Lesung: Jes 60, 1-6 / Evangelium: Mt 2, 1-12
Schwestern und Brüder!
Jede gute Geschichte beginnt mit: „Es war einmal…“ Also beginne auch ich heute mit: Es war einmal in einem weit entfernten Land. Doch halt, das stimmt ja gar nicht. Es war nicht einmal, sondern es war zu der Zeit, in der Quirinius Statthalter in Syrien und Augustus Erster unter Gleichen in Rom war. Also von wegen: Es war einmal… Es ist ein Zeitpunkt in der Weltgeschichte, den wir sehr genau bestimmen können.
Zu dieser Zeit also, in der das römische Reich wieder im erstarken war, da erlebten im märchenhaften Persien, dort wo die Geschichten aus 1001 Nacht erzählt wurden, drei mächtige Männer etwas Seltsames. Sie waren Sterndeuter, deren Namen uns nicht überliefert sind und sie hatten auch nichts mit schrulligen Zauberern wie bei Harry Potter zu tun oder mit Wahrsagern, wie wir sie auf Kirmesplätzen finden. Nein, diese drei waren sehr gewitzte Machtmenschen, deren Wort die Politik beeinflusste. Ganz so, wie auch heute die Regierung manchmal zitternd auf die Wirtschaftsweisen und das schaut, was die so sagen, so waren es diese Sterndeuter damals, die gute oder schlechte Omen für Kriege oder Ernten voraussagten. Dabei hatten diese Voraussagen häufig weniger etwas mit Sternen- oder Wirtschaftskonstellationen zu tun als vielmehr mit dem eigenen Profit. Sie hatten also ein mächtiges Gewicht in der Politik, auch wenn sie kein Regierungsamt oder Mandat innehatten. Vielleicht hat man sie ja deshalb später im Volksmund zu Königen gemacht.
Eines Tages sahen sie nun tatsächlich eine Sternenkonstellation am Himmel die Großes vorhersagte. Sie erkannten – oder vernahmen vielleicht auch die Gerüchte –, dass ein neuer König in Israel geboren werden sollte. Und während die drei das so wahrnahmen, dachten sie bei sich: In Israel herrscht doch Herodes. Der hält aber immer zu Rom, weil er durch Roms Gnaden König geworden ist, auch wenn das Volk ihn dafür hasst. Dazu muss man wissen, dass das römische Reich der große Gegner Persiens im Nahen Osten war. Rom und Persien – das war wie Hund und Katze – jederzeit bereit, aufeinander loszugehen.
Da kam den drei Männern in den Sinn: Es könnte doch gut sein, wenn man sich durch Besuche und kleine Geschenke der Freundschaft die Gunst des Thronfolgers sichern und so vielleicht einen Keil in die Beziehung von Rom und Jerusalem treiben könnte. Und so machten sie sich mit Schätzen und Geschenken bepackt auf den Weg nach Israel. Die Audienz bei Herodes war ihnen schnell sicher, denn der wusste genau, dass er den anderen großen Machtfaktor in der Region nicht vor den Kopf stoßen durfte.
Die drei Sterndeuter traten also vor den König und baten darum, den kleinen Thronfolger zu sehen: „Wo ist der neugeborene König der Juden?“ Da aber war Herodes außer sich vor Aufregung; denn im Königshaus hatte niemand einem Kind das Leben geschenkt. Wenn aber so wichtige Männer sich auf den langen Weg gemacht hatten, dann musste diese Frage ernst genommen werden. Gab es irgendwo revolutionäre Kräfte im Land, die man übersehen hatte? Auch den Jerusalemer Bürgern blieben die Ankunft der Männer und ihre Frage nicht verborgen. Und schon bald – wer von uns könnte ein solches Verhalten nicht verstehen – tuschelte man hinter vorgehaltener Hand von einem neuen König, vielleicht sogar dem Messias, der den widerlichen Herodes endlich stürzen und die Römer aus dem Land jagen würde.
