; er bleibt auch in dunklen Tälern bei uns und führt uns durchs Dunkel zum Licht. Von diesem Licht ist im mittleren Teil des Segenspruchs die Rede, wo es heißt:
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.
Was uns Menschen in unserer Besonderheit kennzeichnet, ist unser Angesicht. Es kann leuchten oder auch verfinstert sein. Wie leuchtend können die Gesichter von Kindern sein. Darum hat sie Jesus uns Erwachsenen al Vorbild hingestellt, um von ihnen zu lernen.
Unsere innere Haltung spiegelt sich in unseren Gesichtern und in unseren Gesten. Es tut uns gut, wenn Menschen uns nicht übersehen, sondern sich uns zuwenden und achtsam mit uns umgehen. Und es muss verkraftet sein, wenn Menschen uns böse ansehen oder sich von uns abwenden.
Wo aber Gott am Werke, da geht ein Leuchten auf uns hernieder, das von seiner unermesslichen Güte herrührt. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Mit dem Wort Gnade ist Gottes bedingungslose Liebe gemeint, die als Licht erfahren werden kann.
Gotteserfahrungen werden in der Bibel als Lichterfahrungen bezeugt.
Wir alle sehnen uns mehr oder weniger nach Licht. In unserem Gesangbuch gibt es Lieder, die das Strahlen der Sonne mit Gott in Verbindung bringen. In dem Lied, das wir zum Beginn gesungen haben, gibt es eine Strophe, die ich des öfteren meditiere und die uns das leuchtende Angesicht Gottes in einer Bitte veranschaulicht.
„Du durchdringest alles, lass dein schönstes Lichte, Herr, berühren mein Gesichte. Wie die zarten Blumen willig sich entfalten und der Sonne stille halten, lass mich so still und froh deine Strahlen fassen und dich wirken lassen.“
Wo wir dieses Licht, Gottes bedingungslose Liebe, in uns aufnehmen, da erkennen wir, dass es Liebe ist, die unserem Leben Sinn verleiht und die wir im Laufe unseres Lebens zu entfalten haben.
Auf den Zusammenhang von Liebe und Licht hat uns Jesus selbst im Johannesevangelium in dem einfachen Wort hingewiesen:
Wer seinen Bruder liebt, der bleibt im Licht. (Joh.2,10).
Liebe, unsere menschliche Liebe, sei sie noch so bruchstückhaft, bringt Licht in das Dunkel des Lebens und verbindet uns mit Gott.
In Gottes Nähe, in Seinem Licht, finden wir Frieden. Mit dieser Aussage schließt der Segensspruch: Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden. Wo Gott sich mit seinem Angesicht uns zuwendet und wir seine Nähe erfahren, da finden wir einen inneren Frieden, der sich auch im Äußeren auswirkt.
Frieden, im Hebräischen schalom zielt auf Ganzheit und meint Frieden mit unseren Mitmenschen, mit uns und mit Gott. Wir können diesen Frieden, der auch Friede mit der Schöpfung einschließt, gar nicht weit genug fassen.
Dieser schalom, den Gott uns schenkt, und den es in Liebe zu entfalten gilt, ist Gabe und Aufgabe zugleich. Mit dem Bild vom Feuer lässt sich unser Mitwirken dabei veranschaulichen. Ein Feuer gibt Licht und Wärme. Es braucht aber auch Achtsamkeit und will gepflegt werden, damit es nicht ausgeht.
Gott selbst schenke uns dazu Seinen Segen. Er schenke uns in Jesus Christus offene Herzen, dass wir uns von der Segenszusage berühren lassen:
Der Herr segne dich und behüte dich;
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen.
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Erstellt am: 16.08.2013 13:08 Uhr