Lesung: Gen 12, 1-4a / Evangelium: Mt 17, 1-9
Schwestern und Brüder!
Finden Sie es nicht auch schön, dass es für jeden Menschen in seinem Leben herausragende Ereignisse, Höhepunkte, ja sogenannte „Hoch-Zeiten“ gibt, die uns etwas von dem vermitteln, was es heißt, den „Himmel auf Erden“ zu spüren? Ich denke doch, dass in jeder und jedem von uns bei solchen Gedanken ganz unterschiedliche Erinnerungen wach werden: Erinnerungen an Begegnungen mit Menschen, die uns wichtig geworden sind und denen wir uns sehr verbunden fühlen; Begegnungen und Erlebnisse in unserem beruflichen Leben, in Ehe und Familie; vielleicht auch die Erinnerung an ein Gespräch, welches uns nachhaltig im Bewusstsein geblieben ist oder auch die wunderschönen Tage eines Urlaubs – vielleicht gerade die Tage hier auf Teneriffa.
Ich kann mir vorstellen, dass wir alle, so wie wir hier sind, von solchen Lebenshöhepunkten erzählen könnten, in denen wir einfach glücklich, ja glückselig waren; an die wir gerne zurückdenken und die uns vielleicht auch ein Stück weit verändert haben – positiv verändert haben. Deshalb meine ich, ist es auch vollkommen natürlich, dass man solche Augenblicke gerne festhalten möchte; dass man es sich aus ganzem Herzen wünscht, genau dieser Zustand, dieses Gefühl des Glücklich- und Zufriedenseins sollte nie vergehen – frei nach dem Motto: „So ein Tag, so wunderschön…“
Obwohl wir also alle durchaus solche Glücksgefühle und Glücksmomente nachempfinden können, so würde es mich persönlich doch mehr als reizen, einmal bei dem Menschen nachzufragen, der uns die Glücksmomente des heutigen Evangeliums überliefert hat – also bei Matthäus selbst. Was hat ihn denn bewogen, diese Zeilen aufzuschreiben? Was wollte er seinen Leserinnen und Lesern, seinen Hörerinnen und Hörern damit sagen? Ich weiß, so ein „Ferngespräch“ über die Distanz von fast 2000 Jahren ist nicht ganz einfach, aber die Bibelwissenschaftler haben ja in der Zwischenzeit so gründlich gearbeitet und recherchiert, dass man heutzutage mit relativ großer Wahrscheinlichkeit vermuten kann, was Matthäus mir auf meine Fragen antworten würde. Und genau deshalb will ich dieses kleine Gespräch mit ihm riskieren und Sie alle daran teilhaben lassen. Vielleicht geht uns dabei ja wirklich das ein oder andere auf, was wir bislang noch als Frage auf diese Erzählung hin mit uns herumgetragen haben.
