Zündfunke, 27.10.13

Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Einen wunderschönen Sonntagmorgen wünsch’ ich Ihnen, liebe Schwestern und Brüder!
Was ich jetzt im Moment tue, nämlich hier im Radio zu Ihnen zu sprechen, das gehört zu meinem Leben unabdingbar dazu. Ich staune immer wieder darüber, was es eigentlich heißt, sprechen zu können. Was für ein großartiges Geschenk das ist: Sich mitteilen und aussprechen, sich anvertrauen und miteinander reden. Theater und Musical, Unterhaltung und Gesang, das geistliche Wort jetzt – all das wäre ohne die Sprache undenkbar. Wir können von schönen Erlebnissen berichten und Erfahrungen austauschen; wir können Verzagten Mut machen und Kranke trösten; wir können unseren Partnern und unseren Kindern sagen, dass wir sie lieb haben; und wir können natürlich auch unserem Ärger hie und da Luft verschaffen.
Sprechen. Mir ist das neu aufgegangen, als ich vor kurzem einen sehr interessanten Fernsehbeitrag aus einem Heim für Taubstumme gesehen habe. Wie viel Mühe und Geduld hier Menschen aufbringen, um sich sprachlos zu verständigen! Und wie mag es wohl dem Taubstummen ergangen sein, dem Jesus zugerufen hatte: „Effata! – das heißt: Öffne dich! Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit, und er konnte richtig reden“ – so erzählt es uns das Markusevangelium im Neuen Testament im siebten Kapitel.
Ich verstehe dieses Wirken Jesu aber auch als seinen Protest gegen jegliches menschliche Leid und auch als einen Appell an mich: Effata – Du, Bertram, öffne dich für Gott und für die Not deiner Mitmenschen! Und: Mich macht dabei aber auch nachdenklich: wie fahrlässig wir bisweilen mit der Sprache umgehen. Wenn ich ehrlich bin, gehöre ich doch auch zu denen mit der losen Zunge. Was reden wir nicht alles über Abwesende: „Haben Sie schon gehört, der und die . . . ?“ – Und sicher nicht nur Gutes. Was unkontrolliertes Reden angeht, so gibt es in der Bibel Worte, die uns diesbezüglich beunruhigen müssten. Denn da heißt es eindeutig, dass wir für jedes unnütze Wort Rechenschaft ablegen müssen. (Mt 12,36) und dass Gott eine falsche Zunge abscheulich findet, die Lügen verbreitet und Streit entfacht. (Sprüche 16,16-19)
Sicherlich: das ist keine göttliche Drohung, die einem Angst einjagen möchte. Aber es ist ein Appell: Wenn wir reden, so möchten wir doch bitteschön behutsam und wahrhaftig sein.
Einen schönen Sonntag Ihnen allen.

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Erstellt am: 28.10.2013 11:30 Uhr

