Der heutige Sonntag Miserikordias Domini weist hin auf den guten Hirten.
Im 23.Psalm, den wir miteinander gebetet haben,wird Gott als Hirte bezeichnet, der uns auf unserem Lebensweg
begleitet.
In der Schriftlesung aus Johannes 10 hat sich Jesus selbst als der gute Hirte bezeichnet, an dem wir uns orientieren können.
Im heutigen Predigttext aus dem 1.Petrusbrief wird auf das Bild vom Hirten zurückgegriffen, um damit auf das
Spezifische einer christlichen Gemeindeleitung aufzuzeigen.
Wir hören aus 1. Petrus 5,1-4
1 Die Ältesten unter euch ermahne ich, der Mitälteste und
Zeuge der Leiden Christi, der ich auch teilhabe an der
Herrlichkeit, die offenbart werden soll:
2 Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist; achtet auf
sie, nicht gezwungen,sondern freiwillig, wie es Gott gefällt;
nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzens-
grund;
3 nicht als Herren über die Gemeinde, sondern als Vorbilder
der Herde.
4 So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte, die
unvergängliche Krone der Herrlichkeit empfangen.
(Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht
auf unserem Weg.)
Liebe Gemeinde
Die eben gehörte Bibelworte aus dem 1.Petrusbrief sind
Teil eines Rundschreibens, das sich an die Ältesten, an die
Gemeindeleiter, und an die Gemeinden in Kleinasien richtet.
Der Verfasser mit Namen Petrus stellt sich als Mitältester
vor. Es geht im gehörten Abschnitt um das
Führen und Leiten in einer christlichen Gemeinde. Dass der
Autor sich als „Mitältester“ bezeichnet, deutet darauf hin, dass
er sich in der Hierarchie nicht oben sieht, sondern sich selbst als
Partner versteht. Zur Zeit der Abfassung des Schreibens gab es
noch keine Differenzierung und Hierarchisierung der Ämter –
es gab auch nicht die heutige Aufteilung der Zuständigkeiten,
beispielsweise dass der Kirchenvorstand mehr für finanzielle
Angelegenheiten und der Pfarrer mehr für das Geistliche die
Verantwortung trägt.. Jedenfalls – und das wird im
Predigtabschnitt deutlich – haben sich alle
Verantwortungsträger gleichermaßen am Leitungsmodell
eines Hirten zu orientieren,eines Hirten,der für die Herde sorgt.
Auf den ersten Blick mag uns das Modell eines Hirten veraltet
erscheinen. Wenn wir uns aber bewusst machen, was ein guter
Hirte tut und leistet, dann merken wir schnell, wie aktuell und
hilfreich das Bild vom Hirten ist..
Ein Hirte sorgt für die ihm anvertrauten Tiere. Er leitet und
beschützt die Schwachen. Er ist in schwierigen Situationen
bei den Schafen und geht ihnen nach, wenn sie sich verirren.
Eine Haltung, wie sie im Bild des Hirten deutlich wird, eine
Haltung der Fürsorge und der Stärkung, braucht es, wenn
wir uns leitend in der Gemeinde engagieren. Gerade in der
Kirche, aber auch sonst, brauchen wir Menschen, die einander
in Achtsamkeit begleiten und das suchen, was der
Gemeinschaft dient. Und da ist es wichtig, dass sich die
Führenden zurücknehmen können, um für die ihnen
anvertraute Gemeinde zu sorgen.
Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist.
Mit diesen Worten beginnen die Weisungen. Wie dies zu
verstehen ist und aus welcher Haltung heraus dies geschehen
sollt, wird im Schreiben benannt, wenn es da weiter heißt:
achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig,
wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinns willen,
sondern von Herzensgrund. Zur Mitarbeit in der Kirche
sollte niemand gezwungen und von außen genötigt werden,
sondern sie sollte freiwillig, von Herzensgrund, geschehen
entsprechend unseren von Gott gegebenen Gaben.
Die Kirche lebt davon, dass sich Menschen gern und überzeugt
in der Gemeinde einbringen und einen Sinn in ihrer Tätigkeit
sehen. Eine solche Gemeinde, in der sich viele gern und
engagiert mit ihren Gaben und Fähigkeiten einbringen,
erlebe ich hier in Puerto de la Cruz durch die
Kirchenvorstandsmitglieder und durch viele ehrenamtliche
Mitarbeiter.
Was von Herzen kommt, geht zu Herzen und was uns ein-
leuchtet und Sinn macht, da engagieren wir uns auch
entsprechend. In dem frühchristlichen Rundschreiben
wird der Motivation einen hohen Stellenwert eingeräumt,
wenn wir an die Worte denken: nicht gezwungen, sondern
freiwillig und von Herzen.
Wo das Herz und die Freude fehlt,
da kann nur wenig wachsen und sich entfalten.
Ich möchte das an einem Beispiel verdeutlichen, das meine
Mutter des öfteren erzählt hat. Als ihr Bruder nicht mehr
regelmäßig zur Christenlehre ging, wandte sich der Pfarrer
an den Vater mit der Bitte, er solle sich seinen Sohn
zur Christenlehre schicken. Mein Großvater, der selbst dem
schwäbischen Pietismus zugehörte, habe darauf gesagt:
„Herr Pfarrer, man kann die Hunde nicht zum Jagen tragen.“
Nicht gezwungen, sondern freiwillig, ist eine Haltung, die
an die wir uns immer wieder erinnern sollte, und die uns
vor Überforderung bewahrt.