Meine erste Frage an Matthäus wäre: „Könnten Sie mir denn einen Einstieg in Ihre Erzählung von der Verklärung Jesu nennen? Was waren denn Ihre Voraussetzungen für die Art von Niederschrift, die Sie gewählt haben?“ Und der Evangelist würde mir wahrscheinlich antworten: „Am besten gehen wir mal von unseren Vorstellungen über die Welt aus. Mein Weltbild damals war ja ein völlig anderes als das Ihrige heute. Naturwissenschaft und Technik, die das Leben der Menschen von heute prägen, die kannten wir damals nicht. Wenn Sie heute den Namen eines Berges hören oder etwas von Lichterscheinungen , dann schalten Sie Ihr Smart- oder I-Phone an und „googlen“ das. Und wer des „googlens“ nicht mächtig ist, der schaut in einem Atlas oder einem Physikbuch nach. Genauso gilt: Wenn Sie etwas von einer „Wolke“ lesen, dann fragen Sie in aller Regel einen Meteorologen, und bei Vorgängen, die Sie sich nicht erklären können, da muss dann der Parapsychologe herhalten. Bei meinen Zeitgenossen stellten sich da aber ganz andere Gedanken ein: Berge waren für sie immer schon der Hinweis auf die Größe Gottes oder mussten auch als Berührungspunkte zwischen Himmel und Erde herhalten. Wenn sie deshalb eine Geschichte hörten, die sich auf einem Berge zutrug, dann konnten sie diese sofort in die vielen anderen Berggeschichten einordnen, die sie sich immer wieder erzählten. Sie gehörte dann eben zur Geschichte Abrahams, der auf einem Berg seinen Sohn Isaak opfern sollte – oder zur Geschichte des Mose, der am Berg Horeb den brennenden Dornbusch sah und dabei sein Berufungserlebnis hatte oder der später auf dem Berg Sinai den Dekalog, die Zehn Gebote, von Gott entgegengenommen hat. So könnte ich Ihnen noch viele solcher Berggeschichten aufzählen, die meine Leserinnen und Leser im Hinterkopf hatten. Genau deshalb aber war es mir auch wichtig, entscheidende Erfahrungen mit Jesus eben auf einem Berg zu lokalisieren. Denken Sie nur an die Bergpredigt oder den Abschied Jesu von seinen Jüngern.
Das Wort Wolke weckte gleichfalls solche Assoziationen: Ohne Wolke gibt es keinen Regen und ohne Regen gibt es kein Leben, kein Wachstum auf dieser Erde. Gerade deshalb aber was es nur logisch, dass die Wolke zum Zeichen, ja zum Symbol Gottes wurde, der uns allen ja das Leben geschenkt hat. Immer also, wenn das Volk Israel von der besonders intensiven Gegenwart Gottes erzählen wollte, tauchte deshalb die Wolke auf. Denken Sie nur mal an die 40-jährige Wüstenwanderung hinter der Wolkensäule her oder auch an die Wolke auf dem Sinai bei der Verkündigung der Zehn Gebote. Außerdem waren“, so würde Matthäus sicherlich auch noch weiter berichten, „auch Licht und Sonne Hinweise auf die Herrlichkeit Gottes. Und wenn Mose oder Elija in einer Geschichte auftauchten, dann fragten die Leute nicht zuerst: Wie geht denn das jetzt? Nein, sie erinnerten sich vielmehr daran, welche großartige Bedeutung diese beiden Gestalten für ihr Volk hatten. Der große Befreier und der großartige Prophet – und diese beiden sprechen da jetzt mit Jesus. Damit wird doch aber allen deutlich: Jesus selbst ist sowohl ein Befreier, wie auch ein Prophet.“
An dieser Stelle würde ich den Evangelisten unterbrechen und fragen: „Heißt das also im Klartext, dass die ganze Geschichte nur symbolisch zu verstehen ist?“ Und Matthäus würde wahrscheinlich mit einem inneren Schmunzeln antworten: „Sehen Sie, da haben wir’s. Dieses „nur“, das dürfte der entscheidende Punkt sein. Ihnen geht es – und ich glaube, dass das vollkommen normal und auch legitim ist für Euch Menschen des 21. Jahrhunderts – Euch geht es zunächst einfach darum, dieses Ereignis zu lokalisieren, es zu datieren und die Phänomene zu erklären. Mir aber ging es damals um etwas ganz, ganz anderes. Ich wollte nämlich mit dieser Geschichte all die Erfahrungen, die die Jünger in ihrem Zusammensein mit Jesus und über seinen Tod hinaus gemacht haben, in dieser Erzählung bündeln. Und für mich heißt einfach die Quintessenz aus all diesen Erfahrungen: Er ist der Sohn Gottes. Mit ihm ist ein Stück Himmel auf diese Erde gekommen; er ist für uns das sichtbare Abbild des ansonsten unsichtbaren Gottes. Er ist mein Befreier für ein Leben in Fülle und er verheißt mir ein Leben nach dem Tod – er verheißt mir Ewigkeit.
