Zündfunke, 14.12.13

Liebe Hörerinnen und Hörer,
es ist Samstag, die 2. Woche im Advent geht zu Ende. Ich weiß nicht, wie die Ihre verlaufen ist. Diese Adventswochen haben es ja einerseits in sich, und andererseits haben sie eine aufbauende Bedeutung. Das wird an ganz äußerlichen Dingen deutlich. Am Beginn jeder Woche zünden wir in unseren Kirchen und sicherlich auch in vielen Wohnungen und Häusern eine Kerze mehr auf dem Adventskranz an. Die Tage werden kürzer und das Licht, das es zu entfachen gilt, wird heller. Der Hamburger Pfarrer und Mitbegründer der Diakonie, Johann Hinrich Wichern, hat ihn für seine gefährdeten Jugendlichen, denen er im Rauhen Haus in Hamburg Heimat und Geborgenheit gab, als Helfer im Warten auf das Fest erfunden. Dieser 1. Adventskranz aber hatte nicht nur für jeden der 4 Adventssonntage eine große Kerze, sondern für alle Tage dazwischen eine etwas kleinere. Von Tag zu Tag steigerte sich das Licht, auch und gerade im Alltag, bis hin zum Heiligen Abend.

Adventszeit – Zeit des wachsenden Lichtes. Es wird eben nicht auf einmal hell. Nicht in der Gegend, wo die Geburt Jesu angekündigt wurde und dann auch geschah. Und es wird auch nicht auf einmal hell, wenn Menschen Dunkelheit zu spüren bekommen, in ihrer Umwelt oder sogar tief drinnen in ihnen selbst. Der Weg zum Licht, also zur Klarheit und auch zu einer Wärme, die tief von innen kommt, ist oft ein Prozess, der geduldig und manchmal auch mit langem Atem gestaltet oder erfahren werden kann und muss. In diesem Prozess kann eine Tugend eingeübt werden, die fast verloren gegangen ist: Die Geduld. Es gibt in den biblischen Texten zum Advent ein für mich wunderschönes Bild dafür:
Siehe der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und den Spätregen. Darauf kann man nur warten. Der ist im wahrsten Sinnen des Wortes ein Geschenk des Himmels.

Den Jugendlichen im Rauhen Haus in Hamburg half beim geduldigen Warten das tägliche Anzünden der Kerze mit den 4 großen als Zwischenziel. Adventskerzen als Helfer zur Geduld. Es wird eben nicht auf einmal hell und warm. Nicht in der Welt und auch nicht in uns ganz persönlich.

Johann Weingärtner, evang. Pfr. in Puerto de la Cruz

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Erstellt am: 12.12.2013 13:23 Uhr

Zündfunke, 13.12.13

Weihnachtsfeiern, liebe Hörerinnen und Hörer, finden in diesen Tagen reichlich statt. Natürlich auch in unseren Kirchengemeinden. Die Räume dafür sind festlich geschmückt, die Tische weihnachtlich dekoriert. Kuchen und andere Leckereien, Kaffe und vielleicht ein Punsch werden gereicht. Wenn es gut geht, gibt es neben dem Essen und Trinken und manch guten oder auch belanglosen Gesprächen ein kleines kulturelles Programm mit weihnachtlichem Charakter: Lieder, Geschichten, Gedichte.
Manchmal ist diese Veranstaltung nur ein gemütliches Beisammensein von Menschen, die in ganz unterschiedlichen Formen mit einander verbunden sind. Dann aber auch wieder so etwas wie ein Dankeschön an haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den unterschiedlichsten Bereichen.
Hin und wieder habe ich anlässlich von Planung und Durchführung von Weihnachtsfeiern mit einem leichten Seufzen derer, die dafür verantwortlich waren, gehört: Ach, wenn wir das doch auch wieder hinter uns hätten. Weihnachtsfeiern – eine notwendige Pflichtübung, fester Bestandteil der Saison. Aber was bleibt, was geschieht, wenn wir das alles hinter uns haben? Und was macht solch Weihnachtsbetrieb für einen Sinn, wenn er mit Seufzen unter einer nicht abzuwendenden Last verbunden ist?
So habe ich mich auch manchmal gefragt, als ich noch als Pfarrer in einer großen Gemeinde mit vielen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden tätig war. War ich nur noch der Esel, der manche Lasten bis hin zum Heiligen Abend zu tragen hatte, ähnlich dem, der die hochschwangere Maria nach Bethlehem schleppen musste?
Wie gestalten wir unseren Weg durch die Adventszeit bis hin zum großen Fest? Verstehen wir uns richtig. Es ist nichts dagegen einzuwenden, in diesen Wochen die Gemeinschaft unter adventlichen und weihnachtlichen Vorzeichen zu suchen und zu pflegen. Vermeiden aber können wir einen Aufwand, der Stress und Hektik verursacht. Begegnung, wie zwischen Maria und Elisabeth, wo es im wesentliche, die Zukunft betreffende Dinge geht, die sind wichtig und sinnvoll. Und vor allem, dass Zeit bleibt dafür, was über Maria später in der Weihnachtsgeschichte gesagt wird: Sie bewegte alle diese Worte in ihrem Herzen. Die Gute Nachricht von Freude und Frieden, beides von Gott geschenkt, die braucht den größten Raum in unseren Feiern. Sonst war es mal nur wieder stressiges oder oberflächliches Saisongeschäft.