Zündfunke, 26.10.13

Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Immer mehr Menschen, verehrte Schwestern und Brüder, stellen sich das Leben nach dem Tod als Reinkarnation vor. Früher kannten das nur Buddhisten und Hinduisten; in den abrahamitischen Religionen des Judentums, des Christentums und des Islam – also jener Religionen die man auch monotheistisch – Ein-Gott-Glaube nennt – in diesen Religionen war ein Gedanke daran nicht nur fremd, sondern schlicht und ergreifend undenkbar. Was aber versteht man denn unter Reinkarnation?
Dieses Wort meint, dass der Mensch nach seinem Tod wiedergeboren wird, dass seine Seele in einen neuen Körper, in eine neue Existenz übergeht. Und das so oft, bis er durch ein geläutertes, aufgearbeitetes Leben aus diesem Kreislauf „erlöst“ wird und dann nicht mehr wiedergeboren werden muss. Bei allem Respekt vor einer großen Tradition, besonders in den indischen Religionen, aber ich persönlich mag diese Vorstellung auch nicht. Warum? Der Reinkarnationsgedanke in den Köpfen westlich geprägter Menschen, scheint in meinen Augen eher einer Verdrängung der Wirklichkeit Tod zu entsprechen. Zu mechanisch scheint eine Wiedergeburt die andere abzulösen, wechseln die Seelen von einer Lebenswirklichkeit in eine andere. Und die Rolle Gottes dabei, falls er überhaupt in den Blick kommt? – Ist er nicht der gleichgültige Aufpasser, der die Seelenwanderungen überwacht? Ein menschenfeindlicher Götze, der solche armen Seelen zu einer immer nächsten Runde verdammt, wenn sie es mal wieder nicht geschafft haben, ein ihm konformes Leben zu führen? – Eine grausame Vorstellung.  Davon abgesehen, vor Gott würde eine Wiederholung des Lebens nichts Neues bringen, sondern nur die Summe mehrerer endlicher Lebensentscheidungen bedeuten.
Seelenwanderung, eine wie auch immer gedachte Wiedergeburt, widerspricht der unantastbaren Würde und Einmaligkeit des Menschen. Der Gott der Bibel sieht sie so vor: „Fürchte dich nicht, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du gehörst mir, ich bin dein Retter, du bist mir teuer und wertvoll, weil ich dich liebe.“ (Jesaja 43,1-7) Wir sind kein anonymes „Es“, sondern ein unverwechselbares „Du“. Im biblischen Denken geht es nicht um eine Seele, es geht um den Menschen. Und dieser Mensch hat eine einmalige, unwiederholbare Lebensgeschichte.
Was meine Vorstellung vom Leben nach dem Tod ist? – Ich glaube an einen persönlichen Gott, der so persönlich ist, dass er in Jesus von Nazareth Mensch geworden ist. Und ich glaube, dass bei diesem Gott jeder Mensch mit seinem Leben aufgehoben ist, ganz aufgehoben. Mit seinen Tränen und Freuden, mit seiner Schuld und mit seinen Fragen, mit seinem ganzen Packen Leben. Weil dieser Gott ein grenzenlos liebender Gott ist. Und der durch Gott und nicht durch Menschen herbeigeführte Zustand ungetrübten Glücks nennt der christliche Glaube „Ewiges Leben“. 

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Erstellt am: 28.10.2013 11:27 Uhr

Zündfunke, 25.10.13

Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder!
Eigentlich hätte ich es wissen können, ja wissen müssen. Wochenlang hab ich mich vor
dem Anruf gedrückt; mir immer wieder gesagt, das mach ich nach der Saison; dann war es nach dem Urlaub… Ja, ich war zugegebenermaßen froh, dass er nicht da war, als ich anrief. Es ging ihm nämlich überhaupt nicht gut, wie mir Bekannte dann sagten. Krebs – hieß die Diagnose. – So schlimm? – Ja. – Krebs mit dem Zusatz: inoperabel. Was noch nichts Genaues und Konkretes heißt. Zumindest nichts Endgültiges.
Aber ich musste mir da selber klar machen: Bertram, mach dir nichts vor. Eine solche Diagnose bedeutet sicherlich noch nichts Endgültiges, aber eben auch nichts Gutes. Nichts wollte ich falsch machen, nichts Dummes sagen, nicht nur hölzern daherreden… Und so schob ich das Telefonat weiter vor mir her. Aber irgendwann musste es einfach sein. Ich rief an und – er war da. „Hallo?“ Seine Stimme klang anders als sonst; viel dünner. „Endlich erreiche ich dich“, höre ich mich sagen. „ich hab’s ja schon oft probiert, aber du warst nicht da.“ – „Ach ja?“ er klang überrascht. „Ich wollte einfach wissen, wie es dir geht“, sage ich, dabei war das alles Andere als einfach.
Und dann erzählte er von sich und seiner Krankheit, so selbstverständlich, wie über eine Urlaubsreise. Von den langen Tagen im Krankenhaus, von den vielen Untersuchungen, von den Bestrahlungen. Und dass er darüber nachgedacht habe, wo Gott wohl wohnt. „Und wo wohnt er?“ frage ich ihn und er sagt: „Gott wohnt in der Hölle.“ Dann erzählt er mir von dem Raum, in dem man bestrahlt wird, wenn man Krebs hat. Ein völlig schallisolierter Raum mit nichts wie Maschinen. Dort liegt man dann ungefähr 15 Minuten oder auch mehr, sagt er – ganz allein. Denn die Andern müssen ja raus, wegen der Strahlen. Dann surrt es, Roboter drehen Arme. Tödliche Strahlen treffen den Körper. „Das“, sagte er, „ist die Hölle. Und da wohnt Gott.“ 
Ich hätte es wissen können.  Dass er viel stärker ist, als ich in meiner Angst. Dass er nicht aufgeben würde. Weil er die Geschichte kennt, in der es heißt: Jesus Christus – hinabgestiegen in das Reich der Hölle. Am dritten Tage auferstanden von der Hölle. Deshalb sind wir auch nicht allein, in der Hölle. Wie immer es auch aussieht. Er ist immer schon da. Ist da für uns. Ich hätte es wissen können. Dass ich keine Angst haben muss vor der Hölle und vor denen, die da rein geraten sind. Jetzt weiß ich es wieder.

