Liebe Gemeinde,
In der Vorpassionsszeit werden wir mit der Passion Jesu zugleich mit dem eigenen Leiden und Sterben konfrontiert. Mit der Vergegenwärtigung der Passion Jesu können wir Antworten finden, um besser dem eigenen Leiden zu begegnen. Wir brauchen aber das Leiden nicht gewaltsam suchen. Es ist immer schon gegenwärtig und gehört zu unseren Daseinsbedingungen. In unserem heutigen Predigttext aus dem Philipperbrief setzt sich Paulus mit Belastungen auseinander, denen er auf seinen Missionsreisen ausgesetzt war. Während er den Brief an die Philipper schreibt, befindet sich Paulus im Gefängnis – vermutlich in Ephesus, wo er auf seinen Prozess wartet. Der Ausgang seines Prozesses ist völlig offen . Möglicherweise muss er mit einem Todesurteil rechnen.
In unserem heutigen Predigtabschnitt schildert Paulus,
wie er selbst seine Situation sieht und einschätzt
und wie seine Mitchristen auf seine Lage reagieren.
Wir hören aus Philipper 1, 12 – 21
12 Ich lasse euch aber wissen, liebe Brüder:
Wie es um mich steht, das ist nur mehr zur Förderung
des Evangeliums geraten.
12 Denn dass ich meine Fesseln für Christus trage, das
ist im ganzen Prätorium und bei allen andern offenbar
geworden,
14 und die meisten Brüder in dem Herrn haben durch
meine Gefangenschaft Zuversicht gewonnen und sind
umso kühner geworden, das Wort zu reden ohne Scheu.
15 Einige zwar predigen Christus aus Neid und Streit-
sucht, einige aber auch in guter Absicht:
16 diese aus Liebe, denn sie wissen, dass ich zur
Verteidigung des Evangeliums hier liege;
17 jene aber verkündigen Christus aus Eigennutz und
nicht lauter, denn sie möchten mir Trübsal bereiten
in meiner Gefangenschaft.
18 Was tut s aber? Wenn nur Christus verkündigt
wird auf jede Weise, es geschehe zum Vorwand oder
in Wahrheit, so freue ich mich darüber. Aber ich werde
mich auch weiterhin freuen;
19 denn ich weiß, dass mir dies zum Heil ausgehen wird
durch euer Gebet und durch den Beistand des Geistes
Jesu Christi,
20 wie ich sehnlich warte und hoffe, dass ich in keinem Stück
zuschanden werde, sondern dass frei und offen, wie allezeit
so auch jetzt, Christus verherrlicht werde an meinem Leibe,
es sei durch Leben oder durch Tod.
21 Denn Christus ist mein Leben und Sterben ist mein
Gewinn.
22 Wenn ich aber weiterleben soll im Fleisch, so dient mir
das dazu, mehr Frucht zu schaffen; und so weiß ich nicht,
was ich wählen soll.
23 Denn es setzt mir beides hart zu: Ich habe Lust aus der
Welt zu scheiden und bei Christus zu sein, was auch viel
besser wäre;
24 aber es ist nötiger im Fleisch zu bleiben um euretwillen.
25 Und in solcher Zuversicht weiß ich, dass ich bleiben und
bei euch allen sein werde, euch zur Förderung und Freude
im Glauben,
26 damit euer Rühmen in Jesus Christus größer werde durch
mich, wenn ich wieder zu euch komme.
Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht
auf unserem Wege. Amen.
Liebe Gemeinde
Der heutige Sonntag trägt den Namen „Laetare“ – freuet euch.
Mitten in der Passionszeit werden wir heute zur Freude
aufgerufen.
Auch im gehörten Predigttext, in dem der Apostel Paulus
seine schwierige Lebenssituation beschreibt, ist von Freude
die Rede.
Die Nachricht von der Gefangenschaft des Apostels hat unter
seinen Mitchristen unterschiedliche Reaktionen ausgelöst.
Der meisten sehen darin eine Bestätigung seiner Botschaft.
Durch sein Beispiel – so schreibt er – wurden viele in
ihrem Glauben als Christen gestärkt und
ermutigt, das Evangelium ohne Scheu weiterzusagen.
Andere wiederum sehen durch die Gefangennahme seine
Autorität als Apostel in Frage gestellt. Sie fragten sich:
Was muss das für ein Gott sein, der seine Botschafter
Leiden ausliefert und sie nicht davor bewahrt. Wie lässt
sich überhaupt die Botschaft von der Liebe Gottes glaubwürdig
bezeugen, wenn Menschen Gewalt und Unterdrückung aus-
gesetzt werden.
Ich denke, solche Fragen und Anfragen sind auch uns nicht
fremd. Es ist schwer, die Liebe Gottes und das Leiden
der Menschen zusammenzubringen.
Um so erstaunlicher ist es, dass Paulus bei all dem, was er
bei seinen Missionsreisen zu erleiden hatte, auch noch sagen
kann: „Ich freue mich und ich werde mich auch weiterhin freuen,“
Was ist das für eine Freude, die Paulus so sprechen lässt – und das auch noch im Gefängnis angesichts einer ungewissen Zukunft?
