VON PFARRER JOHANN WEINGÄRTNER
Lukasevangelium 12, 15-21
15 Und er sprach zu ihnen: Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat.
16 Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach: Es war ein reicher Mensch, dessen Feld hatte gut getragen.
17 Und er dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle.
18 Und sprach: Das will ich tun: Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen und will darin sammeln all mein Korn und meine Vorräte
19 und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!
20 Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast?
21 So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.
Liebe Gemeinde,
als ich Pfarrer im ländlichen Bereich war, haben mir die Bauern gelegentlich gesagt: „Ach, Herr Pastor, muss dieses Gleichnis eigentlich immer zum Erntedank sein? Wir werden jedes Jahr verunglimpft, als ob wir nichts anderes im Sinne hätten als Raffgier.“ Ich habe sie verstanden, konnte ihnen aber diese Evangeliumslesung nie ersparen. Da tut es dann hin und wieder gut, wie in diesem Jahr darüber zu predigen. So konnte und kann einiges klar gestellt werden. Ich weiß nicht mehr, was ich in all den Jahren zu diesem Gleichnis gesagt habe. Eine Frage aber hat mich immer wieder umgetrieben: Was hat der Bauer eigentlich falsch gemacht?
Es kann doch nicht falsch sein, so zu arbeiten und zu wirtschaften, dass – wenn immer auch witterungsabhängig – ein guter Ertrag erzielt wird.
Es kann doch nicht falsch sein, in bessere Gebäude – oder Infrastruktur, wie wir heute sagen – zu investieren und auch auf Wachstum zu setzen.
Es kann doch nicht falsch sein, anstatt Lebensmittel zu verschleudern oder gar zu vernichten, sachgerecht gute Vorräte anzulegen, also Vorsorge zu betreiben.
Das alles kann doch wohl nicht falsch sein. Ich finde, der Kornbauer hat sogar klug und weise gehandelt. Manche kurzatmig denkenden Menschen der Gegenwart in Wirtschaft und Politik könnten regelrecht von ihm lernen.
Wir erleben ja eher gerade das Gegenteil: Da wird nicht vorgesorgt, da wird nicht einkalkuliert, dass einmal schlechtere Zeiten kommen könnten. Da wird kurzfristiger Gewinn angestrebt. Jedes Quartal muss Rechnung gelegt werden, und wenn der Ertrag nicht hoch genug erscheint, dann sinken die Kurse. Langfristiges und nachhaltiges Denken und Handeln wird so unterbunden.
Handelten alle so, dann hätten manche nicht so viel Geld nachhaltig investiert, sondern geschaut, wo so schnell wie möglich der beste Preis zu erzielen gewesen wäre. Das schnell gewonnene Geld aber kann man arbeiten lassen, um die ganze Welt schicken vom besten Ertragsort zum noch besseren. So steht Kapital zur Verfügung, wenn die Nahrungsmittel wieder knapp werden, andere verknappen sie sogar, um dann eventuell mit Warentermingeschäften Geld zu machen und hohe Spekulationsgewinne einzustreichen.
In kostenintensive Lagergebäude oder dauerhafte zukunftsorientierte Projekte zu investieren, das wirft keine gute Rendite ab, kurzfristig auf keinen Fall und wen oder was interessiert schon das Morgen. Hier und jetzt die Boni einstreichen und schnelle Rendite mitzunehmen – das ist das Gesetz des Augenblicks. Das Risiko für Morgen lastet man der Allgemeinheit auf. Hat doch gut funktioniert, und was heute ging, geht morgen auch noch.
Noch einmal – ich finde, dass der Bauer langfristig und nachhaltig gedacht hat. Spare in der Zeit, dann hast du in der Not, auch wenn das heute etwas kostet. Eine weise Entscheidung.
Wo aber liegt nun der Fehler im Denken und Handeln dieses erfolgreich und nachhaltig wirtschaftenden Menschen?
Es ist wohl das Zwiegespräch, das er mit sich selber führt. Hier scheint er mir schon in der Form in eine Schieflage zu geraten. Er redet mit sich selber. Tut also so, als ob er allein der Vater des Erfolges und damit auch der Nutznießer sei.
