PREDIGT AM SONNTAG INVOKAVIT 09.03.2014 PUERTO DE LA CRUZ

2. Korinther 6, 6-10
Als Mitarbeiter Gottes ermahnen wir euch, dass ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfanget. Denn er sprich (Jesaja 49,8) „ Ich habe dich zur Zeit der Gnade erhört und habe dir am Tage des Heils geholfen.
Siehe: Jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils. Und wir geben in nichts irgendeinen Anstoß, damit unser Amt nicht verlästert werde; sondern in allem erweisen wir uns als Diener Gottes:
in großer Geduld, in Trübsalen, in Nöten, in Ängsten,
in Schlägen, in Gefängnissen, in Verfolgungen, in Mühen,
im Wachen, im Fasten, in Lauterkeit, in Erkenntnis,
in Langmut, in Freundlichkeit, im heiligen Geist,
in ungefärbter Liebe, in dem Wort der Wahrheit,
in der Kraft Gottes, mit den Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken,
in Ehre und Schande; in bösen Gerüchten und guten Gerüchten,

als Verführer und doch wahrhaftig;
als die Unbekannten , und doch bekannt;
als die Sterbenden und siehe, wir leben;
als die Gezüchtigten, und doch nicht getötet;
als die Traurigen, aber allezeit fröhlich;
als die Armen, aber die doch viele reich machen;
als die nichts haben, und doch alles haben.

Hohe Dichtkunst, liebe Gemeinde, bietet uns der Apostel Paulus an diesem 1. Sonntag in der Passionszeit. In einer großartigen Aufzählung werden Unstände genannt, die mehr als widerwärtig sind, das Leben nahezu brutal mindern und gefährden, den Spielraum des Lebens einengen, geradezu auf bringen. Da geht nichts mehr vor lauter Not und Angst, Verfolgung und Folter, Eingesperrt – Sein und untragbarer Last.

Und dennoch, ja, gerade Phasen mit diesen Umständen sind Zeit der Gnade und Tag des Heils. Warum ?
Weil auf diesem Boden etwas wächst, das nahe zu ungeheuerlich ist:
Lauterkeit und Erkenntnis, Langmut und Freundlichkeit, eindeutige Liebe, unbändige Kraft, göttliche Begeisterung.

Das ist doch wohl nicht möglich! So möchte ich einwenden. Wo gibt es das denn? Ist das Geworfensein in die gröbsten Widerwärtigkeiten, die denkbar sind, der Ort, an dem das Neue wächst?
Erleben wir nicht das genaue Gegenteil?
Da wo Dunkelheit verbreitet wird, entsteht endgültige Finsternis.
Da wo Gewalt gesät wird, wuchert die Gegengewalt gepaart mit blutiger Rache.
Da wo Lieblosigkeit um sich greift, breitet sich kalter Hass aus.
Da wo ein Schlag hingeht, kommen hundert zurück.

Wir kennen doch diesen Kreislauf des Bösen etwa in dem Sinn Goethes: Das ist der Fluch der bösen Tat, dass immerfort sie Böses muss gebären. Oder biblisch gesprochen: Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Unsere Zeit ist voll davon. Und von Verhältnismäßigkeit im Blick auf böse Taten und ihre Folgen kann in keiner Weise mehr die Rede sein. Die Qualität der Bösartigkeit und Gewalt als Reaktion erreicht an vielen Orten unserer Erde einen regelrechten Quantensprung im Vergleich zu ihrer Ursache. Da reichen manchmal bereits Kleinigkeiten aus, und das überbordende Begleichen vermeintlich alter Rechnungen setzt mit einer kaum noch zu begreifenden Intensität ein. Das gilt nicht nur für die großen Konflikte der Gegenwart in Syrien und zumindest teilweise auch der der Ukraine. Das kann man in Familien erleben und vielen anderen Lebensgemeinschaften auch. Häufig in Vereinen, in ganz spezieller Form soll es das sogar in der Kirche geben.

Auf diesem Hintergrund von Erfahrungen in persönlichen und sozialen Bereichen sowie globaler Ereignisse wiederhole ich noch einmal die Frage an Paulus : Wie kommst du dazu, dass die zutiefst am eigenen Leibe erfahre Gewalt, das bis aufs Blut gespürte Unrecht als Anbruch von Gnadenzeiten und Tagen des Heils gedeutet, ja, augenscheinlich erlebt werden kann.

Der Versuch einer Antwort auf diese Frage muss wohl zwischen den Zeilen gefunden werden. Sie verbirgt sich hinter einer fast beiläufigen Formulierung, weil die durch Mark und Bein gehenden Wortspiele sie zu überdecken drohen.

„In allem erweisen wir uns als Diener Gottes“. So heißt die Formulierung, bevor der Apostel uns seine Schlagworte nahezu um die Ohren haut.
Diener Gottes – nicht Diener der Welt.
Diener Gottes – nicht Diener menschlicher Macht.
Diener Gottes – nicht Diener der Gewalt.
Diener Gottes – nicht Diener der menschlich allzumenschlichen Verhaltensmuster.
Diener Gottes – ja nicht einmal Diener der psychologisch wunderbar erklärbaren Emotionen.

