L I: Dtn 26, 4-10 / Ev.: Lk 4, 1-13
Schwestern und Brüder!
Aufregend, prickelnd und genussvoll – so stellt sich die Werbung Versuchung vor. Das beste Beispiel dafür ist „Milka, die zarteste Versuchung, seit es Schokolade gibt“ oder auch eine raffiniert schmeckende Eissorte mit dem Namen „Versuchung“ bzw. ein Deo namens „Temptation“. All diese Werbung suggeriert uns nichts anderes als: Wir wären dumm, wenn wir dieser Versuchung nicht erliegen würden, denn da würde uns nun doch etwas ganz Wichtiges und Wesentliches im Leben fehlen oder entgehen. Ich möchte nun hier keine Schleichwerbung betreiben. Aber genau diese Art von Werbung macht deutlich, was Versuchung bedeutet: nämlich die Verführung, mitunter auch die süsse Verführung, zu einem Genuss.
Nun berichtet unser heutiges Evangelium zwar auch von einer Versuchung, aber dabei geht es nicht um eine Versuchung, die mit Geschmacks- und Sinnerlebnissen zusammenhängt. Nein, die Versuchungen, die hier angesprochen werden, die reichen viel tiefer. Denn das, was hier auf dem Spiel steht; das, was hier in Frage gestellt wird, das hat mit unserem je eigenen Leben zu tun, mit dessen Gelingen oder auch mit dessen Misslingen.
Dieses Evangelium beginnt ja damit, dass Jesus, erfüllt vom Geist Gottes, vierzig Tage in der Wüste herumgeführt wird. Da die Wüste in der Bibel immer ein Ort der Klärung ist, hat der Evangelist Lukas diesen Ort ganz bewusst für die kommende Szene ausgewählt. Denn an diesem symbolträchtigen Ort findet ein „Klärungsprozess“ statt, dargestellt als ein Dialog zwischen dem Teufel und Jesus. Im griechischen Urtext wird der Teufel als „Diabolos“ bezeichnet – also wörtlich übersetzt als der „Durcheinander-Werfer“. Im jüdischen Glauben „verkörpert“ dieser Teufel oder auch Satan all die Mächte, die das Verhältnis zwischen Gott und Mensch stören; alle bösen Kräfte, die uns fesseln und besetzen. So möchte also der Satan die Prioritäten Jesu, seinen Glauben und sein Selbstverständnis durcheinanderwerfen. Und das wird uns in Form einer Bildergeschichte vor Augen geführt – gemalt mit alttestamentlichen Farben und gestaltet wie ein Streitgespräch unter Gelehrten. So begegnen Jesus in den Fragen des Satans verführerische Alternativen und attraktiv wirkende Wege, die ihm Ruhm, Ansehen und schnellen Erfolg versprechen. Und je nachdem, wie Jesus – oder mit ihm verbunden auch wir – diese Fragen beantworten, wird sich das eben auch im eigenen Selbstverständnis, in den eigenen Prioritäten und der eigenen Praxis niederschlagen – natürlich mit den entsprechenden Folgerungen. Die Fragen, um die es in diesem Streitgespräch geht, lauten: Wovon und wofür lebst du? Wovor kniest du nieder? Wem bzw. wie vertraust oder glaubst du?
In der ersten Versuchung möchte der Satan Jesus dazu verführen, Steine in Brot zu verwandeln. Er sagt ihm: „Wenn du Gottes Sohn bist, dann befiehl diesen Steinen zu Brot zu werden!“ Diese Versuchung besteht also darin, uns Menschen auf den „Bauch“, auf Genuss und materielle Werte zu reduzieren. Und es stimmt ja; es ist eine unserer Ursehnsüchte: Brot zu haben; satt und reich zu sein; in jeder Hinsicht, etwas zu haben und etwas zu besitzen. Das Brot symbolisiert die Erfüllung genau dieser Sehnsucht: Wohlstand und Reichtum. Da reicht es eben nicht allein aus, ein Grundstück zu besitzen und darauf ein Haus zu bauen. Nein, das geht tiefer. Dahinter steht vielmehr die Frage, was mein Leben im Letzten absichert. Ist es das Gehalt, die Rente oder das Vermögen welches ich besitze? Ist mein Wunsch nach Brot schon erfüllt, wenn die Kasse stimmt, der Kühlschrank überquillt und die Pantoffeln bereitstehen? Um satt zu werden, so antwortet Jesus dem Versucher, braucht es mehr. Dazu braucht es Liebe, Beziehung, Offenheit, Vertrauen und Glaube. Ich kann mein Leben nicht mit den Dingen dieser Welt absichern und ich muss es auch nicht. Sicherlich: Jede und jeder braucht Geld, um den täglichen Lebensunterhalt zu bestreiten; gar keine Frage. Aber: Welchen Stellenwert nehmen materielle Dinge generell bei mir ein? Besitze ich mein Geld – oder besitzt das Geld mich? Habe ich mir mehr an Reichtum angehäuft, als ich tatsächlich zu einer vernünftigen Sicherung meines Lebensunterhaltes benötige?
