L I: Num 6, 22-27 / Ev.: Lk 2, 16-21
Schwestern und Brüder!
Wie oft haben wir es gestern Abend oder auch heute Nacht einander wieder gesagt: „Prosit und alles Gute zum neuen Jahr!“ Prosit, das können wir einander aber auch heute Morgen noch hier in San Telmo sagen, denn es ist gutes altes Latein und heißt übersetzt nichts anderes als: Es möge uns nützen! Also: Prosit Neujahr! Es möge uns nützen, dieses neue Jahr! Sie mögen uns nützen, diese 366 Tage oder auch 8.784 Stunden dieses neuen Jahres 2012, von denen die ersten ja nun schon hinter uns liegen. Möge es uns wirklich gut gehen mit ihnen! Möge uns geschenkt werden, wonach wir uns sehnen: geglückte Beziehungen im persönlichen Bereich und an den Arbeitsstätten, Halt und Geborgenheit, Gesundheit und Zuversicht.
Prosit können wir aber auch auf diesen 1.1. hin sagen: Möge er uns nützen, dieser heutige Tag, der in unserer Kirche eine dreifache Bedeutung hat. Zum einen endet heute die achttägige weihnachtliche Festzeit, dann begehen wir heute das Hochfest der Gottesmutter Maria und eben den Beginn des neuen Jahres bürgerlicher Zeitrechnung. Ich möchte Ihren und meinen Blick gerne auf das Ende der achttägigen Weihnachtszeit lenken. Sie hat uns ja heute noch einmal die Botschaft von Weihnachten beschert. Wir haben von den Hirten gehört, die mit ihren Schafen an der Krippe waren; vom Kind, das da im Futtertrog lag. Sie ist einfach erbaulich, diese Szene, an der wir uns in den letzten Tagen zu Hause oder in der Kirche immer wieder erfreut haben. Aber vergessen wir bitte nicht – es geht hier nicht darum, unser Gemüt zu erheitern; sondern es geht um wesentlich Wichtigeres! Hier wird doch endgültig auf den Punkt gebracht, dass Gott nicht in weltentrückten Sphären thront, die für uns unerreichbar sind. Nein, in diesem kleinen Kind da auf dem Stroh in der Krippe, da ist ER – Gott selbst – Mensch geworden. Er ist es, der sagt: Ich bin dabei! Ich mache mit beim Spiel des Lebens. Ich lasse mich ein und mische mich in euer Leben ein. Es ist der Gott, der uns in Jesus zeigt, wie es eben anders geht, als es oft so in unserem Leben normalerweise so geht – nicht rücksichtslos einer gegen den anderen, nicht immer nur auf den eigenen Vorteil bedacht, nicht aggressiv den Ellbogen ausfahrend, sondern den Menschen und ihren Nöten und Sorgen zugewandt, auf ihrer Seite.
Gott ist nicht der Ferne, sondern er ist da. Und um das besser verstehen oder auch deutlicher machen zu können, möchte ich mich gerne einer persischen Sage bedienen, die folgendes erzählt: Ein Mann wanderte eines Tages am Meer entlang und fand ein Säckchen mit Steinen. Er öffnete dieses Säckchen, betrachtete die Steine und ließ sie dann sanft durch seine Finger gleiten. Gleichzeitig beobachtete er die Möwen, die auf den Wellen schaukelten. Er erheiterte sich so an ihrem Spiel, dass er probehalber den einen oder anderen Stein in ihre Richtung warf. Ein einziger Stein blieb ihm am Ende erhalten und den nahm er dann mit nach Hause. Bei hellem Licht betrachtet, entpuppte sich dieser Stein nun aber auf einmal als wertvoller Edelstein. Doch alles Jammern half dem Mann nichts; er musste für sich feststellen: ich habe einen ganzen Schatz verworfen.
Warum ich Ihnen diese Geschichte ans Herz lege? Weil dieser Schatz so unvergleichlich ist wie das Leben, das uns Tag um Tag Edelsteine in die Hände legt, wenn wir sie nur als solche erkennen. Das wird auch in diesem Jahr wieder so sein. Neben manch harten und schweren Brocken, die sich uns in den Weg legen, wird uns unser Leben aber auch wieder solche Edelsteine in die Hände legen. Wir müssen sie nur entdecken. Und da kommt für mich jetzt wieder der ins Spiel, der an Weihnachten klar gemacht hat, dass er in unserem Leben mitmischen will – Gott selbst. In Jesus hat er uns einen Experten geschickt, der mit einem Blick die echten von den falschen Steinen unterscheiden kann. Also: Lassen Sie uns doch Jesus zum Juwelier in unserem Leben erwählen; lassen Sie uns bei ihm in die Sehschule gehen, damit wir eben die Edelsteine unseres Lebens nicht arglos wegwerfen oder unbesehen ins Meer schmeißen, wie der Mann in dieser Sage.
So sagt mir zum Beispiel der Juwelier Jesus im Markus-Evangelium: „Achtet auf das, was ihr hört!“ Deshalb möchte ich die vielen Worte, die um mich herum gesprochen werden, auch genauer unter die Lupe nehmen. Dann kann ich nämlich die Edelsteine besser herausfinden – jene Worte, die mir in meinem Leben ein Licht aufgehen lassen; Sätze, die mich trösten und ermutigen; wertvolle Gedanken, die mir eine neue Perspektive eröffnen; Einladungen, die mir gut tun und Freude schenken; aber auch Anfragen, die mich provozieren und weiterbringen.
Desweiteren rät mir mein Juwelier Jesus: „Seid wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.“ Deshalb möchte ich die Stunden, die mir im neuen Jahr geschenkt werden, auch wach und sorgfältig betrachten. Dann kann ich die „Stern-Stunden“ unter ihnen erkennen – die kostbaren Stunden der Stille, in denen ich zu mir komme und spüre, was Gott mit mir und meinem Leben vorhat, welche Talente er mir in die Wiege gelegt hat; die Stunden der Gottesdienste, die mich bereichern, weil mir in ihnen die Frohe Botschaft unter die Haut und zu Herzen geht; die Stunden mitten im Alltag, in denen ich mich an meinem Leben freuen und einfach nur dankbar dafür sein kann.
Und schließlich legt mir Jesus ans Herz: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“ Deshalb möchte ich die Menschen, die mir in den Wochen und Monaten dieses neuen Jahres nahekommen, auch wohlwollend anschauen. Dann kann ich die „Perlen“ unter ihnen erkennen – Menschen, die mich mit ihrer Freundlichkeit und ihrem Lachen anstecken; Menschen, die ein offenes Ohr haben, wenn ich mit meinen Sorgen nicht allein bleiben will und allein bleiben kann; Menschen, die überzeugend und geradlinig ihren Weg gehen und mir dadurch zum Vorbild werden; Menschen, ohne die mein Leben einfach viel, viel ärmer wäre.
Erinnern Sie sich an den Beginn unserer Gedanken? Prosit Neujahr! Es möge uns nützen, dieses neue Jahr, weil Gott sich in unser Menschenleben einmischt und es mit uns lebt; es soll uns nützen, weil Gott Menschen sucht, die sich ganz auf ihn einlassen wie Maria und es soll uns nützen, weil wir durch Weihnachten JA sagen können zu dem Zeitabschnitt, der vor uns liegt. Möge uns der Juwelier Jesus den geschulten Blick schenken, damit wir die Edelsteine der kommenden Tage – die kostbaren Worte, die wertvollen Stunden und die bereichernden Menschen – nicht achtlos durch die Finger gleiten lassen. Amen.
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Erstellt am: 02.01.2012 23:17 Uhr