Hat er keine Mitarbeiter gehabt?
Gab es da niemanden, der Steine vom Feld gesammelt hat?
Haben da nicht Leute Unkraut gejätet?
Gab es da keine Erntehelfer?
Die Schieflage beginnt da, wo ein Mensch sich alles selber zuschreibt, etwa in dem Sinn: Das habe ich mir alles ganz allein zu verdanken. Ich bin niemandem etwas schuldig. Darum: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!
Da ist einer sich ganz und gar selber gut, und zwar sehr gut. Der braucht die anderen nicht. Wirklich nicht?
An dieser Stelle taucht bei mir einer der Lieblingsbegriffe der Gegenwart auf: Die Leistungsträger. Darunter werden in der Regel die verstanden, die viel verdienen und deshalb relativ viele Steuern zahlen und deshalb entlastet werden müssen. Ihre Seelen sollen ruhig gestellt werden. Die Vorräte müssen für viele Jahre gut anwachsen können. Ruhe bei den Lobbyisten kann dann auch einkehren. Und nach der Bundestagswahl kann man dann mit viel gutem Mut in die nächsten Landtagswahlen gehen. Das alles wird dann meistens bei gutem Essen und Trinken ausgehandelt.
Nicht wahr, liebe Gemeinde, Hauptsache, mir geht es gut. Dass dieses Gut- gehen auch von Menschen mit Niedriglöhnen bei Knochenarbeit erarbeitet wird, daran zu denken fällt schwer. Und das zu ändern, ist bei der momentanen politischen Lage wohl nur schwer möglich.
Meine liebe Seele – Selbstgespräche! Lauter Selbstgespräche! Selbstgespräche nenne ich auch solche, die unter denen geführt werden, die genauso sind und denken und handeln wie man selbst. Da bleiben die andern schön außen vor, sie stören dann auch nicht. Kennen wir solche Kreise? Bewegen wir uns vielleicht hin und wieder selbst darin? Wo ist der Raum für den Blick nach außen, auch und gerade zu denen, die nicht einmal in die Lage versetzt werden, für sich und die ihren und deren Zukunft zu sorgen? Wo dieser Blick verloren geht – da beginnt die Schieflage, beim reichen Bauern mit der guten Ernte und anderswo.
Und diese Schieflage setzt sich fort, wird steiler, abschüssiger. Da wo der Nächste nicht mehr im Blick ist, da wird auch der Geber aller guten Gaben aus demselben verloren. Und das ist tragisch und endet katastrophal. Wie hat einst der Hl. Franziskus gesungen?
Höchster, allmächtiger, guter Herr,
dein sind die Loblieder,
der Ruhm, die Ehre und alles Preisen.
Dir nur, Höchster, stehen sie zu,
und kein Mensch ist würdig,
deinen Namen zu nennen.
Gelobt sei, mein Herr, mit allen deinen Geschöpfen.
Franz von Assisi kannte den Reichtum, wusste von erfolgreichem Handel und dem Streben nach Gewinn, hatte es in seiner Jugend genossen. Und dann sah er plötzlich die andern, die daran keinen Anteil hatten. Er ging zu ihnen, half ihnen, gab sein gesamtes Erbe auf, wurde einer von ihnen und entdeckte einen ganz anderen Reichtum.
Er brachte eine Bewegung in Gang, die eine der großen Vorreiter sozialer Arbeit und gesellschaftlichem Ausgleich unter der Prämisse von Gerechtigkeit wurde.
Er sang ein anderes Loblied, als das auf den wirtschaftlichen Erfolg: Mein Haus, mein Pool, mein Boot und, und, und.
Er sang: Gelobt sei mein Herr mit all seinen Geschöpfen.
Will sagen:
Wir verdanken uns einem Schöpfergott, der jeden Menschen mit gleicher Würde und sehr unterschiedlichen Begabungen ausgestattet hat, die nie und nimmer gegen einander ausgespielt werden dürfen.