Der Urwunsch des Menschen, Brot und Heimat zu haben ist gleichzeitig die Urversuchung, sich diesen Wunsch mit Geld und Besitz zu erfüllen. Doch sagt Jesus: „ Der Mensch lebt nicht nur vom Brot, sondern von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes kommt.“ Damit meint er: Der Mensch braucht auch geistige Nahrung um nicht zu verkümmern – und genau das möchte er geben.
Ein zweiter Urwunsch – und so natürlich auch eine Urversuchung ist: Einfach angesehen und anerkannt zu sein! Wie gut tut es einem Menschen, von und vor anderen anerkannt zu sein und wie oft setzen wir uns ganz bewusst und ganz gekonnt in Szene, damit uns genau dies auf jeden Fall gelingt. „Wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest, wird dir alles gehören!“, so der Versucher. Und genau so fangen viele an, sich niederzuwerfen, sich anzupassen an all das, was die Götzen von heute von uns erwarten. Z.B. der Götze Werbung, der uns deutlich macht – nur der junge, dynamische, aktive und gesunde Mensch ist gefragt – und wir tun dann alles, um diesen Ansprüchen wenigstens in etwa gerecht zu werden. Da wird geliftet und gemacht; da werden Opfer gebracht und Zwänge sich auferlegt, dass man sich mitunter fragt: Geht’s noch? Oder wie viele von uns begeben sich in falsche Abhängigkeiten von anderen, nur um dadurch für sich selbst etwas Lob und Anerkennung zu erheischen. Warum verschreiben sich denn viele irgendwelchen obskuren Gruppierungen oder radikalen Vereinigungen? Weil sie das Gefühl haben, hier etwas zu gelten?
Es ist der Urwunsch des Menschen angesehen zu sein, einen Namen zu
haben. Und das ist dann eben auch die Versuchung, sich dieses Geliebt-werden um jeden Preis zu erkaufen – notfalls um den Preis von Unterwerfung und Abhängigkeit. Jesus sagt: „Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen.“ Dabei darf ich mir sicher sein, dieser Gott will nicht, dass ich zuerst auf dem Boden oder auf der Nase liege – quasi ohnmächtig, um dann zu ihm aufzuschauen, der oben ist und mächtig. Nein, dieser Gott hat mir Freiheit und Würde geschenkt, und der allein der aufrechte Mensch, das ist seine Ehre und sein Ziel.
Der dritte Urwunsch und die dritte Urversuchung lauten: Macht auszuüben, Einfluss zu nehmen, sich entfalten zu können, unabhängig zu sein. Oben auf der Zinne sagt der Versucher: „Wenn du Gottes Sohn bist, dann stürz dich hinab.“ Ja, probier es aus, was soll dir denn schon passieren, du hast doch Macht! Der Mensch als Macher! Selbst ist die Frau oder der Mann! Hauptsache: Ich! Aber wohin führt Macht, wenn die, die sie haben, nur an ihren eigenen Vorteil denken und nicht an das Wohl des anderen? Macht ist nur menschlich, wenn sie dient und hilft; wenn sie den anderen aufrichtet, anstatt ihn zu knechten oder klein zu halten. Wie gehen wir mit der Macht um, die uns gegeben ist, die wir ausüben? Sind Menschen, die mit mir zu tun haben, ängstlich, niedergeschlagen, bedrückt? Oder wissen sie sich von mir an- und ernstgenommen, getröstet und ermutigt?
Da ist der Urwunsch Macht auszuüben – und da ist die Versuchung, nur an den eigenen Vorteil zu denken. Jesus sagt: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen. Und er verweist auf die Art, wie Gott seine Macht ausübt. Am Kreuz wird das überdeutlich. Alles – notfalls sogar sich selbst herzugeben, damit andere das Leben haben.
Das Evangelium endet mit der Feststellung, dass der Versucher, der Teufel, nach diesen drei Versuchungen Jesus für eine gewisse Zeit in Ruhe gelassen habe. Aber wie gesagt: Nur eine gewisse Zeit. Und ich denke – so wie für Jesus – so gilt auch für uns: Wir werden unsere Grundversuchungen nicht ein für allemal loswerden. Aber wir können lernen, sie eher zu erkennen und ihnen angstfreier und gelassener ins Auge zu schauen. Dann und davon bin ich überzeugt – sind sie schon lange nicht mehr so gefährlich wie zuvor. Die 40 Tage der Fastenzeit können uns das immer wieder neu lehren und lernen – oder uns auch ganz süffisant in Erinnerung rufen: Mein Glaube an Jesus, das ist die zarteste und liebevollste Erlösung, seit es Versuchungen gibt. Amen.
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Erstellt am: 18.02.2013 14:34 Uhr
