Predigt am 2. Sonntag im Jahreskreis 2013 (20.01.)

L I: Jes 62, 1-5 / Ev.: Joh 2, 1-11
Schwestern und Brüder!

Wasser in Wein zu verwandeln – das ist das erstaunliche und kaum fassbare Wunder, welches wir eben gehört haben. Obwohl – so ganz und gar ungewöhnlich ist es eigentlich gar nicht. Denn ein frommer Winzer würde uns das als einen ganz normalen Vorgang beschreiben: Schließlich ist jeder Wein mal Wasser gewesen – Regenwasser, welches durch das Erdreich über die Wurzeln des Weinstocks bis in die reifende Rebe gelangt ist. An dem, was Jesus also auf der Hochzeitsfeier tut, ist weniger der Sachverhalt an sich erstaunlich, als vielmehr die Beschleunigung desselben und die etwas eigenartigen Mittel.

Gegen diese Naturgesetze – und damit viel erstaunlicher – wäre demnach das Gegenteil: Also aus Wein Wasser zu machen. Das wäre wirklich ein Wunder, denn da wären nun alle Naturgesetze ausgehebelt. Aber auch dazu gibt es eine Geschichte. Eine Geschichte, in der es keinerlei göttliches Zutun gibt: In einem Dorf sollte nämlich ein großes Fest gefeiert werden und alle sollten mithelfen, dass es auch tatsächlich gelingt. Im Blick auf die notwendigen Getränke kam einem folgende Idee: Einige Burschen sollten mit einem leeren Fass von Haus zu Haus fahren und jede Familie sollte ein Flasche ihres besten Weißweines in das Fass füllen. Am Ende würde man so genug Wein für ein rauschendes Fest beisammen haben. Der Vorschlag wurde akzeptiert und auch umgesetzt. Als schließlich das Fass voll war und das Fest begann, wurde feierlich das erste Glas ausgeschenkt: Und – oh Wunder – es war reines Wasser.
Vielleicht ahnen Sie ja bereits, wie dieses Wunder, aus Wein Wasser zu machen, geschehen konnte: Jeder hatte sich insgeheim auf den anderen verlassen und geglaubt, dass es mit Sicherheit niemand bemerken würde, wenn er – anstelle des Weines – eben nur eine Flasche Wasser spendiert und dabei den guten Wein für sich selbst behält. Ein trauriges Wunder, das aber auch durch einen Glauben zustande kommt. Und dieser Glaube heißt: „Ich kümmere mich nur um meinen Vorteil. Geiz ist – auch wenn es den Werbeslogan so nicht mehr gibt – noch immer geil“. Mit einem solchen Glauben kann man dann auch  Milliarden von Steuermittel wegzaubern, da kann man sich die besten Posten sichern und abkassieren – und: man kann Wein in Wasser verwandeln. Nur: In dem besagten Dorf hatte man damit sicherlich auch die Lust weggezaubert, jemals wieder miteinander ein Fest zu feiern.
Nun wird aber in der biblischen Geschichte von der Hochzeit in Kana aus Wasser Wein. Und das geschieht auch durch einen Glauben – einen Glauben, der geprägt ist von Vertrauen und Zuversicht. Schauen wir etwas genauer hin: Erst zu Maria, die das Wunder ins Rollen bringt, und dann zu den Jüngern, von denen es am Ende der Geschichte heißt: Jesus offenbarte seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an ihn.
Maria bringt ja das Wunder ins Rollen. Ich frag mich, wie sie das bemerkt hat, dass der Wein zu Ende geht. Ob das der geschulte Blick der Hausfrau war, auf das Getuschel hinter der Theke und darauf, dass schon seit gerau-mer Zeit die Gläser nur noch halb aufgefüllt wurden? Vielleicht auch weibliche Intuition? Jedenfalls spürt sie, dass da etwas kippt, was nicht nur die Stimmung, sondern das ganze Fest in ein peinliches Fiasko verwandeln könnte. Zu ihrem Glauben gehört also die Sensibilität dafür, wo die Lebensfreude von Menschen in Gefahr ist. Diese Beobachtung teilt sie Jesus mit und bekommt dafür allerdings zunächst eine deftige Abfuhr: „Was geht´s mich an?“ raunzt er sie frei übersetzt an.
Erstaunlich ist für mich, dass dieses radikale NEIN Jesu, sie in ihrem Zutrauen, dass er etwas machen kann und auch machen wird, überhaupt nicht beirrt. Trotz dieses NEIN trifft sie die entsprechenden Vorkehrungen und gibt den Dienern die Anweisung: Was er euch sagt, das tut. Wenn wir Maria als ein Vorbild des Glaubens nehmen, dann geht es auch und gerade um diese Unerschütterlichkeit des Hoffens und Betens. Wo immer ich die kleinen und großen Bitten und Hoffnungen vor meinen Gott bringe, weiß ich sehr wohl, dass Gott nicht dazu da ist, mir immer meine Wünsche zu erfüllen. Vielmehr gehört es zu den Erfahrungen eines betenden Menschen, sich vor Gott klein und unbedeutend zu fühlen, ja befürchten zu müssen, dass alles Gesagte und Gehoffte verhallt oder abgewiesen wird. Das besondere des Glaubens ist aber, diesen Widerstand zu erleben und dennoch sein Hoffen und Bitten nicht fallen zu lassen. Nur so wird aus Wasser Wein.