Wir verdanken uns einem Schöpfergott, der uns als Menschen zu geschwisterlichem Denken und Handeln befähigt, das niemanden geringer achtet, als wir uns selbst achten.
Wir verdanken uns einem Erlösergott, der uns durch Jesus von Nazareth gezeigt hat, wie Grenzen überwunden, Gräben zugeschüttet und Mauern niedergerissen werden können. Die letzten Tage um den Tag der Deutschen Einheit herum mit den Sendungen und Kommentaren gaben Hinweise genug durch Erinnerung an die Ereignisse vor 24 Jahren in der Nikolaikirche in Leipzig und anderswo, wie das geschehen kann. Das Meiste davon ist längst vergessen und durch den Geist des Egoismus verschüttet worden.
Wir verdanken uns einem Gott, der den Geist des Friedens, der Gerechtigkeit und der Liebe in die Welt gesandt hat, um den Ungeist der Zeit zu vertreiben. Wenn wir ihn denn zur Geltung kommen und uns gründlicher von ihm begeistern ließen.
Ihn zu vergessen, schafft die Hölle auf Erden für die, die außen vor bleiben müssen, weil wir sie nicht reinlassen. Und es lässt die Hölle auf die warten, die
meinen, sie seien drinnen und hätten für alle Fälle vorgesorgt. Und die kann sich schon morgen auftun, denn es kann vor Nacht leicht anders werden, als es am frühen Morgen war. So singt es ein Gesangbuchlied
Wer sich mit seinen Schätzen auf dieser Erde begnügt und nicht bereit ist, zu teilen, der kann schon bald zur Hölle fahren oder vielleicht daran mitwirken, dass sie bereits auf Erden entsteht, wenn die Habenichtse nicht mehr tatenlos zusehen, wie die Habenden auf ihre Kosten immer mehr haben. Die Ereignisse vor Lampedusa in der letzten Woche legen ein beredtes Zeugnis davon ab.
Und an anderen Stellen werden ja schon die Scheunen angezündet und die Alleinbesitzer zum Teufel gejagt. Was daran recht ist, ist zu bezweifeln und will ich nicht beurteilen, verstehen kann ich es schon.
Schätze, die bleiben, sammelt man sich im Himmel, sagt Jesus. Wie sehen diese Schätze aus? Auf keinen Fall kann man sie kaufen.
Liebe gibt es nur geschenkt. Wenn sie käuflich wird, ist sie pervers.
Frieden gibt es nur, wenn die Streithähne nicht mehr auf Egoismus und Alleinvertretung, egal ob politisch oder religiös oder noch schlimmer in einem unheiligen Gemenge von beidem, pochen. Dann kann er möglich werden. Wer ihn herbeizwingen will, vielleicht gar noch mit Gewalt, produziert neuen Streit.
Gerechtigkeit wird nur möglich, wenn wir endlich lernen, dass jede und jeder ein uneingeschränktes Recht auf Leben und Wohlergehen hat.
Bewahrung der Schöpfung gibt es nur, wenn wir auch Verzicht lernen und ein Umdenken im Umgang mit den Ressourcen Platz in den Köpfen gewinnt.
Das sind die wahren Schätze. Die befreien aus der Schieflage des Lebens. Für die großen Schieflagen müssen vor allem jene die Verantwortung tragen, die dafür gewählt sind. Für mindestens die kleinen sind wir selber verantwortlich.
Deshalb wollen wir heute danken und teilen, das Mahl des Herrn gleich an seinem Tisch. Und wir haben zusammengetragen, was wir denen geben wollen, die wenig haben, hier ganz in unserer Nähe. Vor dem Altar ist es präsent, so wie auch Brot und Kelch darauf. Beides hat mit einander zu tun. Und deshalb tun wir gut daran, wenn wir dabei zumindest in Gedanken nicht unter uns bleiben und bei unserem Beten und auch unserem Geben die im Blick gehabt haben und in Zukunft haben, die ebenfalls nach Leben hungern, dem des Leibes und dem der Seele.
Amen
Infos unter:
Erstellt am: 07.10.2013 21:27 Uhr