Von Pfarrer Johann Weingärtner
1. THESSALONICHER 4, 1-8
1 Weiter, liebe Brüder, bitten und ermahnen wir euch in dem Herrn Jesus, da ihr von uns empfangen habt, wie ihr leben sollt, um Gott zu gefallen, was ihr ja auch tut -, daß ihr darin immer vollkommener werdet.
2 Denn ihr wißt, welche Gebote wir euch gegeben haben durch den Herrn Jesus.
3 Denn das ist der Wille Gottes, eure Heiligung, daß ihr meidet die Unzucht
4 und ein jeder von euch seine eigene Frau zu gewinnen suche in Heiligkeit und Ehrerbietung,
5 nicht in gieriger Lust wie die Heiden, die von Gott nichts wissen.
6 Niemand gehe zu weit und übervorteile seinen Bruder im Handel; denn der Herr ist ein Richter über das alles, wie wir euch schon früher gesagt und bezeugt haben.
7 Denn Gott hat uns nicht berufen zur Unreinheit, sondern zur Heiligung.
8 Wer das nun verachtet, der verachtet nicht Menschen, sondern Gott, der seinen heiligen Geist in euch gibt.
Wieder einmal ein solcher Tugendkatalog, der natürlich gleichzeitig die entsprechenden Laster anprangert. Das geht manchen am christlichen Glauben regelrecht auf die Nerven, liebe Gemeinde.
Besteht der Glaube aus der Darstellung von Licht und Schatten, Hell und Dunkel, Gut und Böse? Und die Bösen – das sind dann eben die anderen oder die Heiden, wie der Apostel Paulus schreibt. Fällt nun auch die Bibel noch dem so oft praktizierten zeitgenössischen Trend anheim, der ja ausgesprochen gerne schwarz – weiß malt. So, als gäbe es keine Zwischentöne und die daraus notwendige differenzierte Betrachtungsweise an Stelle eines glatten Ja und Nein. Ein Beispiel dafür:
Die christlich – jüdische Tradition Europas, das ist die gute. Und die orientalisch – islamische – das ist die weitgehend böse. Und wenn ein ehemaliger Bundespräsident das anders sah – dann fiel man gelegentlich über ihn her. Dabei ist die Feststellung, dass der Islam auch zu Deutschland gehört, wo doch 4 Millionen Moslems in Deutschland leben, von denen die Hälfte deutsche Staatsbürger sind, eine ebenso wenig revolutionäre Aussage wie die, dass die Welt eine Kugel ist.
Und dann sehen wir an vielen Orten und in manchen Ländern auch anderer Hinsicht die Guten und die Bösen in einem unheilvollen Nebeneinander. Die Guten wollen die Welt retten oder zumindest den Euro, auch wenn sie sich dabei gehörig übernehmen. Und alle, die mit kritischen Nachfragen kommen oder auf einer anderen Welle schwimmen, die sind böse oder zumindest unfähig. Umgekehrt wird in gleicher Weise gedacht und argumentiert. Und wenn dann auch noch Wasserwerfer oder andere polizeiliche Mittel mehr oder weniger brutal gegen brave Bürger eingesetzt werden, dann wird viel dafür getan, dass Vorurteile stimmen.
Und so stehen sich die Richtungen wie so oft unversöhnlich gegenüber gegeneinander:
Gut gegen Böse
Tugend gegen Laster
Recht gegen Unrecht
Gläubige gegen Ungläubige
Auch Christen gegen Moslems
Und der Thessalonicherbrief des Paulus nimmt nun ausgerechnet als eines seiner beiden Beispiele dafür den Umgang mit dem weiblichen Geschlecht und der Sexualität auf. Manche Zeitgenossen bestätigt das in ihrer Meinung, dass das Christentum leibfeindlich sei und die Sexualität verdamme und sich dabei auch noch recht heuchlerisch verhielte, wenn man die Verfehlungen in der eigenen Praxis ansieht.