Am Ende dieses ersten Wunders im Johannesevangelium heißt es, dass die Jünger aufgrund dieses Geschehens an Jesus glaubten. Das ist mehr als bemerkenswert, denn dieses Wunder fällt nicht nur aus dem Rahmen, sondern es passt auch nicht so recht in das Bild, das auch wir uns von Jesus gemacht haben. Ein Wunderheiler, der aus Blindheit, Armut oder Krankheit rettet – verständlich, gar keine Frage. Einer, der die Not wendet, aus dem Elend rettet, der da steht, wo das Elend, Schmerz, Tränen und Tod ist, aber sicher doch. Nur: Das Kana-Wunder zeigt einen anderen Jesus, ein anderes Ziel seines Auftrags, eine andere Ausrichtung seiner Herrlichkeit. Nicht wenige – auch Theologen – gießen gerade deshalb Spott über dieses Weinwunder von Kana, weil Jesus hier etwas rettet, was man leicht für überflüssig, unwichtig und zu wenig ernsthaft halten kann: Hier wird die Lebensfreude von Menschen gerettet, die Leichtigkeit und Beschwingtheit eines Festes, die feuchtfröhliche Stimmung einer ausgelassenen Hochzeitsgesellschaft. Hier wird aber für mich mehr als deutlich sichtbar, was Jesus für uns Menschen will, was sein Bild davon ist, wann der Mensch wirklich Mensch ist. Und das ist nicht das Bild des unentwegt fleißigen „Häuslebauers“, des verbissen Vor-sich-hin- Schaffenden, des traurigen Erdenkloses, der mit Schweiß, Blut und Tränen den steinigen Acker des Lebens zu beackern hat, um dann mal gerade Wasser und Brot auf den Tisch zu bekommen. Wie tief hat sich doch dieses Menschenbild in uns hineingefressen. So tief, dass Menschen sich häufig meinen rechtfertigen zu müssen, dass sie den Wohlstand, den sie sich leisten, weiß der Herrgott wie schwer erarbeitet und doch verdient haben. Nur: Gast auf einer Hochzeit zu sein und es sich gut gehen zu lassen, aus vollem Herzen mitzufeiern – das hat man sich doch nie verdient oder hart erarbeitet. Man ist einfach eingeladen. Punktum.
Jesus macht für mich mit diesem Wunder deutlich: Ihr seid Gäste auf einer Hochzeit. Ihr seid auf dieser Erde, um mitzufeiern. Ihr seid eingeladen, die Rechnung ist bezahlt und es ist Gott selbst, der dafür Sorge trägt, dass es an Wein nicht mangeln wird. Das ist der Glaube Jesu und das ist die Herrlichkeit, die seine Jünger durch das Kana-Wunder plötzlich vor Augen haben.
Erinnern Sie sich, wie ich Ihnen am Anfang von dem traurigen Wunder in jenem Dorf erzählt habe, wo aus Wein Wasser wurde? In dieser Geschichte wird die Mahnung der Kana-Erzählung deutlich, die es schon zu beherzigen gilt. Eine Mahnung, die wir gerade als Christen gut hören sollten. Wir handeln uns ja leider immer wieder den Ruf ein, Spaß- und Spielverderber zu sein. Und wer so manch kirchliche Verlautbarung liest oder so manche kirchliche Vertreter oft sieht und hört, kann oft gar keinen anderen Eindruck bekommen. Es gibt bei uns mitunter so eine Säuerlichkeit, die scheinbar nichts anderes weiß, als an dem rumzukritteln, woran Menschen Spaß haben und wo ihre Lebensfreude ist. Statt die Freudenbotschaft glaubwürdig auszustrahlen, pickst man mit dem Moral-Zeigefinger jede Seifenblase der Freude kaputt.
Nehmen wir doch einfach mal unsere Gottesdienste: Nicht immer, aber manchmal erlebe ich sie schon so, dass alle Wein trinken wollen, selbst aber nur Wasser ins Fass gießen. Wir wollen doch aber alle Gott danken, ihn feiern, menschenfreundlich und fröhlich sein Evangelium verkündet haben im Gottesdienst; aber mitsingen, ein etwas anderes Gesicht aufsetzen, mal jemand freundlich ansprechen – mitwirken an der Stimmung eines Gottesdienstes an meinem Platz – das gehört eben auch dazu. Da wünschen wir uns, dass unsere Gottesdienste besser besucht sind und dass die Menschen Wärme und Geborgenheit erleben, aber dass wir selbst mal wieder einladen und versuchen, andere davon zu überzeugen, wie gut es sein kann, die neue Woche mit so einem Fest zu beginnen – das sollen dann bitte-schön andere tun. Es genügt doch, wenn die Verantwortlichen ihren Wein ins Fass gießen! Nein, das genügt eben nicht, wenn es nicht all jene auch tun, denen unsere christliche Botschaft am Herzen liegt.
Dabei ist mir auch klar: Man kann nicht immer nur fröhlich sein. Man hat nicht immer Wein zum Zugießen. Es gibt Phasen und da muss man umso mehr in unseren Gottesdiensten willkommen sein, wo man sich schwertut, selbst Freude auszustrahlen und den Glauben als Lebensfreude zu spüren. Aber gerade dann sind wir anderen gefordert, mit diesen Menschen zu glauben, für sie zu beten, mit ihnen zu hoffen, dass Gott eben weit mehr will als nur Tränen abwischen. Er ist vielmehr der, der uns aus der Finsternis ans Licht, an weiß gedeckte Tische – der uns zum Leben in Fülle führen möchte. Spüren Sie es auch? Das Weinwunder zu Kana – es ist ein mehr als sympathisches Wunder von einem mehr als sympathischen Gott. Amen.

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Erstellt am: 20.01.2013 19:23 Uhr

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