Predigt am 2. Sonntag nach Weihnachten 2014 (05.01.)

L II: Eph 1, 3-6.15-18 / Ev.: Joh 1, 1-18 (Kf)
Schwestern und Brüder!
„Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.“Noch einmal wird uns diese grandiose Botschaft des Evangelisten Johannes zu Ohren gebracht, diese geniale und unübertroffene Huldigung an die Sprache. Doch wenn man darüber so ins Nachdenken und Schwärmen gerät, läuft man auch Gefahr einen ganz wichtigen Satz dieser Botschaft zu überhören oder nicht genügend zur Kenntnis zu nehmen. „Er kam in sein Eigentum und die Seinen nahmen ihn nicht auf.“ Ein folgenschwerer Satz, den wir auch deshalb gerne überhören, weil er uns heutzutage anscheinend nicht betrifft. Schließlich geht es in dieser Aussage um die Menschen damals, die Zeitgenossen Jesu, die haben ihn nicht aufgenommen – aber wir?
Gerade deshalb aber möchte ich mit ihnen über diesen Satz ein wenig nachdenken und möchte das gerne anhand von Albert Camus Drama: „Das Missverständnis“ tun? Da wird erzählt: Ein Mann, der viele Jahre in Übersee war, kommt als überaus wohlhabender Mann in seine Heimat zurück. Im recht heruntergekommenen Gasthof, den seine verwitwete Mutter und seine Schwester betreiben, nimmt er sich ein Zimmer. Doch die beiden erkennen weder den eigenen Sohn noch den Bruder in diesem Fremden, sehen aber sehr wohl, wie gut betucht er ist. Der Heimkehrer selbst hält sich mit Äußerungen zu seiner Herkunft zurück und spricht somit auch kein klärendes Wort. Und was passiert? In einer der folgenden Nächte wird er auf heimtückische Weise von den beiden Frauen getötet. Gierig nach seinem Geld ermorden sie ihn im Schlaf und erst ein Ausweis bringt ans Tageslicht, wer der Fremde in Wahrheit war.
„Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf….“ Das trifft also hier in Camus Drama genauso zu, wie das, was dem Messias, was dem menschgewordenen Wort Gottes, damals passiert ist. Das Drama von Jesus Christus, das unaufhaltsam auf seine Passion und auf seinen Tod hinausläuft – war das auch nur so ein tragisches Missverständnis wie bei Camus? Wieso erkennt die Mutter den eigenen Sohn und die Schwester den Bruder nicht? Viele Jahre waren sie sich doch mehr als nahe und haben sich aus dem Eff-Eff gekannt. Und genauso kann ich natürlich fragen: Wie konnte es denn kommen, dass Jesus von den Seinen nicht erkannt und aufgenommen wurde, obwohl er sich ja – im Gegensatz zu dieser Camus-Geschichte – ja seinen Getreuen sehr wohl zu erkennen gegeben hat? „Es ist leichter zu töten, was man nicht kennt“, antwortet die Mutter vielsagend der Tochter, als diese sie nach dem Aussehen des Gastes fragt.
Nun haben wir vor wenigen Tagen das Fest der Geburt Jesu gefeiert. Viele haben unsere Gottesdienste aufgesucht, haben mit uns gesungen und gebetet, die Botschaft der Hl. Nacht gehört und sich wahrscheinlich an den Emotionen, die dieses Fest immer wieder freisetzt, erfreut. Aber es bleibt doch – Hand aufs Herz – die Frage: Haben diese Menschen, haben wir den Messias tatsächlich erkannt und haben die Menschen ihn in ihr bzw. haben wir ihn in unser Leben aufgenommen? Man kann ihn ja nicht nur totschweigen, sondern man kann den Messias auch tot-feiern. Wie ich das meine? Nun die beiden Frauen in Camus Drama verstricken sich in dieses Verbrechen, weil sie zu lange, viel zu lange, in ihrer engen Welt gelebt haben. Es ist eine eiskalte, eine berechnende und zutiefst unfreie Welt. Der Sohn und Bruder aber kommt aus einer Welt jenseits des Meeres, einer Welt des Lichts und der Freiheit. Diese beiden Welten aber stehen sich fremd und feindlich gegenüber. So kann der Heimkehrer denn auch sagen: „Sie schauten mich an, aber sie sahen mich nicht“ und versucht so, das Nichterkennen
zu erklären.
Weihnachten also auch nur ein großes oder gar das große Missverständnis? Wir schauen ihn an und sehen ihn nicht. Wir sehen allenfalls das kleine Kind in der Krippe, doch vom erwachsenen Jesus und seiner einfordernden Botschaft, da wollen wir nichts mehr wissen. Eine Welt, die sich am liebsten sich selbst genügt, eine Welt der Macht und der eiskalten Berechnung, eine Welt der Obrigkeitshörigkeit und der Selbstdarstellung, eine Welt des Ellbogens und des Egoismus, eine solche Welt – und das hat Papst Franziskus auch in deutlichen Worten die letzte Zeit zum Ausdruck gebracht – eine solche Welt, steht seiner Welt noch immer fremd und feindlich gegenüber. Die Welt Gottes wird nicht verstanden und viele empfinden sie gar als Bedrohung des eigenen Systems.
Doch nicht nur wir heutzutage, sondern auch die Jünger Jesu damals waren diesbezüglich immer wieder in ihren eigenen Gedanken gefangen und verblendet. Wie sagte Jesus zu Philippus: „So lange bin ich schon bei euch und du hast mich nicht erkannt?“ Und von diesem Nicht-Erkennen und Nicht-Begreifen wird nicht nur einmal im Evangelium berichtet. Auch Petrus erkennt seinen Herrn nicht wieder, als dieser von seinem Leiden und seinem Kreuz zu sprechen beginnt; und er will ihn nicht mehr kennen im Augenblick der Verleugnung. So stößt Jesus immer und immer wieder neu auf das Unverständnis der Menschen, die ihm doch nahe stehen und ihn durch und durch kennen sollten. Oder – um mit Camus zu sprechen – er stößt auf das Missfallen und Missverständnis seiner Freunde, die viel zu sehr in ihrem überkommenen Denken verhaftet sind.
Der katholische Fundamentaltheologe und Religionsphilosoph, Eugen Biser, weist in seinen Büchern immer wieder darauf hin, dass die Passion Jesu nicht erst begann, als man ihm nach dem Leben trachtete, sondern es war vielmehr schon vorher dieses Unverständnis seiner Jünger, die ihn dergestalt einsam und leidend machte, dass er sich fragen musste: Was macht es denn den Menschen so schwer, auf den Ruf zur Nachfolge und auf die Frohe Botschaft einzugehen…. Es scheint wirklich das große Missverständnis zu sein, dass viele Christen in Christus nur noch den sehen, der ihnen ein paar blasse Werte und ein paar schöne Worte gebracht hat, den sie sich aber ansonsten mit einem kümmerlichen Auswahlchristentum fein säuberlich vom Halse halten. Es ist das Missverständnis, dass Jesus zwar von Gott zu uns gekommen ist, um uns eine frohmachende Botschaft von ihm zu bringen; aber der uns doch bitte schön nicht hinein zu reden hat in unsere alltäglichen Geschäfte und Gewohnheiten. Ja, es ist das Missverständnis, dass seine Kirche allenfalls dazu da ist, um ein wenig Dekoration und Folklore in das ansonsten religiös keimfreie Leben vieler Zeitgenossen zu bringen. Und es ist das Missverständnis, dass sein Evangelium angeblich nur von wenigen verwirklicht werden kann, und wir übrigen uns alle mit einem durchschnittlich gelebten Sonntagschristentum zufrieden geben dürfen. Wir könnten durchaus so fortfahren – oder auch noch schärfer werden, wie es zum Beispiel Erich Kästner in seinem Weihnachtsgedicht „Dem Revolutionär Jesus zum Geburtstag“ getan hat:
„Zweitausend Jahre sind es fast,
dass du die Welt verlassen hast,
du Opferlamm des Lebens.
Du gabst den Armen ihren Gott.
Du littest durch der Reichen Spott.
Du tatest es vergebens.

