Predigt am Aschermittwoch 2012

L I: Joel 2, 12-18 / Ev.: Mt 6, 1-6.16-18
Schwestern und Brüder!
Nun stellen wir uns doch einfach mal vor, wir säßen hier alle miteinander in einem Zug. Das Abteil, in dem wir uns befinden, ist herrlich warm und behaglich, gemütlich und bequem eingerichtet – und wir stellen zufrieden fest: eigentlich haben wir alles, was wir brauchen.
Auf einmal aber entdecken wir: Hoppla, der Zug fährt ja in die ganz falsche Richtung. Würden wir aussteigen? Aber klar doch – so war meine und so ist wohl auch Ihre erste Reaktion – stimmts?. Nur: Ist es wirklich so klar? Je mehr ich über dieses Bild nachdenke, umso mehr zweifle ich daran, weil ich spüre, wie schwer mir das doch fällt, etwas in meinem Leben zu korrigieren oder zu verändern, wenn ich die dafür erforderliche Notwendigkeit nicht erkenne.
Auszusteigen – oder um jetzt im kirchlichen Sprachjargon der Fastenzeit zu sprechen – „umzukehren”, sich neu ausrichten, das ist mühsam und unbequem. Viel einfacher ist es da doch, den Dingen ihren Lauf zu lassen und den Zug des Lebens eben dorthin rollen zu lassen, wohin er gerade rollt; mag die Richtung auch noch so falsch sein. Oder glauben Sie wirklich, dass wir, wenn wir uns den natürlichen Gegebenheiten unseres Lebens überlassen, einfach von selbst besser werden? Dass wir quasi automatisch angenehmere und glaubwürdigere Zeitgenossen werden? Wer wollte das wohl ernsthaft behaupten? Es gibt in unserem Leben nun mal den Hang zur Bequemlichkeit und zur Verschluderung, die uns zwar sicherlich mit der Zeit nicht zu den großen Sünderinnen und Sündern schlechthin macht, aber die uns doch träge, müde und gleichgültig werden lassen.
Damit aber sind wir bei der Beschreibung genau jener Krankheit, die wir auch Unlust zum Guten, Gleichgültigkeit oder Herzensträgheit nennen können. Der Name ist dabei gar nicht ausschlaggebend, sondern es geht um müde Menschen und abgestumpfte Herzen. Diese Krankheit ist auch nicht besonders auffallend, weil sie ja weit verbreitet ist. Aber sie ist sehr wohl ernst zu nehmen; vor allem deshalb, weil sie über eine langsam schleichende Auszehrung zum geistigen Tod des Menschen führt. Die Kirche schlägt uns als Therapie gegen diese Krankheit die heute beginnende Fastenzeit vor, als eine Zeit eigener Kräfteaktivierung. Denn diese Krankheit ist nicht so beschaffen, dass sie durch die Einnahme von Pillen oder Säften oder gar ohne jegliche Eigenanstrengung kuriert werden könnte. Wer das verspricht, der lügt. Gegen diese Krankheit hilft nur die Aktivierung der  Kräfte, die bereits in uns vorhanden sind, die sich aber durch die Art und Weise, wie wir täglich leben und wie wir miteinander umgehen, nicht richtig entfalten und auswirken können. Die Medizin spricht in einem solchen Falle von körpereigenen Kräften – auf geistlicher Ebene müssten wir wohl eher sagen: Es handelt sich um die Neu-Aktivierung des in uns wohnenden Heiligen Geistes.
Klar dabei ist: Eine solche Fastentherapie muss mehr sein als nur ein “Käse statt Wurst aufs Brot”-Fasten; es kann auch kein Schaufasten sein, wie es von Jesus im Evangelium abgelehnt wurde. Nein, das Heilfasten, zu dem wir in den kommenden 40 Tagen eingeladen sind, das muss ein Vorgang sein, den der Prophet Jöel so umschreibt: “Zerreißt eure Herzen, zerreißt nicht eure Kleider!” – Abgestumpfte und unempfindliche Herzen müssen aufgebrochen, ja zerbrochen werden, damit Gottes Geist wieder in uns wirken kann. Was heißt das aber nun ganz konkret?