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Erstellt am: 28.10.2013 11:24 Uhr

Predigt zum 30. Sonntag im Jahreskreis 2013 (27.10.)

L I: Sir 35, 15b-17.20-22a. / Ev.: Lk 18, 9-14
Schwestern und Brüder!
Wissen Sie was ein Pharisäer ist? Das ist ein gehöriger Schuss Rum, zur Tarnung etwas Kaffee darüber und zur Krönung eine Haube aus Schlagsahne. In der Regel kostet ein solcher Pharisäer 3,50 Euro und jede Küstenkneipe im Norden Deutschlands hat ihn auf der Getränkekarte. Als ich davon zum ersten Mal hörte, dachte im Stillen an unsere schwäbischen Maultaschen – die sogenannten „Herrgottsbscheißerle“ –, die deshalb so genannt, weil man das inwendig versteckte Fleisch nicht sieht. Was beiden also gemeinsam ist, liegt auf der Hand: Anderes scheinen als sein.
Dieses anders scheinen als sein, das haben viele Zeitgenossen in den
vergangenen Tagen und Wochen auch uns Kirchenleuten vehement vorgeworfen – frei nach dem Motto: „Ihr seid doch alles Pharisäer“. Auslöser für diesen Rundumschlag war vor allem das Verhalten eines Oberhirten, welches aber vielen mal wieder dazu gedient hat, generalstabsmäßig über alle in der Kirche herzuziehen. Schaut: Wasser predigen sie bei der Kirche, aber Wein trinken sie. Oder um es mit den Worten besagter Tageszeitung mit den 4 Buchstaben zu sagen: Protzbau für den Bischof, aber kein Geld für die Gemeinden.
Auf diesem Hintergrund war denn auch mein erster Gedanke bei diesem Bibeltext: Gut, dass Jesus den Pharisäern eine gewaltige Abfuhr erteilt hat und gut, dass so auch die ganze Unaufrichtigkeit in unserer Kirche und unserer Gesellschaft mal an den Pranger gestellt werden kann. Diese Frömmigkeit, die oft nur sich selbst und das eigene Seelenheil im Blick hat, die geht mir eh gewaltig auf die Nerven. Ich kann also mal wieder so richtig vom Leder ziehen und auch den eigenen Leuten die Leviten lesen.
Doch wie ich so darüber nachgedacht habe, was ich sagen will, habe ich
gemerkt: Hoppla, der Text wendet sich ja auch gegen mich. Hier geht es gar nicht so sehr ums Keulen schwingen gegen andere, sondern wie oft hab ich denn selber schon gesagt: „Danke, Herr, dass ich nicht so bin, wie diese oder dieser da!“ Und es hat sich für mich mal wieder glasklar bewahrheitet, dass man so manchen Bibeltext eben auch „gegen sich selbst“ lesen muss, um ihn am Ende tatsächlich richtig zu verstehen. Also wechseln wir doch mal den Standort und verlassen wir den so scheinbar sicheren Boden unserer Überzeugungen und nehmen wir die beiden Hauptakteure dieser Geschichte in den Blick.
Die Sympathien der meisten von uns gehören zweifellos dem Zöllner, der auch bei Jesus überraschend gut weg kommt. Außerdem wirkt es fast sogar rührend, wie er da so verloren im Tempel rumsteht und kein Wort herausbekommt. Dabei sollten wir aber nicht außer Acht lassen, dass Zöllner in Israel Kollaborateure der römischen Besatzungsmacht waren. Viele bereicherten sich schamlos auf Kosten ihrer Landsleute und hatten deshalb ein ähnlich miserables Ansehen wie heutzutage die Manager, die ganze Banken ins Trudeln, dabei aber ihre eigenen Scheinchen ins Trockene gebracht haben. Oder wie Politiker, die doppelte Bezüge erhalten und deshalb der Steuerzahler dran glauben muss. Oder eben der Bischof, der sich gedacht hat, wenn wir schon bauen, dann richtig fürstlich, Geld ist genug da.