Du sahst Gewalt und Polizei.
Du wolltest alle Menschen Frei
und Frieden auf der Erde.
Du wusstest, wie das Elend tut,
und wolltest allen Menschen gut,
damit es schöner werde!

Du warst ein Revolutionär
Und machtest dir das Leben schwer
Mit Schiebern und Gelehrten.
Du hast die Freiheit stets beschützt
Und doch den Menschen nichts genützt.
Du kamst an die Verkehrten.

Du kämpftest tapfer gegen sie
Und gegen Staat und Industrie
Und die gesamte Meute.
Bis man dir, weil nichts verfing,
Justizmord, kurzerhand beging.
Es war genau wie heute.

Die Menschen wurden nicht gescheit.
Am wenigsten die Christenheit,
trotz allem Händefalten.
Du hattest sie vergeblich lieb.
Du starbst umsonst. Und alles blieb
beim Alten.“

Traurig, wenn das wirklich alles wäre. Aber es heißt ja nicht nur: „Er kam in sein Eigentum und die Seinen nahmen ihn nicht auf.“ Sondern auch: „Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht Kinder Gottes zu werden.“ Wenn wir aber zu den Kindern Gottes gehören wollen, dann müssen wir uns intensiver bemühen Jesus selbst besser zu verstehen. Dann müssen wir Menschen werden, die den unbequemen Seiten seiner Nachfolge und seiner Botschaft nicht ausweichen, sondern sie annehmen. Dann müssen wir Menschen werden, die sich zu den Armen und Geschundenen hinab beugen, und die in jedem Mitmenschen das Angesicht Gottes erkennen und nicht nur in denen, deren Äußeres zusagt oder gefällt. Dann müssen wir Menschen werden, die einfach nur in Liebe handeln. Gebe Gott, dass wir das von Weihnachten verstanden haben und es deshalb in unserem Alltag beherzigen wollen. Denn sonst, sonst wäre wirklich alles nur ein großes Missverständnis gewesen!

Infos unter:

Erstellt am: 11.01.2014 13:49 Uhr

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