Johann Weingärtner, evang. Pfr. in Puerto de la Cruz

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Erstellt am: 12.12.2013 13:21 Uhr

Zündfunke, 12.12.13

Liebe Hörerinnen und Hörer,
der 12. Dezember ist wieder ein Heiligengedenktag. Es ist der Todestag von Vicelin, dem Apostel der Slawen. Er ist einer der weniger bekannten Heiligen. Aber in der Kirche, die auf dem Boden des von ihm gegründeten Klosters steht, bin ich 13 Jahre Pfarrer gewesen. In Neumünster in der Mitte Schleswig – Holsteins, im 12. Jahrhundert zwischen den Herrschaftsbereichen der Sachsen und Slawen gelegen.
Der Bremer Erzbischof hatte ihn mit der Aufgabe der Mission in diese damals unwirtliche Gegend, die von Feindschaft und Hunger geprägt war, gesandt. Noch heute hängt im Rathaus der Stadt ein Bild, das ihn als Wohltäter und Lehrer der Armen zeigt. Für Arbeit sorgen, dadurch Nahrung schaffen und jungen Menschen Bildung ermöglichen, das war das Konzept Vicelins.
Ein Teich für Fischzucht wurde gebaut. Eine Mühle wurde errichtet für die ärmeren Bauern, die zu den Mühlenbesitzern der Fürsten kaum Zugang hatten, um Brotgetreide selbst zu mahlen. Und eine Klosterschule entstand.

Es gibt aus alter Zeit Vorbilder für die heutige. Überall in Europa mangelt es an Arbeit. Gesunde Nahrungsmittel sind ein Problem. Und über mangelnde Bildung wird häufig geklagt. Es ist alles nicht neu. Aber eines lerne ich von Vicelin. Der machte nicht nur Konzepte und politische Programme. Er handelte selbst. Natürlich nicht allein. Da waren die Chorherren seines Augustinerstiftes, die in den armen Landgemeinden der Umgebung mit den Menschen das tägliche, oft karge Leben teilten und ihre Erfahrung einbrachten. Da waren rund um das Kloster die Familien und Clans, die unter Feindschaft und Armut gelitten hatten. Die wurden motiviert, Neues zu wagen. Netzwerke nennen wir das heute. Wenn es sie doch mehr gäbe.
Vicelin war von seinem Glauben an den menschenfreundlichen Gott gehalten und geprägt. Die Verbindung zu den Menschen an der Basis hat er nie verloren, auch nicht als er später Bischof in Oldenburg in Ostholstein, dem späteren Bistum Lübeck wurde. Als er krank war und dem Tod entgegenging, kehrte er zu seinen Leuten vom Anfang zurück. Am 12. Dezember 1154 ist er dort gestorben und in einem einfachen Grab, keiner Bischofsgruft begraben worden.

Manchmal, wie schon bei Nikolaus am Montag, hilft Erinnerung an weit Vergangenes, liebe Hörerinnen und Hörer. Das kann sehr modern sein, weil es, wenn wir es denn ernst nähmen, Zukunft hat. Und um das, was Zukunft hat, geht es ja wohl auch im Advent.