Auf der anderen Seite ist der Pharisäer. Für uns ein Urbild des aufgeblasenen Frommen; arrogant und selbstgerecht, ohne jegliche Barmherzigkeit. Sicherlich: das stimmt. Aber was bitte schön ist dagegen einzuwenden, wenn jemand strenggläubig ist und seinen Glauben ernst nimmt? Wenn jemand betet und fastet? Und außerdem: Die Pharisäer waren es, die dafür Sorge getragen haben, dass die Menschen in Israel auch unter der römischen Besatzung ihre Identität wahren konnten. Dass sie wussten: Das ist unsre Tradition, unsere Geschichte, unser Glaube, der uns Halt gibt. Übrigens hatte Jesus ja auch Freunde unter den Pharisäern. Denken wir nur an Nikodemus, der ihn bei Nacht aufgesucht und ihn später gegen seine Pharisäerkollegen in Schutz genommen hat. Es ist also alles gar nicht so eindeutig, wie es auf den ersten Blick scheint.
Was eindeutig ist, das ist der Ort, an dem die Geschichte spielt. Der Tempel – und das war unstrittig – das ist für die Israeliten die Wohnung Gottes. Also dürfen wir davon ausgehen, dass sowohl den Pharisäer als auch den Zöllner der gleiche Gedanke beschäftigt hat: Mit Gott reden, ihn erfahren, ihm auf die Spur kommen – das geht wohl nur hier im Tempel. Nun macht Jesus allerdings mit dieser Geschichte auch deutlich: Der Ort allein ist nicht ausschlaggebend. Natürlich kann er ein religiöses Empfinden auslösen oder auch eine weihevolle Handlung in Gang setzen. Aber der Glaube, so wie ihn Jesus versteht, der bewahrheitet sich im Umgang mit den Menschen, mit denen ich zu tun habe. Und da treten die Unterschiede unserer beiden Akteure doch ganz offen zutage:
Der Pharisäer, Stammgast im Tempel, ist hier mit Gott auf du und du. Er weiß, wann man sich im Gottesdienst setzt, wann man aufsteht; er weiß, wann aus der Schrift gelesen wird, wann welche Gebete gesprochen werden usw. Aber trotz allem scheint da mit seinem Glauben etwas nicht zu stimmen. Denn immerhin hält es dieser routinierte Fromme für nötig, Gott zu erinnern und ihm auf die Sprünge zu helfen im Stil von:“Herr erinnerst du dich? Ich bin’s. Ich faste zweimal am Tag und geb den Zehnten von meinen Einnahmen.“ Spüren Sie etwas? Hinter all dieser Rechtgläubigkeit verbirgt sich eine große Unsicherheit; ja vielleicht sogar die Angst, man könnte es Gott eben doch nicht recht machen. Und das ganze Fasten, Opfern und Gebote befolgen – ja vielleicht sogar das Beten ist für ihn nichts anderes als eine Krücke, an der er durch sein Glaubensleben humpelt. Genau in dieser Unsicherheit greift der Pharisäer zum rabiatesten aller Mittel: Er vergleicht sich mit dem Zöllner, dem er doch haushoch überlegen ist. Dieser Schmalspurgläubige, der nicht mal weiß, wie man sich hier benimmt, der kann mir doch nicht das Wasser reichen.
