Andrea Bolz, deutschsprachige katholische Gemeinde Puerto de la Cruz
Montag, 19.09.2011
Einen wunderschönen guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer!
Stellen wir uns einmal eine Emigrantenfamilie vor, die wegen einer Hungersnot ihr Land verlässt, um in einem anderen Land eine bessere Zukunft zu haben. Doch der Mann und Vater der zwei Söhne stirbt und lässt die Mutter mit zwei Söhnen zurück. Die Söhne heiraten einheimische Frauen, allerdings sterben auch die Söhne sehr schnell. Zurück bleiben die eingewanderte Schwieger-mutter mit ihren Schwiegertöchtern. Die Schwiegermutter fühlt sich in der Fremde nicht wohl und will wieder in ihre Heimat zurück, rät aber ihren Schwiegertöchtern, im Land zu bleiben, neue Männer zu suchen und Kinder zu bekommen. Die eine befolgt den Rat der Schwiegermutter, die andere aber will ihre Schwiegermutter nicht alleine lassen und geht mit ihr in das für sie fremde Land mit der Begründung: „Wo du hingehst, will auch ich hingehen“. So geschehen ungefähr 1000 Jahre vor Jesu Geburt und aufgeschrieben im Buch Ruth des Alten Testamentes. Ruth lebt, was ihr Name bedeutet:
nämlich Freundin. Ruth, wird die treue und gute Freundin ihrer Schwiegermutter und überwindet die Schranken und Grenzen der Volkszugehörigkeit, Kultur und der Religion. Die beiden Frauen gehen gemeinsam zurück nach Juda, in die Heimat der Schwiegermutter, die Noemi hieß. Trotz aller Unterschiede von Herkunft, Sprache und Kultur stehen die beiden Frauen fest zueinander. Ja, Ruth entscheidet sich sogar, die Religion ihrer Schwiegermutter Noemi anzunehmen. So wird Ruth zu einer Integrationsfigur für das gesamte Volk, weil sie Achtung, Respekt und Toleranz vorlebt. Ruth kann für uns heute als Vorbild dienen, mit den Menschen anderer Herkunft und anderer Geschichte einen gemeinsamen Weg zu gehen. Einen Weg, der ja sagt zum Menschen und ja sagt zu Gott, einen Weg, der ein neues Leben ermöglicht. Die Entschiedenheit von Ruth ist ihre ganz persönliche Stärke. In ihrem Leben kommt das Gute zum Tragen und bringt ihr somit Kraft und Segen. Ich bewundere eine solche Lebenseinstellung, denn so zu leben erfüllt die Seele mit Zufriedenheit und neuen Energien.
Dienstag, 20.09.2011
Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer!
Der Mädchenname Sophia erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit auf der Skala der meist verwendeten Namen für Neugeborene. Ich weiß nicht, ob all jene, die sich diesen Namen für ihr Kind ausgesucht haben, auch den großen und spannenden Hintergrund dieses Namens wissen. Sophia ist griechisch und bedeutet: Weisheit. Weisheit, das klingt nach etwas Altem, Ehrwürdigen, nach einer Eigenschaft, also etwas Abstraktem, weniger nach einer Person und schon gar nicht nach einem Namen für ein Kind. Eher nach einer Haltung im fortgeschrittenen Alter, Lebenserfahrung sollte man dazu haben und die geht eher mit ergrautem Haar und Falten einher, als mit einem kleinen, verletzbaren Kind. Aber das ist Weisheit, wie wir uns sie vorstellen, was aber die Bibel Weisheit nennt, trifft unsere Vorstellung nicht so recht. Weisheit in der Bibel ist zunächst einmal eine überaus gute Eigenschaft, wie sie alle Menschen, junge und alte, suchen und besitzen sollen: „Ein unerschöpflicher Schatz ist sie für die Menschen“, heißt es, „alle, die ihn erwerben, erlangen die Freundschaft Gottes“ (Weish 7,14). Aber immer stärker verleiht die Bibel diesem Schatz auch konkrete Züge einer menschlichen Gestalt – einer schönen, geliebten Frau: Sie ist „schöner als die Sonne […], strahlender als das Licht“ (Weish 8,29). Ein bisschen ähnelt das vielleicht dem, was wir von der „Gerechtigkeit“ kennen, die als schöne Frauenskulptur vor den Gerichten steht, mit verbundenen Augen und einer Waage in der Hand. Nur, dass die Weisheit nicht nur als unbewegliche Schöne beschrieben wird. In der Bibel wird diese Frauengestalt auch richtig lebendig. Sophia handelt und redet selbst. Sie tritt als kluge und gastfreundliche Frau auf, die auf den Straßen predigt und die Menschen in ihr Haus einlädt.