Wie schreibt nun der Apostel?
3 Denn das ist der Wille Gottes, eure Heiligung, dass ihr meidet die Unzucht
4 und ein jeder von euch seine eigene Frau zu gewinnen suche in Heiligkeit und Ehrerbietung,
5 nicht in gieriger Lust wie die Heiden, die von Gott nichts wissen.
Christen gehen gut mit ihren Frauen um und sind nicht von gieriger sexueller Lust befallen oder sollen es zumindest nicht sein, denn die das tun, das sind die Heiden. Und da geschieht es nun in manchem westeuropäischem Land in unserer Zeit, dass sich die Verhältnisse umgekehrt haben. Da werden ihrer Weiblichkeit bewusste und gut anzusehende und vielleicht sogar christlich geprägte deutsche Lehrerinnen von moslemischen Jungen als Schlampen beschimpft. Und die eigenen Mädchen und Frauen – zumindest in manchen Familien – die so viel wie nur irgend möglich von ihrem Körper verhüllen, als ehrbare Geschöpfe bezeichnet. Und wenn sie es nicht tun? Dann gnade ihnen Gott oder der Bruder, der Vater oder der Onkel.
Wer geht nun richtig oder in guter Weise mit den Frauen und der Sexualität um? Und wer verhält sich eher bösartig oder zumindest falsch? Das ist ein schwieriges Unterfangen, gerade auf diesem Gebiet den Umgang mit Gut und Böse, Tugend und Laster auf die Reihe zu bringen.
Einen etwas breiteren Konsens finden wir da schon eher bei dem 2. Beispiel, das der Apostel nennt: Niemand gehe zu weit und übervorteile seinen Bruder im Handel. Da finden sich die Guten und die Bösen allerdings auch leicht. Die Bösen, das sind die Broker und Devisenhändler, die zweifelhafte Derivate und kranke Hypotheken gehandelt und damit viel Geld verdient, das die anderen dann wieder verloren haben. Auf diese Zeitgenossen, die andere maßlos übervorteilt haben, ist ja nun auch genügend eingedroschen worden. Und dennoch gibt es noch reichlich viele Institutionen und Personen, die unter den Folgen zu leiden haben, und viele der Übeltäter sitzen weiterhin in im Nadelstreifen an feudalen Schreibtischen. Aber eigentlich ist auch dieses Beispiel genauso problematisch wie das erste, denn immer sind wir geneigt, mit den Fingern auf die anderen zu zeigen. Erneut fein säuberlich einzuteilen in Gut und Böse, Hell und Dunkel oder gar heilig und verdammt. Was nun ? Vielleicht doch noch einmal genauer hinsehen.
Am Anfang seines Briefes wird der Apostel nicht müde, Gott für die Christen in der großen Hafenstadt Thessaloniki in Griechenland zu danken. Sie haben das Wort von der Liebe Gottes und der Versöhnung mit ihm gehört und angenommen als Grundlage für ihr Leben. Da wurde Schuld vergeben. Da wurden Grenzen überwunden. Da galt es nichts mehr, ob jemand Jude oder Grieche von seiner Herkunft und Tradition war. Da waren sie alle eins in Christus. Von diesem Geist der Liebe, der Versöhnung und Einheit waren die Leute begeistert. Nahezu vorbildlich war ihr Glaube. Versöhnung, Liebe und Einheit, das war – und, liebe Gemeinde, das ist – die Grundlage des christlichen Glaubens. Auf dieser Grundlage soll nun allerdings etwas wachsen. Der Apostel nennt das Heiligung. Und schon, da ich dieses Wort ausspreche, mischt sich ein ungutes Gefühl in die Gedanken.
