Predigt am 1. Sonntag nach Trinitatis 2014 Puerto de la Cruz

19 Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden.
20 Es war aber ein Armer mit Namen Lazarus, der lag vor seiner Tür voll von Geschwüren
21 und begehrte sich zu sättigen mit dem, was von des Reichen Tisch fiel; dazu kamen auch die Hunde und leckten seine Geschwüre.
22 Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in Abrahams Schoß. Der Reiche aber starb auch und wurde begraben.
23 Als er nun in der Hölle war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß.
24 Und er rief: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, damit er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und mir die Zunge kühle; denn ich leide Pein in diesen Flammen.
25 Abraham aber sprach: Gedenke, Sohn, dass du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet und du wirst gepeinigt.
26 Und überdies besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, dass niemand, der von hier zu euch hinüberwill, dorthin kommen kann und auch niemand von dort zu uns herüber.
27 Da sprach er: So bitte ich dich, Vater, dass du ihn sendest in meines Vaters Haus;
28 denn ich habe noch fünf Brüder, die soll er warnen, damit sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual.
29 Abraham sprach: Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören.
30 Er aber sprach: Nein, Vater Abraham, sondern wenn einer von den Toten zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun.
31 Er sprach zu ihm: Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den Toten auferstünde.
Lukas 14, 19-31