Genau dieses Vergleichen mit anderen, das steckt irgendwie in uns allen. Und je nachdem, mit wem wir uns vergleichen, stürzt uns das in einen Anfall von Depression oder es beschert uns einen Höhenflug. Und warum das alles? Weil unsere Leistungsgesellschaft Siegertypen verlangt. Menschen, die schön, stark, kreativ, reich oder wenigstens erfolgreich sind. Nur – da wo es Sieger gibt, gibt es immer auch Verlierer. So ist die Welt und so funktioniert die Gesellschaft. Jesus war Realist genug, um genau das zu wissen. Deshalb hat er auch seinen Freundinnen und Freunden immer wieder gesagt: „Arme habt ihr immer unter euch.“ Oder: „Die Kinder der Welt sind doch um einiges klüger als die Kinder des Lichts.“ Trotzdem gilt: Bei Gott gelten andere Maßstäbe. Er urteilt anders, als es eben in unserer Welt zu urteilen üblich ist: „Der Zöllner kehrt als Gerechter nach Hause zurück“, soll heißen: Der war Gott recht, so wie er war.
Bleibt die Frage: Hat Gott hier beide Augen zugedrückt angesichts der Tatsache, dass dieser seinen Lebensunterhalt mit Wucherei und Korruption bestritten hat? Das wiederum glaube ich nicht. Vielmehr war der Zöllner unglücklich mit seinem Leben. Er wusste, dass er vor Gott nichts vorweisen kann: Weder Glauben und schon gar nicht gute Taten. Aber er wendet sich trotzdem an Gott, von dem er doch so wenig weiß. Er macht es schüchtern, zögernd, tastend – wohl wissend, dass er keinerlei Ansprüche geltend machen kann. „Sei mir Sünder gnädig“, das ist alles, was er rausbekommt, und Gott genügt es vollkommen.
Nun wird ja – wie eingangs erwähnt – der Kirche und dem himmlischen Bo-
denpersonal oft der Vorwurf gemacht: „Ihr predigt den Menschen Wasser
und lasst es euch selbst mit Wein gut gehen.“ Oder anders gesagt: „Ihr legt
es doch darauf an, das Selbstbewusstsein der Menschen in Frage zu stellen oder gar zu brechen. Erst durch eure Predigt macht ihr doch die Leute zu Sündern vor Gott. Und wenn die Leute erniedrigt sind, dann könnt ihr die moralische Keule schwingen.“ Ich gebe gerne zu, dass wir alle – auch und gerade die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – in der Versuchung stehen, sich über andere Gläubige zu erheben. Und unsere Kirche hat in der Tat Phasen erlebt, in denen sie der Versuchung der Machtausübung nicht widerstehen konnte. Damit hat sie das Evangelium pervertiert und mit dem Glauben an Jesus und seine Botschaft hat das nichts zu tun. Aber dem Zöllner hier in unserer Geschichte, dem hat keine religiöse Instanz ein schlechtes Gewissen gemacht, sondern sein eigenes Leben. Es geht ihm da also kein Haar anders wie Ihnen und mir:
Unser Leben ist die Folge von Entscheidungen, manchmal auch von Zwängen, Denkmustern und Bedingungen, die wir vorfinden. Und wer mit offenen Sinnen durchs Leben geht, dem dämmert schnell: Wir werden immer jemandem etwas schuldig bleiben – aus Schwäche, aus Unkenntnis, aus schicksalhafter Notwendigkeit. Aber Jesus sagt uns mit dieser heutigen Geschichte: „Ihr müsst doch Gott nichts vormachen oder vorrechnen. Vertraut ihm, ohne Angst. Er liebt euch und ihr seid ihm wichtig.“ Der Zöllner hat gesagt: „Gott sei mir Sünder gnädig!“ Für uns klingt das altbacken, nach Strafe, nach Betteln um Gnade. Dabei könnten wir doch auch sagen: „Ich will dir vertrauen“, „ich setze meine Hoffnung auf dich“, „lass mich nicht im Stich, ich brauche dich, Gott“. Vielleicht sind uns solche Worte näher, verständlicher. Für mich drücken sie dasselbe aus, was der Zöllner gesagt hat.
Nehmen wir diese, seine Geschichte, als eine Einladung zum Glauben; als eine Einladung, die Freundlichkeit, die Großzügigkeit und die Liebe Gottes für unser Leben immer wieder neu zu entdecken. Amen.