Johann Weingärtner, evang. Pfr. In Puerto de la Cruz

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Erstellt am: 12.12.2013 13:19 Uhr

Zündfunke, 11.12.13

Heute werde ich, während Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, diesen Zündfunken hören, mit unserer Wandergruppe unterwegs sein. Wie fast immer wird es ins Gebirge gehen. Manchmal steile und enge Pfade wird es zu bewältigen geben. Dann aber wird als Belohnung ein faszinierender Blick über eine großartige Landschaft möglich sein. So ist das, wenn man übers Gebirge geht.
Ein altes Adventslied heißt so: Übers Gebirg Maria geht. Allerdings ist sie in keiner Wandergruppe unterwegs. Sie will ihre Kusine Elisabeth besuchen. Beide erwarten ein Kind. Und damit etwas ganz Großes. Zumal beide Kinder von großer Bedeutung sein werden: Johannes der Täufer und Jesus.
Wir wandern, um gemeinsam Natur zu erleben, vielleicht auch um etwas miteinander zu tun, uns näher kennen zu lernen, einander zu begegnen.
Maria ist auf ihrem Weg durchs Gebirge ganz auf Begegnung und Austausch aus. Zu diesem Zweck lohnt sich auch ein weiter und beschwerlicher Weg. Das alte Lied erzählt dann die Begegnung. Diese beiden Frauen, Elisabeth und Maria, bereiten sich gegenseitig vor auf das, was kommt. Zunächst werden da nur zwei Kinder geboren. Und es tut ja gut, wenn Schwangere sich gegenseitig stützen und beraten.
Heute sind bei solchen Gesprächen und Vorbereitungen ja auch die Väter dabei. Ist auch gut so. Sowohl Joseph als auch Zacharias, dem Vater Johannes des Täufers, wäre vielleicht manches an Ungemach und Überraschung erspart geblieben, wenn die beiden am Gespräch der Frauen teilgenommen hätten. Die wussten nun, was auf sie zukam. Eben keine ganz normale Geburt. Beide Söhne sollten etwas ganz besonderes werden im Plan Gottes mit den Menschen. Damit hatten beide Väter große Mühe.
Maria singt am Ende dieses alten Liedes: Mein Seel erhebt den Herrn und mein Geist freut sich über Gott, meinen Heiland. Joseph und Zacharias reagieren ganz anders. Der eine will sich aus dem Staub machen und dem andern verschlägt es die Sprache. Gute Begegnung hätte beides verhindern können. Die Frauen haben es vorgemacht.
Adventszeit, liebe Hörerinnen und Hörer, ist auch Zeit für gute Begegnungen, die Missverständnisse auflösen und Wege noch vorn aufzeigen können. Dafür lohnt sich gelegentlich auch ein weiter Weg, manchmal sogar übers Gebirge, ganz wort-wörtlich und auch im übertragenen Sinn.

Johann Weingärtner, evang. Pfr in Puerto de la Cruz.

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Erstellt am: 10.12.2013 18:34 Uhr

Zündfunke, 10.12.13

Vorgestern hatten wir bereits den 2. Advent, liebe Hörer und Hörerinnen. Für einen wie mich, der zum 1. Mal die Advents- und Weihnachtszeit auf den Canaren erlebt, ist diese Zeit bei diesem Klima etwas Neues. Äußere Gegebenheiten, die mit Advent zu tun haben, fallen weg. Keine Kälte, kein stehen mit dicker Kleidung auf Weihnachtsmärkten, kein Warten auf den ersten Schnee. Ähnliches erlebte ich zwar – aber doch wieder ganz anders – bei meinem Pfarrdienst in der Türkei.
Dort ein islamisches Land, hier christliche Prägung. Und dennoch, die Tannenbäume überall fehlen auch, dafür allerdings genieße ich die Pracht der Weihnachtssterne, an den Straßen in den Gärten auf den Plätzen. Wenn das Äußere fehlt oder so ganz anders ist, besteht die Chance zum Wesentlichen, zum Kern der Sache vorzudringen.
Der 2. Advent hat neben dem Warten, das für die gesamte Zeit ja von Bedeutung ist, die Erfahrung von lebensfeindlichen Ereignissen und Katastrophen und dem Umgang damit zum Thema. Beide können ja von Menschen gemacht sein, oder auch als Schicksal über uns herfallen. Und gelegentlich sind sie sogar ein unheilvolles Gemisch von beidem.
Dann machen Menschen die Erfahrung von Hilflosigkeit, manchmal auch Wut und Verzweiflung. Was hilft in solchen Situationen?
Das Evangelium des 2. Advent wagt die Aussage:
Wenn ihr das alles seht, steht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. Dahinter steht sicherlich der Glaube, dass nach allem Schrecken Gott bald eingreifen wird. Diese Hoffnung hat sich bis heute oft nicht erfüllt. Das ist für viele enttäuschend. Auch christliches Warten kann umsonst sein.
Und trotzdem entnehme ich diesem Bibelwort einen Gewinn. Kurz gesagt: Nicht liegen bleiben sondern aufstehen. Dass ich das als Gewinn betrachte, hat mit eigenen Erfahrungen zu tun. Ich habe bei anderen und auch bei mir Katastrophen erlebt, die zu Boden geworfen haben. Das ist auch nicht das Schlimmste. Das kann passieren und ist manchmal ganz natürlich. Aber dann wuchsen anderen und auch mir Kräfte zu, die uns aufstehen ließen. Manchmal ganz einfach durch gute Worte und Gesten von Weggefährten. Dann aber wieder auch geheimnisvoll als erfahrene göttliche Zuwendung. Am Boden liegen, ist nicht schlimm, manchmal sogar eine tief greifende Erfahrung. Nicht wieder aufstehen, das ist schlimm.
Mögen Ihnen, liebe Hörerinnen und Hörer, stets Kräfte zuwachsen, damit es gelingt.
Johann Weingärtner, evang. Pfr. In Puerto de la Cruz