Eine solche Freude ist nur dann zu verstehen, wenn wir sie mit
dem Gottvertrauen zusammen sehen, das sich in der Liebe Gottes gehalten weiß. Im Römerbrief hat Paulus dieses sein Gottvertrauen in die Worte gefasst: Ich bin gewiss, dass uns nichts weder der Tod noch das Schwere im Leben uns zu scheiden vermag von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist, unsrem Herrn. Der Apostel Paulus hat Gottes Nähe als Gehaltensein in der Liebe erfahren und das ist der Grund für seine zuversichtlich,mit Freude erfüllten, Gelassenheit. Ja er ist überzeugt, dass er in keiner Situation, und sei sie noch so schwer, ohne Hilfe und Beistand bleibt. Ich werde mich auch weiterhin freuen, denn ich weiß, dass mir dies zum Heil ausgehen wird durch euer Gebet und durch den Beistand des Geistes Jesu Christi .In diesen Worten ist von zwei wesentlichen Hilfen zur Bewältigung schwieriger Lebenssituationen die Rede:
vom Gebet der Mitchristen und vom Beistand des Geistes Jesu Christi. In der Seelsorge sind das zwei wichtige Säulen im Umgang mit unaufhebbaren Leiden. Dies zeigt auch die gehörte
Schriftlesung, die Erzählung vom Geschehen in der Nacht im Garten Gethsemane. In der Krise will Jesus vertraute Menschen
um sich haben, die mit ihm wachen und beten. Aber durch die Krise, auf dem Weg, bis er schließlich sagen konnte, nicht mein, sondern dein Wille geschehe, da muss er allein durch – allein im Gebet mit seinem Vater.
Beides, die Begleitung von Menschen und den Beistand des Geistes Jesu Christi brauchen wir, um den Herausforderungen des Daseins stand zu halten.
Wo immer wir unser Leben, die Belastungen, die uns herausfordern, mit Jesu Augen sehen, mit seinem Geist , da bekommen wir eine neue Sichtweise, unser Leben und die Geschehnisse wahrzunehmen, zu gewichten und zu deuten.
Was in den Augen der Welt als Zeichen des Scheiterns gedeutet wird, der Gefängnisaufenthalt des Apostels und die damit verbundenen Belastungen, bekommt im Glauben eine andere, neue Perspektive und Wertung. Mit dieser neuen Sichtweise beginnt der heutige Predigtabschnitt, in dem Paulus schreibt:
Ich lasse euch aber wissen, liebe Brüder: Wie es um mich steht, das ist nur mehr zur Förderung des Evangeliums geraten….
die meisten Brüder in dem Herrn haben durch meine Gefangenschaft Zuversicht gewonnen und sind umso kühner geworden, das Wort zu reden ohne Scheu. Das ist die neue Sichtweise des Glaubens, in dem sich im scheinbar sinnlosen Leiden neue Sinnmöglichkeiten auftun.
An der Todesgrenze, mit der Paulus konfrontiert war, wird vieles
relativiert, da wird das Kleine klein und das Große groß. Im heutigen Text spricht Paulus davon in zwei Worten
(ti gar) „Was soll s,? Was tut s aber?“ Wenn nur Christus verkündigt wird auf jede Weise, es geschehe zum Vorwand oder
in Wahrheit. Nach Paulus ist das Evangelium in seiner Gültigkeit und Kraft nicht von der persönlichen Qualität und Motivation seiner Überbringer abhängig. Das gibt Paulus eine heilsame Distanz und macht ihn frei von klein karierten Konflikten. Hier begegnet uns wiederum ein Gottvertrauen, das
in einem Glauben wurzelt, dass Gott selbst seine Sache weiterbringt. Ein solches Gottvertrauen schenkt eine freudige Gelassenheit, die uns frei macht, Gleiches mit Gleichem zu vergelten.. Dag Hammarskjöld hat in seinem Tagebuch „Zeichen am Weg“ geschrieben: „Wer sich Gott ganz und gar überlassen hat, steht den Menschen frei gegenüber – frei, weil er ihnen das Recht gab, zu verurteilen.“ Ein solches „ganz und gar Gott überlassen“ schenkt uns eine heilsame Distanz in den Veränderungen des Daseins und erfüllt unser Leben mit Hoffnung und Freude, auch da, wo nach menschlichem Ermessen wenig Anlass für Hoffnung und Freude ist. In allem, was uns begegnet , kann unser Glaube wachsen und sich bewähren, damit Christus verherrlicht wird wie Paulus schreibt: Ich warte sehnlich und hoffe, dass ich in keinem Stück zuschanden werde, dass frei und offen, wie allezeit so auch jetzt, Christus verherrlicht werde an meinem Leibe, sei es durch Leben oder durch Tod. Denn Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn.
Um so sprechen zu können – wie Paulus es hier tut – bedarf es eines Glaubens, der über den Tod hinausreicht. Für Paulus war Sterben mit der Hoffnung auf das endgültige Vereintwerden mit Christus verbunden. Darum konnte er im heutigen Text sagen: Ich habe Lust aus der Welt zu scheiden und bei Christus zu sein, was auch viel besser wäre. In dieser österlichen Gewissheit hat er gelebt und daraus auch Kraft geschöpft. Aber er hat in dieser österlichen Hoffnung seinen irdischen Auftrag nicht vergessen, wenn er im heutigen Text hinzufügt: aber es ist nötiger im Fleisch zu bleiben um euretwillen – euch zur Förderung und Freude im Glauben. Gott selbst schenke uns in Jesus Christus einen Glauben, der in Gottes bleibender Liebe gründet, die auf Erden bezeugt sein will.
Amen
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Erstellt am: 20.03.2012 18:35 Uhr