Ich denke, erst wenn ich mir klargemacht habe, dass ich nicht fasten muss, weil die Kirche es halt so fordert und vorschreibt, sondern dass Fasten, Gebet und Barmherzigkeit eine notwendige Therapie gegen die Krankheit meines trägen und matten Herzens sind, dass es der Erneuerung meiner Kräfte gegenüber dem Müde- und Gleichgültigwerden meines Menschseins dient, erst dann kann ich eigentlich darangehen, für mich einen Therapieplan aufzustellen. Dabei hilft mir durchaus die alte vorchristliche Weisheit des Judentums – eine Weisheit, die auch andere Religionen kennen und die Jesus aufgreift, um uns den Weg zur Heilung zu zeigen.
Der erste Schritt heißt Fasten – und Fasten meint Verzicht! Dabei geht es aber nicht um einen Essensverzicht in dem Sinne, dass wir nachher eine gefälligere Figur vorweisen können. So wenig Jesus Gefallen fand am Schaufasten seiner Zeit, welches ja nur das Staunen und die Bewunderung der Leute erregen wollte, so wenig fände er wohl heute Gefallen an einem körperlichen Abspecken um eines rein modischen Schlankheitsideals willen. Es geht Gott wahrlich nicht darum, wie viel an Kilos die ein oder der andere von uns auf die Waage bringen – sondern es geht darum, dass ein Herz, welches sich in einen fetten Panzer von Bequemlichkeit eingehüllt hat, wieder spannkräftig wird. Fasten heißt für mich deshalb heute nicht in erster Linie Essensverzicht, sondern vielmehr Konsumverzicht. Die Aktion „Sieben Wochen ohne“, die seitens der evangelischen Kirche für viel Medienwirbel gesorgt hat, zeigt das überdeutlich: Sieben Wochen ohne Auto, ohne Fernseher oder was auch immer für Sie einen Verzicht bedeuten würde. Es gilt: Ganz bewusst auf die vielfältigen Formen von Berieselung und einlullenden Mechanismen zu verzichten denen man Tag für Tag – auch hier im Urlaub – ausgesetzt ist. Wir stopfen viel zu viel in uns hinein, nicht nur durch den Mund, sondern auch durch Augen und Ohren. Fasten als Verzicht heißt da, sich selbst die Chance zu geben, dass unsere Sinne und unser Herz wieder offen werden können.
Der zweite Schritt heißt Gebet! Wenn unser Herz wieder einen freien Blick bekommt, wenn es nicht mit allem möglichen und unmöglichen zugeschüttet wird, dann weitet sich unser Blick vielleicht auch wieder auf den hin, dem wir alles verdanken – Gott selbst! Das einfache Wort: Du, Gott, ich brauche dich, das kann nicht aus einem Herzen kommen, welches nur sich selbst und all das sieht, was mir möglich ist. Gott ist es, der mein Leben mit all seinen Brüchen und in seinem unvollkommenen Stückwerk annimmt. Vor ihm muss ich mich nicht ständig an die Messlatte stellen, ob ich irgendwelchen Bewertungsskalen genüge, die Menschen vielleicht an mich legen. Dieses mein Leben ist unendlich kostbar – nicht weil es „ach so“ perfekt ist, sondern weil es von Gott angenommen und geliebt ist. Er sagt mir: „Du darfst dich selbst annehmen und bejahen, weil du immer mehr bist, als deine Schuld und deine Sünden. Du bist von mir geliebt, auf mich darfst du setzen und mich kannst du vertrauen.“ Genau diese Zusage Gottes aber gilt es von Neuem zu erkennen!
Aus einem solchen Herzen kann dann auch der dritte Schritt entspringen, der mit dem Wort “Almosen” etwas missverständlich ausgedrückt ist. Almosen meint nicht einen vom reichgedeckten Tisch hingeworfenen Knochen für den Bedürftigen. Nein – “Almosen” heißt Barmherzigkeit und meint die echte und nicht ehrverletzende Hilfe, die daraus entspringt, dass jemand wirklich aufmerksam ist für fremde Not und die Hilfe schenkt, die von Herzen kommt.
Eine 40-tägige Entschlackungskur zur Wiedergewinnung eines liebenden und aufmerksamen Herzens, die bietet uns unser Arzt und Heiland Jesus Christus in diesen Tagen an. Wer sich auf dieses Angebot einlässt, der macht sich bereit zur Veränderung hin auf ein österliches Leben. Dieses österliche Leben will Gott uns schenken – aber dabei ist er, wie jeder andere Arzt, auf  unser Mittun angewiesen. Amen.

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Erstellt am: 23.02.2012 15:24 Uhr

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