Derweil lies Herodes Nachforschungen anstellen, eben wie einer, der seine Macht im Schwinden sieht. Und da fanden nun die Schriftgelehrten eine alte Verheißung des Propheten Micha: „Du Bethlehem, im Lande Juda, bist keineswegs die geringste unter den führenden Städten Israels; denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der mein Volk weiden wird.“ Ausgerechnet Bethlehem. Das hatte Herodes gerade noch gefehlt. Nichts wäre für seine wacklige Regierung schlimmer, als wenn tatsächlich aus der alten Heimatstadt des Königs David ein Messias käme und den Thron Israels für sich beanspruchte. So rief er also heimlich die drei Weisen zu sich. Niemand sollte den Ernst der Lage erkennen – weder seine Berater und schon gar nicht das Volk. Tauchte hier womöglich der Messias mit ein paar Rebellen auf, dann konnte ihm Rom auch nicht mehr helfen. Aber wenn es ihm gelänge, diese drei Vertreter des feindlichen Persiens mit diesem neuen König in Verbindung zu bringen…ja, dann wäre seine Herrschaft gesichert. Rom würde alles gegen diesen neuen König, diesen Messias tun. Deshalb ließ er die Weisen nochmals kommen und sagte: „Geht und forscht nach dem Kind. Wenn ihr es gefunden habt, lasst es mich wissen, damit auch ich hingehen und ihm huldigen kann.“
Die drei aus dem Morgenland waren aber nicht dumm. Sie hatten ja ihre eigenen Interessen und gehörten nicht zu den Menschen, die ratlos fragten, warum sich so manch Großer alles erlauben konnte. Deshalb beschlossen sie, das Kind zu suchen und den möglichen Konkurrenten gegen den romfreundlichen Herodes zu unterstützen. Sie forschten also weiter und fanden so den Weg nach Bethlehem. Sie fragten sich durch die ganze Stadt und wunderten sich, dass sie zu einem Stall am Stadtrand verwiesen wurden. Dieser Stall hatte nun so gar nichts mit einem politischen Gegenkandidaten zu tun und hier fand man auch keine Untergrundbewegung, die man gegen die herrschende Klasse benutzen konnte. Aber jede weitere Nachforschung brachte kein anderes Ergebnis.
So näherten sie sich also zuletzt doch diesem klapprigen Stall, vor dem ein paar stinkende Gestalten saßen. Es schienen Hirten zu sein, die wohl Wache hielten und irgendwelches wirre Zeug über Licht und Engel von sich gaben. Mit einer getarnten Armee hatte das aber mit Sicherheit nichts zu tun. Vorsichtig gingen sie in den Stall hinein und sahen zuerst das Kind mit seiner Mutter. Und bei diesem Anblick wurden sie von einem göttlichen Licht erfasst. Die Politik und ihre Machtspiele und Intrigen wurden in ein neues Licht getaucht und sie erkannten die böse Absicht des Herodes und zugleich das böse Spiel, das sie selbst betrieben hatten. So wurden die drei sich ihrer Schuld bewusst und begannen auf einmal die Mitmenschen, die Machtlosen um sie herum, wahrzunehmen: Da die ärmliche Mutter und der alte Vater, dort die abgehalfterten Hirten und das kleine Kind. Sie spürten deutlich: das sind keine Schachfiguren, die man zum eigenen Vorteil nutzen konnte, nein – das sind einfach nur Menschen. Deshalb fielen sie vor dem Kind nieder und huldigten ihm. Sie öffneten ihre Schatztruhen und brachten ihm Geschenke dar: Gold, Weihrauch und Myrrhe.
Als sie den Stall wieder verließen und den Stern sahen, dem sie gefolgt waren, überkam sie eine große Freude. Denn sie hatten einen König gesehen, nicht nur für Israel, sondern für alle Völker – und für all diese Völker standen sie, die drei Weisen, stellvertretend an der Krippe. An der Krippe eines kleinen Kindes, eines macht- und hilflosen Königs. Aber genau darin liegt das Geheimnis Gottes. Er macht sich nicht zum Teil der politischen und wirtschaftlichen Mächte, die vorgeben, dass sie den Wohlstand für alle mehren wollen und dann doch nur für den eigenen Profit sorgen.
Gott kommt nicht gewaltsam mit einer Armee, die die Ungerechtigkeit mit Brutalität niederdrückt und so eine neue Ungerechtigkeit schafft. Gott kommt vielmehr als kleines Kind. Und das, denke ich, müssen wir uns neu bewusst machen, was das heißt. Sicherlich singen wir vom holden Knaben als dem Retter, der da ist. Das stimmt schon. Aber er kommt als kleines Kind, das noch nicht einmal sprechen kann. Und doch verändert er so viel. Den Verzweifelten, die sich immer nur als Spielball der Mächtigen fühlten, schenkt dieses Kind eine immense Hoffnung. Die Mächtigen selbst erkennen ihre Schuld oder sind in Aufregung, weil sie fürchten, ihre Macht zu verlieren. Also hat es doch Macht, dieses kleine Kind. Und doch erfahren wir, dass der Allmächtige machtlos wird, damit wir Menschen ihm begegnen können. Gott gibt sich hilflos in das Holz der Krippe und an das Holz des Kreuzes, damit wir nicht zugrunde gehen und am dritten Tag Hoffnung schöpfen können.
Sicherlich kann man einwenden: Was hat sich denn durch Weihnachten verändert? Schließlich funktionieren die politischen und wirtschaftlichen Mechanismen noch genauso, wie in der Zeit vor der Geburt des Messias. Und doch hat sich was verändert. Weil Gott eben nicht nach diesen Regeln spielt, weil er sich klein macht, hat er diese Mechanismen durchbrochen. Weil er sich selbst in Hilflosigkeit und Verzweiflung begeben hat, können wir ihm genau dort begegnen. Das Reich Gottes – es ist in diesem Kind angebrochen. Ganz anders als erwartet – auch ganz anders als wir es erwartet haben?
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Erstellt am: 11.01.2012 16:31 Uhr