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Erstellt am: 10.12.2013 18:33 Uhr

Zündfunke, 09.12.13

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,
vor ein paar Tagen, am 6.12.2013, haben wir den Nikolaustag gefeiert. Ich wurde dabei an meinen Aufenthalt bei der Christlichen Gemeinde Deutscher Sprache in der südlichen Türkei erinnert. Sie ist in einem Verein ganz und gar ökumenisch organisiert. Und der heißt natürlich Nikolausverein. Liegt doch die Stadt Myra, in der der Heilige im 4. Jahrhundert Bischof war, etwa 100 km südlich von Antalya am Mittelmeer. Nikolaus von Myra hat eigentlich recht wenig mit den Nikoläusen und ihren merkwürdigen Mänteln und Kapuzen in den Einkaufsstraßen zu tun. Die stammen übrigens aus einer frühen Coca-Cola- Werbung. Nikolaus wird richtig im Bischofsornat dargestellt. Und wenn ich als Pfarrer am Nikolaustag mit Kindern und Eltern gefeiert habe, dann habe ich das auch getragen.
Und was war er für ein Bischof! Hier nur einige Hinweise, die für ihn kennzeichnend sind.
Weil er 2 Mädchen davor bewahrte, aus Armutsgründen in die Prostitution verkauft zu werden, gilt er als Lebensretter der Kinder. Und weil er das Geld, das die Eltern für die Mädchen zu erzielen hofften, durch ein offenes Fenster in deren Schlafzimmer warf und es dort in den Schuhen landete, stellen Kinder bis heute einen Stiefel vor die Tür.
Er kümmerte sich während einer Seefahrt, als ein Sturm das Unternehmen bedrohte um die Mannschaft und legte Hand mit an. Beten und Zupacken, dafür steht Nikolaus.
Und als Hungersnot seine Stadt Myra heimsuchte, gelang ihm durch geschicktes Verhandeln die Beschaffung von Brotgetreide.
Nur drei kleine Beispiele. Nikolaustag ist mehr als „Lustig, lustig, trallalalala“ und gutes Geschäft.
Wir werden erinnert an tragende christliche Verhaltensweisen:
Kindern eine lebenswerte Zukunft ermöglichen, sie in die Mitte unseres Handelns stellen.
Betende Hände müssen nicht untätig im Schoß landen, sondern können kräftig zupacken.
Christ Sein bewährt sich auch und gerade mitten in der Welt, greift helfend ein in Politik und Handel ein, wenn das Wohl der Menschen in Gefahr ist.
Manchmal tut es gut, sich an Ursprünge zu erinnern, auch und gerade bei der Bedeutung des Nikolaustages.
Johann Weingärtner, evang. Pfr. In Puerto de la Cruz

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Erstellt am: 10.12.2013 18:30 Uhr

PREDIGT – TEXT : OFFENBARUNG 3, 7-13

Und dem Engel der Gemeinde in Philadelphia schreibe: Das sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der da hat den Schlüssel Davids, der auftut, und niemand schließt zu, der zuschließt, und niemand tut auf:
8 Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, und niemand kann sie zuschließen; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet.
9 Siehe, ich werde schicken einige aus der Synagoge des Satans, die sagen, sie seien Juden, und sind’s nicht, sondern lügen; siehe, ich will sie dazu bringen, daß sie kommen sollen und zu deinen Füßen niederfallen und erkennen, daß ich dich geliebt habe.
10 Weil du mein Wort von der Geduld bewahrt hast, will auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die kommen wird über den ganzen Weltkreis, zu versuchen, die auf Erden wohnen.
11 Siehe, ich komme bald; halte, was du hast, daß niemand deine Krone nehme!
12 Wer überwindet, den will ich machen zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes, und er soll nicht mehr hinausgehen, und ich will auf ihn schreiben den Namen meines Gottes und den Namen des neuen Jerusalem, der Stadt meines Gottes, die vom Himmel hernieder kommt von meinem Gott, und meinen Namen, den neuen.
13 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!