Die für mich schönste biblische Stelle von der Sophia ist die von ihrem Handeln an der Seite Gottes bei der Erschaffung der Welt. Eine übermütige Lebensfreude zeigt sie da, die Freude eines Kindes übrigens. Da heißt es: „Als er die Fundamente der Erde abmaß, da war ich als geliebtes Kind bei ihm. Ich war seine Freude Tag für Tag und spielte vor ihm allezeit. Ich spielte auf seinem Erdenrund, und meine Freude war es, bei den Menschen zu sein.“ (Spr 8, 30-31).
Mittwoch 21.09.2011
Einen wunderschönen guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer!
Geschichten über Wunder gab und gibt es zu allen Zeiten und in allen Religionen. Deshalb ist es überhaupt kein Wunder, dass die Bibel voll ist von solchen Wundergeschichten. So bestehen z.B. die Evangelien aus einem Viertel an Wundergeschichten.
Wie gehe ich mit solchen Geschichten um? Stelle ich sie gedanklich ins Bücher-regal neben die Märchenbücher?
„Wunder gibt es immer wieder“ – heißt es in dem berühmten Lied von Katja Epstein. Allerdings, wenn ich ein naturwissenschaftliche denkender Mensch bin, dann sind Wunder erstmals verdächtig, da sie die Naturgesetze durchbrechen, nach dem Motto: „Es kann nicht geben, was es nicht geben darf“. Was aber sagt die Naturwissenschaft zu folgenden wunderbaren Erfahrungen: Die Natur erwacht nach einem langen Winter zu neuem Leben, jemand entdeckt das „Wunder der Liebe“, eine Mutter hält ihr neugeborenes Kind in den Armen, der Partner ist wieder Erwarten nach einer schweren Operation genesen.
Wunder ist ein vieldeutiger, aber auch ein missverständlicher Begriff. Das kann mit ein Grund dafür sein, dass der Büchermarkt boomt, was Heilungen und Heilungswunder betrifft.
Interessant ist, dass die Evangelien des Markus, des Matthäus und des Lukas den Begriff „Wunder“ gar nicht verwenden. Wunder werden oft in die Nähe von Magie und Zauberei gebracht. Wenn sie von Heilungen durch Jesus berichten, dann verwenden sie das griechische Wort „dynamis“.
Man braucht keine Übersetzung, um zu spüren, was damit gemeint ist: Energie und Schwung, Bewegung und „Dynamik“. Im Neuen Testament steht „dynamis“ für lebensschaffende und lebenserhaltene Kraft.
Zu allen Zeiten hat diese Kraft Gottes Menschen verändert, ihnen Vertrauen und Zuversicht geschenkt. Und gerade deshalb wünsche ich Ihnen heute einen wundervollen Tag.
Donnerstag, 22.09.2011
Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer!
Einer Sache nachgehen, ihr auf den Grund gehen, ist ab und zu notwendig. Manchmal muss ich auch nach den sprachlichen Wurzeln eines Wortes suchen und mich so in ein auch oft gebräuchliches Wort hinein hören, um es wirklich zu verstehen: wie z.B. bei dem modernen Begriff der Esoterik.
Der Begriff Esoterik hat seine Wurzeln im Griechischen und bedeutet innerlich, nach innen, weiter hinein. Auf dem spirituellen Markt wird mir heute, wenn ich mich dafür interessiere, vieles angeboten. Das reicht von der mittelalterlichen Mystik einer Hildegard von Bingen über fernöstliches Gedankengut bis zu Vorstellungen der Naturreligionen, Heilungstechniken und der Wahrsagekunst. Die Liste könnte noch weiter geführt werden, so wie die Geschäfte und Publikationen blühen und kann zu einer modernen Patchworkspiritualität oder Patchworkreligiösität führen. Die Esoterikbewegung ist in sich sehr widersprüchlich, deshalb ist und bleibt bei all der Diskussion über Esoterik für mich der zentrale Punkt: Werden die eigentlichen Fragen nach Sinn und Tiefe durch den vorgeschlagenen Ansatz wirklich angesprochen und vertieft, geht die von mir eingeschlagene Route wirklich in mein Inneres, oder stehen andere Interessen im Vordergrund?