Die Geschichte der Verklärung, die ich hier erzähle ist also kein Tatsachenbericht, sondern vielmehr eine Erklärung dafür, wer dieser Jesus wirklich war. Weil wir aber diese Wirklichkeit nicht begreifen, sondern nur von ihr ergriffen sein können, bleibt uns nichts anderes als symbolisch von ihr zu reden. Wir müssen immer neue Bilder finden für das, was wir eigentlich nicht sagen können. Und deshalb ist diese Geschichte wahr, auch wenn es nicht so war. Verstehen Sie?“ Darauf kann ich jetzt erwidern: „Das leuchtet mir durchaus ein. Aber dann müssten wir ja, um Ihr Evangelium richtig zu verstehen, diese Symbolsprache wieder ganz neu lernen?“
Und Matthäus würde sagen: „Sie sind doch schon dabei. Haben Sie nicht gesagt: Das leuchtet mir ein? Sehen Sie, das ist doch schon symbolisch gedacht. Wenn Sie einmal Ihre Worte genau unter die Lupe nehmen, dann werden Sie merken, wie oft Sie in Bildern sprechen bzw. wie oft man Ihre Sätze nur in einem übertragenen Sinne verstehen kann. Nur zwei Beispiele will ich Ihnen benennen: Sie lernen einen Menschen kennen, der Ihnen zeigt, wie schön und sinnvoll das Leben sein kann – und Sie sagen daraufhin: Ich sehe alles in einem anderen Licht. Oder Sie begegnen einem, der Sie fasziniert – und Sie sagen dann: Der hat aber eine Ausstrahlung! Und Sie sagen das, obwohl sich in beiden Fällen die Lichtverhältnisse doch gar nicht verändert haben – stimmts?“ – „Schön und gut“, würde ich daraufhin sagen, „aber wie können wir denn heute, 2000 Jahre nach dem Tod Jesu erfahren und spüren, was den Jüngern damals aufgegangen ist?“
Und Matthäus würde mir erwidern: „Sehen Sie, da bin ich Ihnen doch keinen Schritt voraus. Ich habe Jesus auch nicht persönlich gekannt, aber ich habe mich anstecken lassen von all dem, was über ihn erzählt wurde. Ich habe Leute getroffen, die in seiner Nachfolge zu leben versuchten. Wir haben einander seine Worte vorgelesen; haben das Mahl miteinander gefeiert, wie er es wollte; haben gebetet und uns bemüht, andere von unserer Lebensausrichtung zu überzeugen. Nur durch das Tun, das Ausprobieren, das Mitleben, Mitfeiern und Mitbeten in einer Gemeinde ist mir das klar geworden, was ich dann in meinem Evangelium in verschiedenen Erzählungen und Geschichten weitersagen wollte: In Jesus habe ich Maß, Sinn und Ziel meines Lebens entdeckt – er ist für mich die entscheidende Botschaft Gottes an uns Menschen.“
„Ist das dann auch für uns der einzige Weg zum Glauben?“, würde ich ein letztes Mal nachfragen. „Genau“, würde Matthäus sagen, „und im Übrigen habe ich Ihnen für diesen Weg in meiner Geschichte noch zwei Dinge mitgegeben. Einmal einen kleinen Trost, denn nicht alle, sondern nur drei der Jünger war dieses Spitzenerlebnis mit Jesus vergönnt. Und zum anderen die Aufforderung, sich niemals im Glauben allzu häuslich einzurichten, sprich sich niemals mit dem Erreichten zufrieden zu geben. Dass aus dem Hüttenbau des Petrus nichts wurde, sollte deutlich machen: In dieser Welt gibt es keine „himmlische Ruhe“ – nein, der Glaube wird auch Sie ein Leben
lang in Atem halten. Denken Sie an mich! Alles Gute.“
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Erstellt am: 17.03.2014 10:55 Uhr