Predigt beim ökumenischen Jahresschluss 2012 (31.12.)

L : Tit 3, 4-7 / Ev.: Lk 17, 11-19
Schwestern und Brüder!
Silvester – ein eigentümlicher Tag im Jahr. Einerseits geht man mit viel Freude in diesen letzten Abend des Jahres, denn die meisten von uns sitzen mit Bekannten und Freunden zusammen oder werden das herrliche Menu in einem der vielen Hotels und Restaurants hier genießen. Ganz entspannt köpft man dann um Mitternacht die Flasche Sekt und begrüßt das neue Jahr.
Andererseits ist da aber auch die Stimmung des Abschiedneh-mens. Abschied von diesen 366 Tagen des Jahres 2012, von Dingen und Ereignissen, die es uns gebracht, vielleicht auch genommen hat. Wir alle machen einen neuen Schritt; einen Schritt ins Unbekannte. Dass Sie diesen Schritt aber ganz bewusst im Glauben und im Vertrauen auf Gott vollziehen wollen, das zeigt mir die Tatsache, dass Sie jetzt hier sind.
Deshalb möchte ich uns allen zunächst einmal kurz Zeit geben, Danke zu sagen; danke für all das, was uns geschenkt war, was uns widerfahren ist, was uns persönlich bereichert und weitergebracht hat. Und: Wir sollten auch Danke sagen für all das, was uns herausgefordert, was uns nachdenklich, traurig gemacht und geschmerzt hat.
– PAUSE / STILLE –
Nun ist ja so ein Jahreswechsel immer auch die Zeit der Vorsätze und auch der guten Wünsche, und so habe ich mir heute Abend für Sie drei – im wahrsten Sinne des Wortes – „fabelhafte“ Wünsche überlegt. Wünsche also, die in Fabeln verpackt sind und an die Sie sich vielleicht in den kommenden Wochen und Monaten mal erinnern können oder die Ihnen helfen, dass ein oder andere, das Ihnen widerfährt, leichter anzunehmen oder auch eher durchzustehen. Ich persönlich glaube ja, dass Geschichten und Fabeln nicht nur recht einprägsam sind, sondern dass sie auch Wahrheiten, Erfahrungen und Impulse so anschaulich vermitteln können, dass sie ab und an in unserer Erinnerung auftauchen und uns so Hilfestellung sein können.
Die erste Fabel, die ich Ihnen erzählen will, die soll Ihnen dann helfen, wenn unangenehme Tage sie heimsuchen oder Sie schwere Wochen und Krisen zu meistern haben. Es ist die Fabel vom Frosch. Da heißt es:
„Ein Schmetterling, ein Käfer und ein Frosch fielen in ein Fass Milch. Der Optimist unter ihnen, der Schmetterling, sagte: „Wir werden schon rauskommen. Warten wir einfach, bis jemand hilft.“ Er schwamm so lange herum, bis seine Atemwege von der Milch verklebt waren, dann ging er unter. Der Käfer war ein Pessimist und sagte: „Da kann man doch überhaupt nichts machen.“ Und er ging unter. Der Frosch aber, das war ein Realist. Er sagte zu sich: „Ich strample mal drauf los, man kann ja nie wissen.“ Und so strampelte er und strampelte – stundenlang. Plötzlich spürte er etwas Festes unter seinen Füßen. Er hatte aus der Milch Butter gestrampelt. Nun kletterte er auf den Butterkloß und sprang hinaus.“
Mit dieser Fabel wünsche ich Ihnen allen viel Kraft zum Strampeln. Sie und ich – wir alle werden wieder Situationen und Zeiten erfahren, wo uns das Wasser bzw. die Milch bis zum Hals steht. Wenn wir danach aber sagen können: „Wieder alles in Butter“ – dann ist das sicher nicht allein unsere Leistung, aber – es hängt doch auch von unserem Engagement, von unserer Initiative, von unserem Einsatz ab, ob wir am Ende des kommenden Jahres auch wieder festen Boden unter den Füßen haben. Und: Ich lade Sie alle – Christen jeglicher Konfession – ein mit zu strampeln, dass wir alle noch stärker Gemeinde Jesu Christi werden. Eine Gemeinschaft, die sich nicht dadurch definiert, was sie trennt, welche Vorbehalte man gegen den jeweils anderen hat, sondern dass uns alle das Wort Gottes verbindet. Und aus diesem Wort Gottes heraus sollten wir als christliche Gemeinden dafür Sorge tragen, dass immer weniger Menschen in der „Milch der Resignation und der Perspektivlosigkeit ertrinken“ und sie in uns die Schwester und den Bruder entdecken, der nicht nur von Hilfe spricht, sondern sie leistet.
Vielleicht fällt Ihnen meine zweite Fabel, die Fabel von der Kuh, dann hin und wieder ein, wenn Sie sich mal wieder schwer damit tun großzügig zu sein, loszulassen oder auch anderen eine Freude zu machen. Sie geht folgendermaßen:
„Das Schwein kam zur Kuh und jammerte: „Die Menschen sprechen immer nur über deine Freundlichkeit. Zugegeben: Du gibst Milch. Doch von mir haben sie doch viel, viel mehr: Schinken, Speck und Borsten; ja selbst meinen Kopf und meine Füße verspeisen sie als Leckerbissen. Aber gern – gern hat mich irgendwie niemand. Für alle bin ich bloß das Schwein. Warum?“ Die Kuh dachte einen Augenblick nach und sagte dann: „Vielleicht ist das so, weil ich etwas gebe, während ich lebe.“
