Predigt am Weihnachtsfest 2013

L II: Hebr 1, 1-6 / Ev: Joh 1, 1-18 (Kf)
Liebe in Festfreude versammelte Schwestern und Brüder!
In den nächsten Tagen werden sicherlich die ein oder anderen von uns im Freundes- oder Bekanntenkreis wieder gefragt werden – oder wenn Sie als Weihnachtsurlauber wieder zu Hause sind: Na, wie war denn Dein Weihnachten dieses Jahr? Und was antworten Sie dann? Atmen Sie erst mal kräftig durch und sagen: Ja, wo soll ich da jetzt anfangen? Da war so vieles – so viel Schönes. Aber wo anfangen zu erzählen? Vom Wetter in diesen Tagen? Vom tollen Essen? Vom Hotel oder den Ausflügen? Vom Heiligen Abend? Weihnachten – ja, wo soll ich da anfangen zu erzählen?
Vor dieser Frage stehen alle, die eine Geschichte erzählen sollen. Und denen, die die Geschichte von Jesus aus Nazareth aufschreiben wollten – die Evangelisten – denen ging es kein Haar anders. Vielleicht haben Sie ja die Möglichkeit, mal wieder ein bisschen in der Bibel zu blättern; dann stellen Sie fest: Der eine beginnt dort mit der Geschichte von Jesus, als er zum ersten Mal öffentlich aufgetreten ist; also bei seiner Taufe im Jordan durch Johannes den Täufer. Wohlgemerkt, da ist Jesus bereits erwachsen. Der Nächste sagt: Ich beginne bei Abraham, denn das ist der Stammvater. Lukas schließlich beginnt mit der Ankündigung der Geburt von Johannes dem Täufer und der vierte im Bunde – Johannes – wo soll der anfangen, wenn doch schon so vieles gesagt ist? Eben ganz am Anfang, noch vor der Erschaffung der Welt. Und deshalb tauchen bei Johannes keine Engel am nächtlichen Himmel, auch keine Sterne und keine Hirten auf. Wo wir meistens gedankenlos vom Urknall träumen, da lässt er uns die Liebe Gottes sehen: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns ge-
wohnt…“
Johannes lehnt sich weit aus dem Fenster und ringt um Worte für das, was keiner so richtig erfassen kann, was aber doch gesagt werden muss: Der, der in der Krippe geboren worden ist, das ist der, mit dem alles begonnen hat. Das frisch geborene Baby ist der, der schon war, bevor noch irgendetwas gewesen ist. Dieses kleine Menschenkind, mit Armen, Beinen und Nabelschnur ist der, der Himmel und Erde, ja das ganze Weltall gemacht hat und in seiner Hand hält. Und trotzdem lässt Johannes all seine Leser in einer merkwürdigen Spannung. Denn: Wie bitte schön sollen wir uns das denn vorstellen? Das Wort war bei Gott und es war Gott. Ja, was denn nun? Aber genau dieses Geheimnis zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Evangelium und baut einen unglaublichen Druck auf. Und am Ende – an seinem Ende da platzt das, was Johannes immer wieder nur andeutet, aber nie in letzter Konsequenz sagt, ausgerechnet aus dem Mund des Apostels Thomas heraus: „Mein Herr und mein Gott!“
Dieses Bekenntnis des zweifelnden Thomas ist wie eine Befreiung: Hier, in diesem Jesus, ist Gott selbst! Das, was niemand wirklich beschreiben und auch niemand theoretisch abhandeln kann, worüber auch niemand sachgerecht reden kann – ich mit meinem kleinen Verstand schon gar nicht – das kann aber jede und jeder von uns bekennen, wenn uns dieser Jesus wirklich mit Haut und Haaren erfasst und gefangen genommen hat. Denn bekennen und erfassen kann ich ja nur, wovon ich selber betroffen und überzeugt bin. Wie schrieb der große Theologe Rudolf Bultmann einmal: „Welchen Sinn hat es, von Gott zu reden? Ich kann nicht von Gott reden. Denn immer, wenn ich von etwas rede, betrachte ich es ja von außen. Doch das geht bei Gott nicht. Denn außerhalb von Gott gibt es nichts, weil er alles erschaffen hat. Ich kann also nicht von Gott reden, es sei denn, ich glaube.“
Genau dazu aber wurde Jesus geboren; dazu wurde Gott ein Mensch aus