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Erstellt am: 28.10.2013 11:21 Uhr

Brand auf Gran Canaria

Seit gestern Vormittag brennt es auf Gran Canaria in der Gegend vom Cruz de Tejada. Man versuchte bis zum Einbruch der Dunkelheit das Feuer unter Kontrolle zu bringen. Unter anderm sind 3 Löschhubschrauber in ständigem Einsatz.
Höchstwarscheinlich wird die Waldbrandstufe 2 ausgerufen wird, da bereits an 6 Stellen das Feuer außer Kontrolle ist.
Der aktuell starke Wind und die große Hitze erschweren die Bekämpfung des Brandes.

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Erstellt am: 25.10.2013 19:41 Uhr

Zündfunke, 24.10.13

Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Jemand findet in der Kirche keine Heimat mehr, liebe Schwestern und Brüder. Zu viel hat sich für sie oder ihn verändert und dem Zeitgeist angepasst. Menschen, die eher konservativ geprägt sind, sehen das häufig so. Andere dagegen finden in der Kirche keine Heimat mehr, weil sich noch viel zu wenig bewegt; weil sie in ihrem Denken viel zu starr und uneinsichtig ist und an sogenannten „alten Zöpfen“ festhält – das sind in aller Regel sehr progressiv denkende Menschen, die so argumentieren. Den einen sind also die Lehren der Kirche und so manche Aussagen der Kirchenoberen viel zu antiquiert, verstaubt und rückständig – den anderen geht alles zu schnell und zu weit. Viele finden in der Kirche auch kein Verständnis für ihre Lebenssituation – sei es nun als wiederverheiratete Geschiedene oder auch als gleichgeschlechtliche Paare, als Frauen die ein kirchliches Amt anstreben usw. Alles Menschen, die keine Antwort auf ihre Fragen finden. Dazu kommen häufig genug Enttäuschungen mit dem „kirchlichen Bodenpersonal“, den Pfarrern vor Ort oder auch Eifersüchteleien in den Kirchengemeinden.
Wir können also der Kirche aus vielen Gründen fremd werden – und die Kirche natürlich auch uns. Wie wäre es aber, es trotzdem noch einmal mit ihr, mit der Kirche zu versuchen? Sich noch einmal in einer Gemeinde zu engagieren? Genau zu diesem „Noch-einmal“ möchte ich Sie heute Morgen ermutigen, denn es gibt ein paar gute Gründe dafür.
Auch heute geht noch immer eine ungebrochene Faszination von Jesus aus. Er ist es aber, den die Kirche durch all die Jahrhunderte verkündigt – manchmal mehr schlecht als recht – zugegeben. Aber immer wieder sind es doch die vielen unbekannten und wenig bekannten Jugendlichen, Frauen und Männer, die glaubwürdig Zeugnis geben von diesem einmaligen Menschen Jesus – oder Menschen, die erst später dadurch bekannt geworden sind: wie ein Franz von Assisi, eine Mutter Teresa, Martin Luther King oder Frère Roger Schutz.
Die Kirche begleitet Menschen von der Geburt bis zum Tod. In ihr können sie an einer Hoffnung teilhaben, die über den Tod hinaus reicht. Gute Seelsorge und Beratung nimmt immer den ganzen Menschen ernst. Die Kirche erinnert immer wieder daran, im Sinne Jesu solidarisch zu sein mit den Schwachen, die keine Lobby haben. Die Kirche setzt sich mit ihren Gottesdiensten und mit ihren Themen, mit Musik und Kunst dafür ein, die Sonn- und Feiertage zu erhalten. Kirchen sind Orte der Ruhe und der Besinnung. Orte, an denen manche Sprachlosigkeit, Ohnmacht und Hilflosigkeit im Gebet zur Sprache gebracht werden können. Versuchen Sie es doch noch einmal mit der Kirche! Engagieren Sie sich noch einmal in einer Gemeinde! Ich möchte Sie herzlichst dazu ermutigen. 

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Erstellt am: 24.10.2013 21:05 Uhr

