L II: 2 Kor 5, 20 – 6, 2 Ev: Mt 6, 1-6.16-18
Schwestern und Brüder!
Es war wie ein Paukenschlag, als am Vormittag des Rosenmontags über die TV- und PC-Bildschirme die Eilmeldung tickerte: „Papst tritt zurück!“ Es war, als hielte die Welt, als hielten selbst freudetrunkene Narren und Jecken für eine kurze Zeit den Atem an. Nun hat also dieser Papst, der nach seiner Wahl für die Schlagzeile sorgte: „Nach 500 Jahren wieder ein Deutscher auf dem Stuhl Petri!“, noch einmal Schlagzeilen ähnlicher Gestalt produziert: „Nach über 700 Jahren wieder ein Amtsverzicht!“
Ich habe wirklich allergrößten Respekt vor der Entscheidung des Papstes, dass er sich, auch bei seiner angegriffenen Gesundheit, die Strapazen dieses Amtes nicht länger antun und die Verantwortung für die Kirche in jüngere Hände übergeben möchte. Und dieses Zeichen hat er deutlich gesetzt. Einen Nachfolger zu wählen, der sich altersmäßig nur knapp vom jetzigen Stelleninhaber unterscheidet, scheint bei dieser Art des Rücktritts und seiner Begründung, fast ausgeschlossen. So werden wir in den kommenden Tagen und Wochen also ganz intensiv um den Heiligen Geist beten, dass er die Kardinäle im bevorstehenden Konklave leite und sie zu einer guten Wahl führe – und: wir beten für Papst Benedikt, dass er seinen Ruhestand wirklich als Ruhestand genießen kann.
Interessant ist für mich, dass der heutige Aschermittwoch wohl die letzte große Liturgie ist, die Benedikt XVI. als Papst und Bischof von Rom feiert. Interessant deshalb, weil dieser Tag uns ja an die Vergänglichkeit menschlichen Lebens erinnert, daran, dass für uns alle am Ende des irdischen Lebensdas Vergehen steht, der Tod. Nur – mit dem Tod wollen sich die Menschen nicht auseinandersetzen; er wird in unserer Gesellschaft am liebsten verdrängt, weil er Ende bedeutet und Verlust. Eine Postkarte, die ich unlängst gesehen habe, hat das so karikiert. Da tritt eine Frau aus der Küchentüre in den Flur und sieht, wie vor ihr auf dem Fußboden ihr Mann liegt. In der Sprechblase der Frau ist zu lesen: „Aber Fred, das ist doch gar nicht Deine Art, tot im Flur zu liegen!“ Man kann darüber lächeln. Wenn wir aber die Ernsthaftigkeit hinter dieser Aussage und dem Bild sehen, dann wird es eben einmal so sein. Es ist unserer aller Art, irgendwann tot da zu liegen. Wir sind sterblich, unser Leben tödlich. Nur: Wir vergessen das oft und meinen, wir könnten unbegrenzt leben; wir meinen, das Leben immer noch mehr verlängern zu können; Techniken zu finden, die dem Tod ein Schnippchen schlagen können. Wenn wir ehrlich sind müssen wir zugeben: Zumindest in unserem Kopf, in unserem Denken, schieben wir den Tod ganz gerne beiseite.
Der Aschermittwoch beinhaltet nun die gute alte Tradition, dass wir immer wieder neu daran erinnert werden, dass niemand von uns um den Tod herumkommt. Dass es einfach zu unserem Leben dazu gehört, dass wir sterben. Wenn wir nachher den Satz hören: „Gedenke Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehrst!“, dann heißt das nichts anderes als: „Gedenke Mensch, dass Du sterben musst!“ Sicherlich: Das ist nun gerade keine frohe Botschaft und vielen – auch vielen Gläubigen – macht sie häufig genug einfach Angst. Man versucht zu verdrängen, man verläuft sich in vielfältigen Aktivitäten, betäubt sich mit Genuss und findet immer wieder neue Formen von Selbsttäuschung oder Ablenkung von genau diesem Gedanken der Endlichkeit. Doch all dies hilft nur bedingt – so lange vielleicht, wie Geld, Erfolg, Ablenkung und auch Gesundheit dies mitmachen. Wenn der Leib aber erste Signale setzt, wie es Benedikt jetzt ja auch von sich selbst gesagt hat, dann ist das ein mehr als liebevoller Hinweis unseres tiefsten Inneren, einmal genau hinzuschauen, einmal wirklich in sich hinein zu spüren, sich der eigenen Begrenztheit bewusst zu werden.