Da hat, bevor der Tag des Heils und die Zeit der Gnade anbricht, ein Herrschaftswechsel stattgefunden. Und diesen Wechsel hat Gott selbst vollzogen. Er wird ein Knecht und ich ein Herr, das mag ein Wechsel sein – so besingt das ein Gesangbuchlied. Er entäußerte sich all seiner Gewalt und nahm Knechtsgestalt an – so sagt es der Apostel vom Christus an anderer Stelle. Und in diesen Wochen der Passionszeit denken wir darüber nach.

Gott gibt alles, damit wir alles erhalten.
Gott erträgt das Böse, damit wir vom Bösen befreit werden.
Gott geht unter die Verbrecher, damit niemand mehr verloren gehen muss.
Gott stirbt den Tod am Galgen, damit wir leben können.
Gott fährt zur Hölle, damit wir aus ihr erlöst werden können.

Diesen Herrschaftswechsel hat er vollzogen. Und wer erfahren will, dass es auch anders geht als in dem ewigen Spiel von Gewalt und Gegengewalt, Untat und Rache seine Rolle zu finden oder mit einigermaßen heiler Haut davonzukommen, oft genug auf Kosten anderer, wer diesen Kreislauf durchbrechen will, der muss ebenfalls einen Herrschaftswechsel vollziehen oder an sich vollziehen lassen.
Nur wird ein wohl etwas jovialer aber wohl doch zutiefst wahrer Spruch Wirklichkeit: Machs wie Gott, werde Mensch und verweigere dich den unheilvollen Herrschaften dieser Welt. Denn Mensch ist man eigentlich nur im Dienst des so unendlich menschenfreundlichen Gottes. So, liebe Gemeinde brechen Tage des Heils und gnadenvolle Zeiten an.

Und dann kann eigentlich kommen, was da will. Und nun fangen die Wortspiele des Apostels an, dass ihn letztlich nichts und niemand mehr aus dieser Bahn des Lichtes trotz aller Dunkelheit mehr werfen kann.

Man mag die Diener Gottes Verführer nennen, weil sie das Spiel der Macht des Bösen nicht mitspielen, und sie erweisen gerade darin Wahrhaftigkeit.

Man mag die Diener Gottes totschweigen oder gar zum Schweigen bringen, damit sie niemand mehr kennt. Ihre Namen werden aufgenommen in die Reihe der Märtyrer und in Gottes Gedächtnis sind sie allemal aufgehoben.

Man mag die Diener Gottes drangsalieren, weil sie gegen den Zeitgeist aufstehen und mutig Ecken und Kanten zeigen, aber man wird sie nicht glatt schleifen und gefügig machen können.

Man mag die Diener Gottes in Traurigkeit auch in Armut stürzen. Ihre Freude an der Güte Gottes und ihren Reichtum an Barmherzigkeit kann niemand zerstören.

Man kann ihnen alles nehmen, das Wesentliche bleibt ihnen. So wie Luther es singt: Nehmen sie den Leib, gut Ehr, Kind und Weib, lass fahren dahin, sie haben kein Gewinn, das Reich muss uns doch bleiben.

Warum kann das geschehen? Weil er unter uns ist, der Christus, der Sohn, der Gott mit uns und für uns. In seinem Wort, mit seinem Geist in Brot und Wein, in diesem Gottesdienst.
Darum : Nur Mut, liebe Gemeinde, bei aller Schwachheit, die wir in uns spüren. Diener und Dienerinnen Gottes gehen am Ende nicht unter. Dafür sorgt der uns dienende Christus selber. Und da mag manches passieren, was wir uns eigentlich in der Kirche nicht wünschen: Das Urteilen über einander.
Das hintergründige gegen einander Agieren, anstatt voll Vertrauen auch bei mancher Gegensätzlichkeit mit einander zu kooperieren. Wir müssen dabei nicht stehen bleiben. Es kann vorangehen mit neuer Kraft in einem vom Unheil befreiten Geist. Dafür mit einem Herzen voll Empathie und Liebe, meinetwegen auch einem gesunden Bauchgefühl, auf jeden Fall aber mit glasklarem Verstand.
Weil das Urteil und Urteilen der anderen dann gar nicht mehr so wichtig ist.
Paulus kann in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass der einzige Urteilsspruch, den er anerkennt, das Urteil Gottes ist, unter das er sich beugt.
Das schafft Unabhängigkeit von Menschenmeinung und Menschenurteil.
Da mag es immer wieder auch Kränkungen und Verletzungen geben. Der Glaube und das Vertrauen auf und in den, der heilt und Tage der Gnade anbrechen lässt, steht darüber und trägt gleichzeitig durch manche Durstphase hindurch.
Ich erinnere mich an meine Studentenzeit, wo wir als Lernende Predigtübungen vor den Augen und Ohren einer Prüfungskommission zu absolvieren hatten. Einer meiner Kommilitonen hatte zu diesem Predigttext gesagt, und das hat sich mir tief in der Erinnerung eingegraben:
Wir sind angeschlagen und werden angezählt – aber wir gehen nicht k.o. Amen

Infos unter:

Erstellt am: 10.03.2014 19:06 Uhr

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