Zündfunke, 23.10.13

Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Es ist irgendein Wochentag, liebe Schwestern und Brüder. 9.40 Uhr und ein fünfzehnjähriger Junge klopft an die Tür. Man muss sich das mal vorstellen: seit vier Jahren ist dieser junge smarte Bursche drogenabhängig. Wer ihn wahrnimmt spürt, wie verunsichert er auf seine Umwelt wirkt. Aus Angst vor familiären Gewalttätigkeiten ist er einfach davongelaufen – mir nichts dir nichts. Es ist wenige Minuten vor 12.00 Uhr: Wieder läutet und klopft es an der Tür. Sie ist siebzehn Jahre alt und im fünften Monat schwanger. Ihre Eltern haben sie – nach Kenntnis ihrer Schwangerschaft – gedrängt, das Kind abzutreiben, aber sie will nicht.
Warum ich Ihnen das erzähle und vor allem, wer diese jungen Leute sind? – Es sind sogenannte Straßenkinder. Nicht in Kapstadt, Manila, Bombay oder Rio de Janeiro. Nein. Es sind Straßenkids in Stuttgart. Und wo die sich da melden? – Beim „Schlupfwinkel“, so nennt sich Stuttgarts Kontaktstelle für Jugendliche auf der Straße, im Alter von zwölf bis einundzwanzig Jahren. Träger der Einrichtung ist die Caritas und die Evangelische Gesellschaft. Seit vielen Jahren bemühen sich hier Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen um obdachlose junge Leute und wirken dagegen, dass sie in entsprechende Szenen und Milieus abtauchen. Gut die Hälfte der Kids und jungen Erwachsenen kommt aus Stuttgart, die anderen aus der weiteren Region. Es sind auch weit mehr Mädchen als Jungen. Einige stammen aus sozial schwierigen Situationen. Andere aus Familien, in denen die Eltern in der Erziehung verunsichert sind. Kaum Jugendliche kommen von Ausländerfamilien. Die starke Bindung dort verhindert wohl – zumindest momentan noch -, dass sie Ausbüchsen. Dann sind es Jugendliche, deren Eltern geschieden sind, und die sich als Stiefkinder nicht mehr erwünscht sehen. Ein auffallend großer Teil kommt aus gut bürgerlichen Kreisen. Seit Kindertagen haben sie Fernseher im eigenen Zimmer, Computer, sind materiell und finanziell wohl versorgt. Was denen fehlt? – Aufmerksamkeit, Zuwendung, menschliche Wärme. Diese „Wohlstandsverwahrlosung“ lässt aufhorchen! Die Arbeit des „Schlupfwinkels“ Stuttgart beruht auf vier Pfeilern: 1. Kontakt- und Anlaufstelle und die Grundversorgung von Jugendlichen auf der Straße. Eine Notübernachtungsstelle bietet Jugendlichen für die ersten Tage Platz, um zur Ruhe zu kommen. 2. „Streetworker“ – das heißt Arbeitseinsatz auf der Straße, um gefährdete Jugendliche dort zu finden, wo sie sich möglicherweise aufhalten. 3. Vermittlung zu weiterführenden sozialen Einrichtungen, Arbeitsprojekten und Schulen. Und wo immer möglich, Kontaktaufnahme zu den Eltern. 4. Öffentlichkeitsarbeit, um zu informieren und das gesellschaftliche Bewusstsein für die Lage gefährdeter junger Leute zu schärfen. Ich möchte Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, auf dieses Werk der Menschlichkeit aufmerksam machen, welches Sie unter www.Schlupfwinkel-Stuttgart.de einsehen und auch unterstützen können. Ich meine, dieser „Schlupfwinkel“ verdient Respekt und Unterstützung. 

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Erstellt am: 24.10.2013 19:11 Uhr

Zündfunke, 22.10.13

Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder!
Vor nicht ganz 60 Jahren starb der Physiker Albert Einstein. Oft wird an ihn gedacht, häufig werden Sätze von ihm zitiert. Zum Beispiel auch der, über den ich immer wieder schmunzeln muss: „Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein“.
Nun bin ich als Seelsorger durchaus mit den Hirtenbildern der Bibel vertraut. Und doch hat mich der Physiker überrascht, wenn er dahinter guckt und Menschen als Schafe betrachtet.
Schafe sind ja nun nicht dumm, da sage ich Ihnen überhaupt nichts Neues. Sie wissen, worauf es ankommt. Sie wissen allein schon aufgrund ihres Daseins wie wir Menschen auch: Du brauchst was zu fressen – also eine gute Weide – und du brauchst frisches Wasser. Das alles bekommst du aber mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nur in der Herde. Solo, sozusagen als einzelnes Schaf, hast du kaum Chancen zu überleben. Genau aus diesem Grunde aber muss deine Herde gut geführt sein. Du brauchst nicht nur einen Leithammel, sondern auch einen guten Hirten.
Schafe sind nicht dumm. Sie wissen, worauf es ankommt.
Aber was heißt: „Tadelloses Mitglied einer Schafherde sein können“? Das wird ja heute allerorten verlangt, von Menschen jedenfalls: Du musst gut sein, besser, mobiler, cleverer als andere, eben tadellos. Wenn also der alte Einstein vom Menschen spricht, sollte er vielleicht gemeint haben: Mensch, du musst vor allem Mensch sein, wenn du ein tadelloses Mitglied der Gesellschaft sein willst? Wenn er das so gemeint hat, dann wären zumindest ein paar Dinge doch ziemlich klar: du brauchst das tägliche Brot. Diese elementare Frage muss geklärt sein. Brot für alle. Es lohnt sich, daran zu arbeiten, und es lohnt sich auch darum zu beten.
Und dann: Brauchst Du Wasser, klares Wasser zum Leben. Es lohnt sich, dafür zu sorgen, dass der Wasserhaushalt in deinem Körper und natürlich auch in deiner Umwelt stimmt – nicht nur für heute, das versteht sich von selbst, sondern auch für morgen. Und du brauchst Menschen, du brauchst Gemeinschaft. Solidarität ist heute ein geflissentliches Wort dafür. Und das ist wichtig und gut so, denn als Einzelgänger hast du keine Chance, wenn du Zukunft haben willst.
Spüren Sie bei all diesen Gedanken etwas? Ich finde die Geschichte mit dem Schaf gar nicht so dumm und ich kann den Satz Einsteins nur unterstreichen: „Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein“. Und es wird für mich auch deutlich: Schafe sind alles andere als dumm – oder?