Als Christen müssen wir das ja alles nicht ohnmächtig mit uns geschehen
lassen. Denn wir dürfen und können es durch die Brille des Glaubens betrachten. Genau dazu hält uns der Aschermittwoch an; er holt uns auf den Boden der Tatsachen zurück: „Gedenke, Mensch, dass du sterben musst!“ Wir bekommen Boden unter die Füße. Alles Schweben in höheren Regionen, bis hin zum Unsterblichkeitswahn, das wird uns genommen und wir bekommen den Boden der Tatsachen unter die Füße – und der heißt Endlichkeit und Sterblichkeit. Der Boden unter unseren Füßen ist die Erde, über die wir gehen, und unter der wir eines Tages liegen werden – ob nun zur Verwesung oder bereits als Asche. Wir werden Humus. Ableiten kann ich davon das Wort „humilitas“ – Demut. Bekennen und erkennen wir also heute in Demut, dass wir nicht ewig, sondern vergänglich sind; dass wir nicht Gott, sondern Menschen sind und dass wir nicht Herr über Leben und Tod, sondern vielmehr in dieses Geheimnis von Leben und Sterben eingewoben sind, wie ein Faden in ein großes, buntes Gewebe.
Verena Kast, die Frau, die das Thema Sterben, Tod und Trauer in unserer Gesellschaft aus der Tabuecke geholt und ins Wort gebracht hat, sie spricht davon, dass Leben dann gelingt, wenn wir abschiedlich leben. Das meint: Im Leben, im Alltag, in all unserem Tun das Begrenzte und Vergängliche erkennen und annehmen. Unser Älter- und Altwerden bewusst anschauen und akzeptieren, so wie es Benedikt XVI. ohne Pathos getan hat und genau darin zu einer Würde reifen, die uns hilft, das „Weniger-werden“ anzunehmen und das „Anders-werden“ wert zu schätzen. Und – wir sollten die vielen kleinen Abschiede im Leben bewusst leben. Z.B. wenn wir auseinandergehen – diesen Schmerz bewusst wahrzunehmen als Zeichen für Liebe und Zuneigung, die verbindet; vielleicht auch als Signal, dass noch etwas zu klären ist oder als Moment des Dankes für all das Gemeinsame.
Abschiedlich leben meint auch: Krankheiten, kranke Organe bewusst als ein
Stück von einem selbst annehmen, was so nicht mehr leben kann. Aufmerksam werden für Kostbarkeiten, die mir so dann nicht mehr gegeben sind.
Abschiedlich leben heißt auch, den Tag am Abend bewusst zu beschließen – loslassen was war und offen werden für das, was kommt. Ungelöstes anschauen und prüfen, ob ich aus mir etwas zur Heilung beitragen kann, oder ob ich dazu die Hilfe anderer brauche.
„Gedenke Mensch, dass Du sterben musst“, dieses Wort verbinden wir heute mit dem Zeichen des Kreuzes. Wir sind in dieser bestürzenden Erfahrung nicht auf uns selbst zurückgeworfen, sondern Gott wurde in Jesus Mensch – er kennt also das Sterblich sein, den Tod. Wenn wir uns deshalb mit ihm, mit Jesus verbinden, dann spüren wir, dass Gottes Nähe und Liebe in seinem Tod, auch seine Nähe und Liebe in unserem Tod sein wird – in dem Ihren und dem meinen. Das Kreuz auf unserer Stirn ist also heute ein mehrfaches und sehr eindrückliches Signal – an uns, aber auch an alle, die auf der Suche sind, wie man angesichts der Tatsache, sterblich zu sein, doch eigentlich sehr entspannt und froh leben kann.
Die Asche erinnert uns dabei an unsere Vergänglichkeit; das Kreuz daran, dass Gott uns dem Tod nicht ausliefert, sondern uns gerade darin begegnet und zu neuem Leben befreit. Wer das im Leben leben kann, der kann leichter los- und zurücklassen; kann befreiter nach vorne schauen.
Dass nun das Aschenkreuz am Beginn der Fastenzeit steht hat die Bewandtnis, dass diese intensive Zeit uns Anleitung sein will, das Wesentliche im Leben vom Unwesentlichen zu unterscheiden. Sie will uns anleiten, den Blick von uns weg zu lenken, den Nächsten zu sehen und uns weniger wichtig zu nehmen. Sie will uns anleiten, nicht allein das Kreuz in den Blick zu nehmen, sondern dahinter das Leben, den Humus für das Osterfest zu erkennen, der besagt: „Der Tod hat keine Macht mehr über Dich!“
So sind wir jetzt vom Rücktritt des Papstes hin zu dem gekommen, was der
Aschermittwoch uns sein will. Und im Nachdenken darüber ist mir bewusst geworden: Wahrscheinlich hat Benedikt XVI. genau das in seinen Gedanken gehabt, als er beschloss, diesen Rücktritt kurz vor Beginn der Fastenzeit kundzutun. Nutzen wir die Zeit bis Ostern dazu, das Zeichen des Kreuzes als Siegel unsrer Hoffnung bewusst anzunehmen. Nutzen wir die Zeit, das „abschiedlich leben“ einzuüben und nicht einfach so weiterzuleben wie bisher. Nutzen wir diese Zeit vor Ostern, eine neue Haltung zu unserer Sterblichkeit und zu unserer Erlösung zu finden. Amen.
Infos unter:
Erstellt am: 13.02.2013 11:22 Uhr