Esoterisch denken heißt für mich deshalb: Ich möchte wegkommen von einer Sicht, die nur Äußerlichkeiten streift. Ich möchte in meinem Innern Tieferes wahrnehmen und erfahren. Gerade im religiösen Bereich. So gesehen bietet mir der christliche Glaube, von Jesus begründet, alle Wege und Möglichkeiten der Esoterik an. Denn ich möchte einen Glauben leben, der mich in eine tiefe Gottverbundenheit hineinführen will. Und genau diesen Weg ist Jesus uns allen vorangegangen. Darunter verstehe ich auch einen Glauben, der mein Leben erneuern will – hin zu mehr Freiheit, Toleranz und Liebe.
Freitag, 23.09.2011
Einen wunderschönen guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer!
Die Sehnsucht nach einem Wir-Gefühl zeigt sich bei vielen Menschen immer dann, wenn Großveranstaltungen auf dem Programm stehen. Es braucht aber nicht immer eine Fußballweltmeisterschaft sein, die dieses Wir-Gefühl vermittelt. Auch ein Papstbesuch kann dies erreichen – nicht in dem Maße – aber immerhin – auch dieser Papstbesuch ist wieder ein Großereignis, auf das viele sehnsüchtig warten, andere aber vor allem wegen der entstehenden Kosten ganz in Frage stellen oder aber, sich aus sonstigen Gründen laut dagegen aussprechen.
Selbst dann, wenn man diesen Veranstaltungen kritisch gegenüber steht, muss man neidlos anerkennen: es ist zu spüren dieses Wir-Gefühl und eine gewisse Euphorie breitet sich aus.
Euphorie kommt aus dem Griechischen und bedeutet: „das Gute, das man in sich trägt“. Das kann bei jedem etwas anderes sein: die besondere Ausstrahlung, die soziale Einstellung, die Fähigkeit, mit Kindern gut umzugehen, sich in einem Ehrenamt zu engagieren, und, und, und….
Euphorisch zu sein meint demnach also, von dem Guten das man in sich trägt, selbst erfüllt und begeistert zu sein, und diese Begeisterung mit anderen teilen zu wollen. Euphorische Christen können wir dieser Tage beim Papstbesuch in Deutschland wieder sehen. Auch wenn der ein oder andere nicht mit allem einverstanden ist, was die Kirche und ihr Papst als Institution sagen oder tun; spüren zu können, ich bin nicht allein mit meinen Gedanken, Ideen, mit meinem Glauben, das hilft einem dann oft auch über die eigenen Durststrecken im Glauben hinweg.
Es ist und bleibt Aufgabe der Kirche, euphorisch zu sein und andere Menschen anzustecken. Ich selbst bin dabei gefragt, jeden Tag aufs Neue. Und so möchte ich bitten:
„Herr, begeistere deine Kirche von deiner Frohen Botschaft und fange bei mir an.
Schenke deiner Kirche ein neues Wir-Gefühl im Glauben und fange bei mir an.
Bring deine Liebe zu allen Menschen und fange bei mir an.“
Samstag, 24.09.2011
Guten Morgen, liebe Hörerinnen und Hörer!
Das Wort „Gehorsam“ klingt nicht gut in vielen Ohren. Man denkt dabei an: Kinder sollen brav sein und ihren Eltern gehorchen. Blinder Gehorsam führte zu den Gräueltaten in der Nazizeit. Priester, Nonnen und Mönche versprechen Gehorsam gegenüber ihren Vorgesetzten. Gehorsam, so verstanden, ist aber oft nur eine etwas sanftere Umschreibung von Machtausübung, von Andere klein halten und beherrschen wollen.
Verhängnisvoll wurde und wird es immer dann, wenn Kirche und Staat behaupten, dass darin der Wille Gottes zum Ausdruck kommt.