Die besonders Heiligen, die sind vielen nicht ganz geheuer. Sind das nicht die Besserwisser? Sind das nicht die Besserkönner? Sind das nicht die, die auf den eigenen Heiligenschein sehr bedacht sind und gerne auf alle, die ihren moralischen Maßstäben nicht genügen, herabsehen und es lieben, mit messerscharfem Urteil zu verletzen? Und sind wir nun nicht wieder in der Falle, die sich am Anfang schon darstellte mit dem Einteilen in Gut und Böse und Hell und Dunkel?
Was aber ist Heiligung? Die Antwort ist eigentlich ganz einfach. Wenn Versöhnung mit Gott und den Menschen und geschenkte Einheit zwischen den ganz Unterschiedlichen die Grundlagen des Christseins sind, dann ist Heiligung die daraus erwachsende Lebensform. Im Klartext gesprochen: Bei der Heiligung geht es nicht um eine Verbesserung des Menschen, der sich mühsam von Stufe zu Stufe auf der Leiter der Moral nach oben arbeitet, sondern um einen alternativen Lebensentwurf.
Und dass der Apostel den nun gerade an den beiden Beispielen vom Umgang mit der Sexualität und dem Wert der Frauen sowie ungerechtem Verhalten im Wirtschaftsleben festmacht, das liegt einfach daran, dass die Empfänger seines Briefes in einer Hafen – und Handelsmetropole leben. Und da gibt es eben Betrug im Geschäft genauso wie ein Rotlichtviertel mit einer die Frauen verachtenden Form der Sexualität, die man der Einfachheit halber auch Prostitution in all ihren Ausprägungen nennen mag.
Auf heutige Verhältnisses übertragen könnte man sagen. Es geht in diesem alternativen Lebensentwurf um die Achtung gottgewollter Menschenwürde und um wirtschaftliche Ehrbarkeit und Gerechtigkeit.
Und da sagt nun der Apostel:
Wer sich mit Gott und seinen Nächsten durch Vergebung aller Schuld, also der Überwindung alles Trennenden, versöhnt weiß, der sieht seinen Mitmenschen ganz gleich, woher er kommt und was ihn in seinem Leben geprägt hat, nie und nimmer als Objekt seiner Begierde oder seines Gewinnstrebens an. Der macht ihn nicht zum Objekt seiner Gier ganz gleich welcher Art und Ausprägung, sondern gönnt ihm die Freiheit eines von Gott geliebten und deshalb zu achtenden Geschöpfes. Und das hat eben Konsequenzen, nicht nur auf dem Gebiet der Sexualität und des Wirtschaftslebens. Dieser alternative Lebensentwurf umfasst das ganze Leben, weil der Glaube immer den ganzen Menschen meint und nicht nur einen Teil von ihm. Und wahrlich nicht nur den gefühligen, den viele in der Christenheit heute so gerne ansprechen, weil liebe Worte, die das Gefühl erheben, ja so gut tun.
Ein alternativer Lebensentwurf auf der Basis von Versöhnung und Einheit, das ist auch ein Stück harter geistlicher Arbeit an uns selbst. Und es ist in gleicher ein leidenschaftlicher Protest, der sich gegen alles ausgrenzende, verachtende, die anderen niedermachende, sie moralisch abqualifizierende Gebaren wendet, das sich – Gott sei es geklagt – durch unsere gesellschaftliche Wirklichkeit wie ein roter Faden zieht.
Aufgabe der Kirche, der Gemeinschaft der Christen, die auch die Gemeinschaft der Heiligen genannt wird – was dann übrigens nichts anderes meint, als dass sie zu Gott gehört – muss es sein, vom Geist Jesus begeistert, lebbare Alternativen aufzuzeigen und zumindest ansatzweise im eigenen Bereich zu praktizieren. Das ist Aufgabe der Kirche an diesem Ort, in diesem Land, auf dieser Erde. Beten wir darum, dass dieser Geist uns begeistert und arbeiten wir daran, dass uns das Tun gelingt. Und Gott segne beides.
Amen
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Erstellt am: 14.10.2013 19:23 Uhr