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Erstellt am: 23.10.2013 19:38 Uhr

Zündfunke, 21.10.13

Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Einen wunderschönen guten Morgen, Ihnen allen, liebe Schwestern und Brüder!
Es droht mehr als nur eine peinliche Szene zu werden: Da ist gerade Mal das halbe Hochzeitsfest gelaufen – und schon ist der Wein alle. Ja, Sie haben richtig gehört. Mitten im Fest gibt es keinen Wein mehr. Um Gottes Willen, was wird das denn für eine Ehe, wenn’s schon am ersten Tag nicht mal für alle reicht!? Nicht nur für das Brautpaar selbst ein Unglückszeichen erster Güte; mindestens so schlimm, als würde sich die Freundin der Braut versuchsweise den Trauring anstecken oder den Bräutigam umgarnen; schließlich wird sie nie einen solchen Mann bekommen… – Und jetzt also: Der Wein zu Ende. Wie unhöflich die zu ihren Gästen sind. Oder wenigstens: Ein ganz miserabler Partyservice… Und überhaupt: Wenn’s schon so anfängt, dann werden die beiden wohl nicht allzu lange zusammenbleiben.
Sie haben es wahrscheinlich schon geahnt – die Szene stammt aus der Bibel.  Und Sie wissen deshalb wahrscheinlich auch: das Brautpaar damals hat Glück. Jesus aus Nazareth ist einer von ihren Gästen; und der sorgt dafür, dass da Wasser zu Wein wird. Sogar besserer Wein als zuvor; und vor allem: genug für alle. Ein Wunder halt – wie immer man zu den biblischen Wundern auch stehen mag. Manche glauben ja nicht mehr an so was. Aber welche Ehe kommt schon ganz ohne Wunder aus?
Das erste Wunder ist für mich: dass sich da überhaupt zwei Menschen finden unter den vielen Millionen, ja Milliarden. Und dann: Dass sie wirklich den Mut haben, sich aufeinander einzulassen, total, mit Leib und Seele. Übrigens nicht nur still und heimlich, sondern öffentlich. Und was so alle gesehen haben und bezeugen können, das kann man nicht so leicht wieder ungeschehen machen. Deshalb ist jeder weitere Tag wieder ein Wunder: Wenigstens jeder Tag, an dem die beiden zusammen bleiben, statt auseinander zu gehen. Wo einerseits die Frau und der Mann natürlich ihr eigenes Leben leben, ganz ohne Frage – aber eben immer auch so, dass sie aufeinander zu leben. Mitunter kann das ganz schön schwierig sein. Wie viele Jahre solcher Wundererfahrung besitzen Sie? Erst ein paar Monate, ein paar Jahre oder gar schon Jahrzehnte? Egal, wie viele es auch sein mögen: Es ist ein Wunder – dies jeden Tag neu zu erleben. Das sollten Sie und ich nie vergessen. Und da beginnt man dann doch vielleicht an das Wunder mit dem Wasser zu glauben; jenem Wasser, das zu Wein geworden ist. Und wenn Sie heute Hochzeitstag haben und ihn nicht vergessen, dann ist das vielleicht auch schon wieder ein Wunder…

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Erstellt am: 21.10.2013 20:23 Uhr