Selbst wenn unsere Bibelübersetzungen den Eindruck vermitteln, dass dort Gehorsam verlangt wird, die hebräische Sprache der Bibel kennt weder „gehorchen“ noch „Gehorsam“, bzw. „Ungehorsam“. Die Vorstellung von Gehorsam war Israel und dem Alten Testament fremd. Einzig und allein das Hören und Hinhören, das Zuhören und das Aufmerksam sein, wurden verlangt. Die Texte des Alten Testamentes unterstreichen dies, auch wenn sie in griechischer Sprache geschrieben sind. Die griechische Sprache unterscheidet zwischen „hören“ und „gehorchen“. Überall, wo übersetzt wird: „Gehorsam“ und „gehorchen“ – gebraucht der griechische Text: „akouein“ und das heißt: „hören“. Gott fordert demnach keinen Gehorsam, sondern er will gehört werden. Wir sollen auf das was er uns sagen möchte, hören, in seinem Wort und durch Menschen. Wir sollen zu unserer eigenen Ordnung finden und zu einem geordneten menschlichen Zusammenleben. Dies soll durch Einsicht auf das Gehörte erfolgen, nicht durch Befehle und Verordnungen. Dadurch muss die eigene Persönlichkeit nicht aufgegeben werden, sondern sie erlangt erst auf diese Weise ihre Reife. Jesus fordert an keiner einzigen Stelle im Evangelium zum Gehorsam auf, sondern er sagt: „Wer Ohren hat zum Hören, der höre!“ (Markus 4,9 u.a.) Jesus möchte also, dass wir Gottes Wort wahrnehmen:
Nicht unter Zwang – sondern aus Glauben.
Nicht als Verpflichtung – sondern mit Liebe.
Nicht in Gehorsam – sondern in Freiheit.
Sonntag, 25.09.2011
Einen wunderschönen Sonntagmorgen, liebe Hörerinnen und Hörer!
Sokrates war ein kluger Lehrer im alten Griechenland. Zu ihm kam einer eiligst gelaufen: „Höre, ich muss dir erzählen, wie dein Freund . . .“ – „Halt ein“, unterbrach ihn Sokrates, „hast du das, was du mir sagen willst, durch drei Siebe gesiebt?“
„Drei Siebe? Welche?“ fragte der andere verwundert. „Durch das Sieb der Wahrheit! Hast du alles, was du mir erzählen willst, geprüft, ob es auch wahr ist?“
„Nein, ich hörte es erzählen und . . .“
„Nun, so hast du es wohl mit dem Sieb der Güte geprüft? Ist das, was du erzählen willst, wenn es schon nicht wahr ist, wenigstens gut?“
Der andere zögerte: „Nein, das nicht, im Gegenteil . . .“
„Hm,hm,“ unterbrach ihn Sokrates, „so wollen wir noch das dritte Sieb anwenden und uns fragen, ob es notwendig ist, mir das zu erzählen, was dich zu erregen scheint.“
„Notwendig nun gerade nicht . . .“
„Also“, lächelte der Weise, „wenn das, was du mir sagen wolltest, weder wahr, noch gut, noch notwendig ist, so lass es begraben sein und belaste weder dich noch mich damit.“
(nach Ernst Keßler)
Das geht das unter die Haut. Wieder einmal wird mir bewusst, wie nicht nur Blicke, sondern auch Worte töten können. Wo kann ein Mensch mehr um sein Ansehen, um seinen guten Ruf gebracht werden, als durch Geschwätz und Verleumdung. Worte sind dazu da, um etwas zu klären, um jemanden aufzurichten, um zu versöhnen.
Jesus sagt einmal, dass wir für jedes unnütze Wort einst Rechenschaft ablegen müssen (vgl. Matthäus 12,36-37). Das ist keine göttliche Drohung, die einem Angst einjagen soll. Aber es ist ein Appell an mich: Wenn ich rede, so möchte ich doch bitte schön wahrhaftig sein, und den nötigen Respekt vor dem anderen wahren.
In unserer geschwätzigen Zeit, die wenn man in die Meiden schaut, von peinlichem Gerede nur so überquillt, fällt es auch mir nicht immer leicht, behutsam und damit liebevoll über andere zu reden. Es erfordert Disziplin und Geduld mit mir selbst. Aber ich – ich möchte es immer wieder aufs Neue probieren.
(Mi – So nach einer Idee von Michael Broch)
Infos unter:
Erstellt am: 22.09.2011 07:07 Uhr