Leitung in der Gemeinde sollte auch nicht so
geschehen, dass wir unsere eigene Person in die Mitte
und unsere Fähigkeiten zur Schau stellen .
Im Bibeltext heißt es: nicht um schändlichen Gewinns
willen, sondern von Herzensgrund.
Wer sich mit dem Herzen einbringt, von Herzensgrund handelt,
wird demütig, weil er um sein Angewiesensein auf Gott und
damit um sein Begrenztsein weiß.
Niemand von uns ist perfekt und ohne Fehler. Aber auch
unsere Fehler können wir Gott überlassen, der aus
unseren Bruchstücken dennoch etwas Ganzes zu machen
vermag. In diesem Vertrauen lernen wir unsere Fehlhaltungen
zu berichtigen und loszulassen, was wohl ein lebenslange
Aufgabe ist wie Meister Eckhart in den
Unterweisungen für seine Mitbrüder treffend
schreibt: „Es gibt keinen Heiligen, der nicht gefunden hätte, er
müsse sich noch mehr lassen. …Darum richte dein Augenmerk
auf dich selbst, und wo du dich findest (gemeint ist das
verkehrte, ichbezogene Denken), da lass von dir ab; das ist das
Allerbeste.“
Es ist wohl kein Zufall, wenn im 1.Petrusbrief unmittelbar im
Anschluss ausdrücklich auf die Demut hingewiesen wird, die
sich auf alle bezieht auf die Führenden und auf die Geführten:
Alle aber miteinander haltet fest an der Demut; denn Gott
widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er
Gnade.(5b).
Hier in diesen Worten sind wir eingeladen, uns Gott
zu überlassen, seiner Führung anzuvertrauen, damit unser Tun
gelingen möge und zum Segen wird.
Am Ende unseres Textes werden wir auf den Oberhirten Jesus
Christus verwiesen, der uns in seinem Wort Wegspuren
hinterlassen hat und wo wir lernen können, was Leitung in der
Kirche in der Kirche beinhaltet:
Nicht als Herren über die Gemeinde, sondern als Vorbilder
der Herde.
Der Autor des 1.Petrusbriefs fügt denen, die so die Gemeinde
leiten, die Zusage hinzu: So werdet ihr, wenn erscheinen wird
der Erzhirte, die unvergängliche Krone der Herrlichkeit
empfangen.
Der Dienst in der Kirche hat Bestand, wenn wir ihn tun im
Geist des Erzhirten, das heißt in Demut, in Liebe und in
Verantwortung vor Gott und den anvertrauten Menschen.
Vorbilder der Herde sein bedeutet nicht, dass die Leitenden
in allem perfekt sein müssen und keine Fehler machen
dürfen. Das wäre, wie schon gesagt, unmöglich und eine
Überforderung.
Wo wir uns aber von der Liebe des Erzhirten leiten lassen, da
können wir auch bei Rückschlägen immer wieder neu anfangen
und uns den Aufgaben stellen.
Wer sich an der Liebe orientiert und mit ihren Augen die
Menschen sieht, der ist in der Leitung nicht primär auf
hierarchischen Abstand bedacht, sondern wird sich bemühen,
dass seine Entscheidungen in der Gemeinde mit Zustimmung,
nicht gezwungen, sondern aus Einsicht bejaht werden.
Eine solche Führung wünsche ich unserem
Kirchenvorstand, mit dem ich gern zusammenarbeite.
Am Ende meiner eigenen Dienstzeit stellt sich mir
die Frage – herausgefordert durch den Predigttext:
Wie habe ich als Pfarrer Leitung in der Kirche gesehen und
wahrgenommen? In der ersten Gemeindepfarrstelle war ich
zurückhaltend und unsicher. Im Kinikpfarramt habe ich
gelernt, wie heilsam die Begleitung und das „mit auf dem Weg
sein“ für Menschen sein kann, von denen ich selbst viel gelernt
habe.
Diese seelsorgerlichen Erfahrungen, die mehr die begleitende
Funktion des Hirten im Auge hatte,, versuchte ich im
geschäftsführenden Pfarramt einzubringen. Ob es mir
gelungen ist, darüber mögen andere urteilen. Jedenfalls
war es mir wichtig, meinen Dienst im Miteinander mit dem
Kirchengemeinderat zu tun – so wie es in der KGO der
Württembergischen Kirche heißt: „Kirchengemeinderat und
Pfarrer leiten gemeinsam die Gemeinde.“ Diese gemeinsame
Verantwortung ist entlastend. Von Heinrich Gießen stammt
die Aussage, die ich des öfteren im Kirchengengemeinderat
und bei unseren Mitarbeiterbesprechungen zitiert habe:
„Wir glauben uns den Glauben, auch wenn wir ihn verschieden
ausdrücken. Wir glauben uns die Liebe, auch wenn wir mal
hart aneinander geraten. Wir glauben uns die Arbeit, auch
wenn wir mal Pause machen.“
Ich denke, in diesem Leitsatz ist ausgesprochen, was Raum
lässt, um gern und mit Freude in der Gemeinde mitzuarbeiten,
nicht gezwungen,sondern bereitwillig und von Herzensgrund
Amen
Infos unter:
Erstellt am: 22.04.2012 12:58 Uhr