Eine sehr interessante Feststellung, welche die Kuh hier trifft und deshalb möchte ich mit dieser Fabel uns allen – mich eingeschlossen – zu mehr Bereitschaft zum Geben animieren und motivieren. Es gibt so viele Möglichkeiten zu schenken und zu geben, während wir noch leben: Das kann ein Lächeln sein, wenn z.B. jemand in meiner Umgebung auf ein Zeichen der Anerkennung oder der Aufmerksamkeit wartet. Oder ich schenke jemandem ein offenes Ohr, der sich mal die Sorgen von der Seele reden muss. Ich kann mich auch ganz bewusst mal einem Menschen zuwenden, von dem ich weiß, dass er sonst von den anderen kaum oder nie beachtet wird. Ich kann meine Hand geben – zum Dank, zur Versöhnung, zum Willkommensgruß. Und ich kann mein Wort geben – zum Trösten, zum Ermutigen, zum Warnen. Und – ich sage das hier ganz bewusst – ich kann auch von meinem Reichtum geben. Für mich ist es mitunter wirklich nur schwer begreifbar, wenn wir im Gottesdienst oder auch sonst für die Notleidenden sammeln und Menschen, die hier Monate des Urlaubs und der Erholung verbringen, dann sich allenfalls von ein paar kupferumantelten Stahlmünzen trennen können. Verzeihen Sie mir bitte; ich möchte hier nicht generalisieren. Es gibt sehr viele in unseren Gemeinden, die mit vollen Händen geben. Aber denen, welche diese meine Worte sauer aufstoßen, die dürfen sich und ihr Verhalten ruhig hinterfragen.
Ich möchte uns alle einfach einladen, großzügiger zu sein. Etwas von dem zu geben, was wir selbst doch auch geschenkt bekommen haben: Talente, Begabungen, Fähigkeiten, Reichtum. Je mehr wir einbringen, je mehr wir geben, desto menschlicher, desto lebendiger und freundlicher kann es bei und unter uns werden.
Meine dritte Fabel, die von der Libelle, die fällt Ihnen vielleicht hin und wieder ein, wenn der Alltag Sie auffrisst, wenn Sie die großen Lebensziele aus den Augen verlieren und Ihr Glaube kraftlos wird.
„Ein Blutegel sagte zur Libellenlarve: „Ich habe niemals das Bedürfnis nach dem, was du Himmelsluft nennst!“ – „Ach“, erwiderte die Libellenlarve, „ich hab nun einfach mal die Sehnsucht nach oben. Ich versuchte auch schon mal, an der Wasseroberfläche unseres Teiches nach dem zu schauen, was darüber ist. Da sah ich einen hellen Schein und merkwürdige Schattengestalten huschten über mich weg.“ Der Blutegel krümmte sich vor Lachen: „O du phantasievolle Seele, du meinst, über dem Tümpel gibt es tatsächlich noch etwas? Lass doch diese Illusionen! Glaube mir: Ich habe den ganzen Tümpel durchschwommen. Dieser Tümpel ist die Welt – und die Welt ist ein Tümpel. Und außerhalb dessen ist nichts – gar nichts.“ – „Aber ich hab doch den Lichtschein gesehen!?“ – „Ach was, Hirngespinste“, erwiderte der Blutegel, „was ich fühlen und betasten kann, das ist das Wirkliche – nichts anderes.“ Und doch dauerte es nicht lange, bis sich die Libellenlarve aus dem Wasser herausschob, Flügel wuchsen ihr, goldenes Sonnenlicht umspielte sie und sie schwebte schimmernd über den niedrigen Tümpel davon.“
Mit dieser Fabel wünsche ich Ihnen Mut, Mut zum Träumen. Lassen Sie sich durch Blutegelmenschen nicht daran hindern, über den Tümpel Ihres Alltags hinauszuschauen. Versuchen Sie, Ihre ureigene Sehnsucht nach Himmelsluft wach zu halten und in den Ereignissen und Begegnungen des kommenden Jahres den Anruf Gottes zu entdecken. Geben Sie sich mit dem jetzigen Zustand unserer Welt und unseres Alltag nicht zufrieden, sondern halten wir einfach fest an unseren christlichen Hoffnungen.
Lassen Sie uns auch Schritte des Glaubens weitergehen. Das können wir, wenn wir uns in unseren Gemeinden gegenseitig behilflich sind auf der Suche nach dem Reich Gottes in dieser Welt; wenn in unserem Zusammenleben und Zusammenarbeiten etwas spürbar und erfahrbar wird von der Hoffnung, aus der wir alle leben. Ja, es wäre schön, wenn unsere Sehnsucht nach Frieden und Gerechtigkeit im Kleinen, wenn das hier und da in unseren Gemeinden Hand und Fuß bekäme.
Im asiatischen Raum werden die Jahre bekanntlich nach Tieren benannt. Und so möchte ich Ihnen mit diesen drei Fabeln ein tierisch gutes Jahr 2013 wünschen: Ich hoffe, dass es ein Jahr des Frosches wird und uns die Kraft zum Strampeln nicht ausgeht; dass es ein Jahr der Kuh wird und wir die Bereitschaft zum Geben behalten; und dass es ein Jahr der Libelle wird und wir uns den Mut zum Träumen nicht nehmen lassen. Amen.

Infos unter:

Erstellt am: 31.12.2012 10:48 Uhr

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