Fleisch und Blut, nicht damit wir über ihn reden und beschreiben, was damals geschah, sondern um uns in sein Heil hineinzunehmen. Deshalb gibt es auch seit Bethlehem in unserem Leben nichts mehr, was nicht auch von diesem göttlichen Licht berührt wird. Deshalb heißt es ja auch: „Das Wort ist Fleisch geworden und wir haben seine Herrlichkeit gesehen.“ Gott wird Mensch.
Was das schlussendlich alles bedeutet, das kann nur fassen, wer von dem Kind selbst erfasst worden ist; nur die- oder derjenige kann wirklich erfassen, welche Tragweite Weihnachten hat. Gott wird Mensch, mit allem, was dazu gehört. Und dazu gehört in unserem Leben so manches. Genau das aber möchte ich uns einfach mal ganz bewusst und etwas salopp vor Augen führen. Deshalb sage ich: Gott wird Mensch und dieser Mensch ist Liebe und Grausamkeit, Verschlagenheit und Barmherzigkeit. Der Mensch ist: magersüchtig oder auch fettleibig; ordentlich und mitunter auch liederlich; da gibt es einerseits Festtagsbraten und doch auch Nahrungskrisen; an der Börse ist der Spekulant; der Mensch oft übersättigt, manchmal abgebrannt.
Gott wird Mensch und dieser Mensch ist: Hochzeitsfoto aber auch Seitensprung, Streicheleinheiten und heiße Liebe, manchmal auch kalte Schulter und dunkle Triebe; manchmal solidarisch dann wieder ohne Job, es gibt ihn auch, den großen Mob.
Gott wird Mensch und dieser Mensch ist: Krieg und Blitzlichtgewitter; Mensch im Nadelstreif aber oft auch urlaubsreif, der Mensch ist gerne auch bequem, politisch manchmal sehr extrem; ab und an ganz leicht vergess-
lich, andererseits auch hoch verlässlich.
Gott wird Mensch und dieser Mensch ist: Schneeballschlacht und Supermacht, oft grundverkehrt und doch liebenswert; manchmal gottvergessen und sehr machtversessen; da das große und tiefe Vertrauen, dort das Abgründige und das Grauen.
Gott wird Mensch und dieser Mensch ist: hilfsbereit und manchmal doch voll Selbstmitleid – usw.
Gott wird Mensch. Wenn ich uns Menschen so betrachte, ja wenn ich mich selbst so anschaue, dann komme ich nicht um die Frage herum: Warum, Gott, gibst du dich mit uns ab? Warum wir? Wie kannst du, der du mich geschaffen hast so wie ich bin, so werden wollen wie ich? Warum?
Johannes sagt uns auch das in seinem Evangelium: Weil dieser Gott uns einfach so geliebt hat und uns immer neu so unbändig liebt. Aber geschrieben ist so etwas ja schnell. Erst derjenige, der dann diese Liebe spürt und erfährt; wer merkt, wie es sich anfühlt, geliebt zu sein, der weiß und kann auch davon reden, was diese Liebe schlussendlich bedeutet.
Nicht jeder kann es erfahren, das ist mir bewusst. Das ist traurig, aber es ist die Wahrheit. Und doch glaube ich: Seit Bethlehem besteht die Möglichkeit, es doch zu erfahren. Und wann ist diese Möglichkeit günstiger als heute, am Weihnachtsfest, hier an der Krippe, wo im übertragenen Sinne dieser große Gott sich ganz klein gemacht und mein Leben in sein Heil eingewickelt hat? Dort, wo ich an einem kleinen, neugeborenen Kind sehen und spüren kann, was es heißt: „…und das Wort ist Fleisch geworden…“ – Für uns. Für mich.
Wenn Sie also jemand in den kommenden Tagen fragt: Wie war denn dieses
Jahr Dein Weihnachten? Dann wünsche ich Ihnen, dass sie vielleicht etwas in der Art sagen können: Weißt Du, ich muss da jetzt ganz weit an den Anfang zurück. Denn der, der ganz am Anfang war, der ist für mich Mensch geworden. Der hat mich einbezogen in seine unendliche Liebe. Wenn das Weihnachten für uns ist – das Wahrnehmen dieser unendlichen Liebe Gottes
zu mir – dann war und ist Weihnachten doch einfach nur genial und gut. Amen.

Infos unter:

Erstellt am: 28.12.2013 15:39 Uhr

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