Zwei Welten treffen auf einander in dem Gleichnis Jesu vom reichen Mann und armen Lazarus, liebe Gemeinde.
Fast klingt diese Geschichte so, als wäre sie wie ein Märchen, das die Mutter Maria ihrem kleinen Sohn Jesus einst erzählt hat:
Es war einmal ein reicher Mann. Der kleidete sich in Purpur und lebte alle Tage herrlich und in Freuden.
Und es war ein armer Mann, der lag vor seiner Tür. Krank und hungernd und voller Ekzeme. Die einzigen Wesen, die ihm Gesellschaft leisten, sind Hunde, die seine juckenden Wunden lecken. Auch eine Form von Schmerzlinderung.
Wie gesagt – zwei Welten treffen auf einander. Eine 1. Welt und eine zweite, oder gar dritte und vielleicht auch bald eine vierte Welt. Oder wie Bertold Brecht es sagt:
Und die einen sind im Dunkeln und die andern sind im Licht; doch man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht.
So ist das auf dieser Welt: Die einen tanzen auf dem Vulkan und die andern vegetieren am Abgrund. So war es, und so wird es wohl höchstwahrscheinlich immer sein.
Übrigens, wie geht es dem Lazarus heute? Ach es geht ihm nicht so gut. Er wohnt, oder besser gesagt: er haust, in den Slums der Großstädte und Ballungsräume dieser Erde; er arbeitet für einen Hungerlohn und muss beim Staat noch betteln gehen.
Vielleicht lebt er auch im Hochland Anatoliens und besitzt als Dach über dem Kopf ein paar Zeltplanfetzen oder eine Stück Wellblech oder er haust in einem Barrio oder einer Favela. In unserer Zeit in der Türkei und Kolumbien haben wir ihn dort gelegentlich gesehen. Er sah nicht so gut aus.
Mag auch sein, dass wir ihn in besonderer Weise in Afrika antreffen. Oder er hat den Kontinent verlassen und läuft nun über die Straßen in Puerto de la Cruz und versucht Waren an den Mann oder die Frau zu bringen.
Vielleicht hat man ihm auch seiner Heimat sein kleines Stück Land geklaut, das wenigstens die Familie ernährte, und nun wird dort Schweinefutter angebaut und die damit gemästeten Tiere landen für westeuropäische Supermarktketten als Sonderangebote in den Kühltheken.
Und Lazarus hat nun kein Land mehr und er wohnt in einer zugigen Wellblechhütte an einem Hang, der bei jedem starken Regen abzubrechen droht. Und dann kommen nicht die Hunde sondern die Dealer, die ihm etwas verkaufen wollen, damit er seinen Schmerz betäuben kann. Und damit er es kann, dealt er vielleicht auch, manchmal seine einzige Chance.
Nein, liebe Gemeinde, Lazarus geht es heute nicht gut. Eher schlechter als damals, zur Zeit Jesu, denn die Brosamen von des reichen Tisch sind wegen der Finanzkrise recht knapp geworden. Und der reiche Mann muss ja auch sehen, wo er bleibt. Die Kosten für das 3. und 4 Auto werden zu hoch und die Zweitwohnung und das Haus am Meer sind auch nur noch schwer zu halten. Trotzdem, den einen oder anderen Event kann er sich immer noch leisten und im Vergleich zu Lazarus lebt er sowieso immer noch herrlich und in Freuden.
Eines haben die beiden allerdings gemeinsam: Sie müssen irgendwann ihr Leben lassen. Höchstwahrscheinlich ist die durchschnittliche Lebenserwartung von Lazarus erheblich niedriger als die des reichen Mannes. Aber was soll’s, sterben müssen sie beide.
Und nun kehren sich die Dinge um.
Lazarus genießt die ausgleichende Gerechtigkeit. Er darf am Ort der Freude und der Geborgenheit leben. Abrahams Schoß ist das Bild dafür. Ausschweifendes Leben ist nicht damit gemeint, wohl eher das in sich ruhende Glück, das den Event nicht braucht, den Spektakel durchaus entbehren kann. Aber als ein Leben im Einklang mit sich selbst, mit Gott und auch den anderen kann es wohl beschrieben werden. Denn für ein solches Leben stand ja der Vater des Glaubens: Abraham. Und so ist Abrahams Schoß bei den Alten immer ein Sinnbild dafür gewesen.
Der reiche Mann, der übrigens ohne Namen bleibt, also namenlos = anonym ist, erfährt das Gegenteil dessen, was dem Lazarus widerfährt. Sein Ort ist jenseits aller Freude und allen Wohlbefindens, eben im Gegenteil. Plage und Pein füllen seine Tage. Er hat ja auch wahrlich genug gehabt in seinem Leben, war ja nur mit sich beschäftigt mit seinem Vermögen und seinem Vergnügen. Was gingen ihn schon die andern an und vor allem dieser Lazarus.
Ein Blick hinüber wird ermöglicht. Und die Reaktion? Das darf doch nicht wahr sein:
Da sitzt doch tatsächlich der Lazarus in himmlischen Zuständen und er selbst leidet wie ein Hund, oder vielleicht noch ein wenig mehr.
Und nun kommt der verzweifelte Versuch, die Situation zu ändern. Ein bisschen Wasser gegen die Hitze. Ach bitte, Vater Abraham. Aber es geht nicht. Es gibt keine Brücke.
Wer auf Erden keine Brücken baute, der bleibt jenseits des Grabens, der die Pein von der Freude trennt.
Wer sich lebenslang nicht um Lazarus gekümmert hat, der darf sich nicht wundern, wenn er selbst verkümmert.
Wer nicht das Feuer der Ungerechtigkeit zu löschen half, darf sich nicht wundern, wenn er innerlich verbrennt.
Wer den Durst nach Menschlichkeit nicht zu stillen half, nimmt in Kauf, dass er selbst verdurstet.
Nun denn, so denkt der Reiche, wenn mir denn schon nicht geholfen werden kann, dann bitte doch wenigstens meinen Angehörigen, den Hinterbliebenen. Auch da ist die Antwort auf eine entsprechende Bitte klar und eindeutig: Jede und jeder hat die Möglichkeit, sein Leben so zu gestalten, dass Lazarus zu allen Zeiten und an allen Orten bessere Lebensbedingungen erhält. Man muss nur an die großartigen Seligpreisungen denken:
Die Barmherzigen werden Barmherzigkeit erlangen.
Den Friedensstiftern wird die Erde gehören.
Alle, die Trauer tragen um sich und die andern, erhalten Trost.
Die nach Gerechtigkeit streben, werden selbst auch zu ihrem Recht kommen.
Das alles ist längst gesagt, das alles ist längst bekannt und vielfach ausgelegt und erläutert. In Denkschriften ausformuliert, in Hirtenbriefen verkündet. Alle Wege sind aufgezeigt und dennoch:
Der Egoismus hat immer noch gesiegt.
Das Machtstreben hat immer wieder die Oberhand gewonnen.
Die Einzelinteressen, gut und mit viel Geld unterfüttert, haben das Gemeinwohl immer wieder an den Rand gedrückt.
Jede gute Geschichte, auch jedes gute Märchen von klugen Müttern und Vätern erzählt, haben eben eine tiefe Wahrheit, die oft wichtiger zu nehmen ist als manche so genannten Fakten.
Richtig unverschämt wird ja der Reiche auch noch, als ihm der Wunsch verweigert wird, dass ein von den Toten Auferstandener bitte zu seinen Angehörigen gehen möge. Auch wenn es um die Umkehr geht, will er noch den überwältigenden Event, das größtmögliche religiöse Spektakel. Was bildet der sich eigentlich ein. Muss für ihn und seine ganze Mischpoke auch im Elend noch eine Extrawurst gebraten werden? Soll Gott auch noch den Eventmanager für Reiche geben, damit sie zur Vernunft kommen? Das wäre ja noch schöner.
Nein, liebe Gemeinde es bleibt dabei und darum, so glaube ich, hat Jesus diese Geschichte erzählt:
Entweder ihr sorgt im Hier und Jetzt für wenigstens ein kleines Stück Himmel auf Erden oder der Himmel bleibt Euch für immer verschlossen. Die Geschichte ist keine Geschichte für Lazarus, der ist bekannt. Sie ist eine Geschichte für all die Anonymen, die gleichgültig ihr Leben gestalten. Und nun können wir ja Namen einfügen, um die Anonymität zu überwinden. Das kann ein munteres Spielchen werden.
Aber es ist ein ernstes, vor allem, wenn wir unseren eigenen einfügen. Das wäre ein echter Fortschritt für uns selbst und unser eigenes Seelenheil und Lazarus würde auch davon profitieren, egal wo er wohnt, ob auf Teneriffa oder in Deutschland, oder in Afrika und Lateinamerika.
Lazarus trägt das Angesicht Gottes. Und wie wir mit ihm umgehen, so gehen wir auch mit Gott um.
Wenn wir in diesem Gottesdienst das Wort und die Mahnung Jesu hören, dann ist das ein Hinweis darauf, dass Leben gelingt, wenn das Teilen nicht zu kurz kommt. Einen Lazarus zum Teilen brauchen wir nicht groß zu suchen, denn Lazarus ist überall.
Amen

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Erstellt am: 23.06.2014 12:50 Uhr

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