Liebe Gemeinde ,
eine offene Tür haben, um in die Freiheit zu gelangen oder besser noch – den Schlüssel haben, der verschlossene Türen öffnet – das ist ein riesiges Vorrecht.
Vielleicht hat sich Sabine B. aus Darry mit ihren fünf Kindern das ja auch gewünscht. Eine offene Tür, durch die frische Luft zum Atmen und Aufatmen hereinkommt, oder durch die man hindurchgehen kann, um die Sonne wieder scheinen zu sehen. Einen Schlüssel in die Hand bekommen, um all das Verschlossene, Verbarrikadierte vor allem aber die zugemauerte Seele aufzuschließen, eine Öffnung nach vorne zu finden.
Mag sein, dass da auch die Suche nach einem Heiligen, zumindest aber wohl Wahrhaftigen war, der von außen aufschließt und ermutigt, sich von innen zu öffnen. War wohl keine Tür mehr zu sehen und kein Schlüssel zu finden. Und wenn das so ist, dann kann man im wahrsten Sinne des Wortes nur noch ersticken, erst seelisch dann körperlich und die andern werden einfach mitgerissen. Hinter verschlossenen Türen lauert der Tod, zuerst der soziale, dann der leibliche. Manchmal und oft, ja viel zu oft, entsetzlich grausam. Und wie es aussieht wird Sabine B. wohl hinter verschlossenen Türen enden.

Szenenwechsel

Vielleicht wünscht sich der eine oder die andere in dieser Zeit, da wir singen Macht hoch die Tür, die Tor macht weit – und – reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab wo Schloß und Riegel für, eine solch offenes Tor und den Schlüssel für das einsperrende Schloß :

der oder die Süchtige in der Phase der Entgiftung – ich war in dieser Woche mal wieder im Fachkrankenhaus zu Besuch – im Blick auf die nachfolgende Therapie; für die einen die erste, für andere bereits die 2. oder 3. oder noch mehr. Da keimt die Hoffnung, dass sich für die Zukunft ein Schlüssel finden lässt, der Türen öffnet und da nagt auch die bittere Enttäuschung am Herzen, dass es in der Vergangenheit nicht geklappt hat mit der Freiheit von dem Rauschgift, dem Alkohol, der Tablette und wie die Suchtmittel alle heißen.

Vielleicht wünscht sich der eine oder die andere in dieser Zeit, da wir singen
Macht hoch die Tür, die Tor macht weit – und – reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab wo Schloß und Riegel für, eine solch offenes Tür und den Schlüssel für das einsperrende Schloß :

der Politiker – die Politikerin, die mit den Zukunftsfragen beschäftigt sind bei der Klimakonferenz in Bali oder ganz einfach über den Jahreshaushalt im Ministerbüro gebeugt. Da wird ja oft der mit vielen Worten beschworene Durchbruch versucht – ein Tor in der Mauer. Und dann kommen sie von allen Seiten – in der Regel die Interessenvertreter – und verstellen die Öffnung, wollen vorher die eigene Freiheit sicherstellen. Das geht meist auf Kosten der Freiheit der anderen. Und wenn die sich alle zusammentun, dann ist das Tor ganz schnell wieder verschlossen oder so klein geworden, das kaum noch etwas geht. Wo ist der Schlüssel ? Wo der Heilige, der Wahrhaftige, der aufschließt und niemand schließt zu ?

Vielleicht wünscht sich der eine oder die andere in dieser Zeit, da wir singen
Macht hoch die Tür, die Tor macht weit – und – reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab wo Schloß und Riegel für, eine solch offenes Tür und den Schlüssel für das einsperrende Schloß :

die Kirchenleute in Synoden und Dezernaten, Vorständen und Arbeitsausschüssen, Lenkungsgruppen und was es sonst noch für Gremien geben mag in dieser unserer Kirche, wenn sie unser Nordelbien und nun wohl auch noch im Verbund Mecklenburg und Vorpommern zukunftsfähig machen wollen. Zukunftsfähig, das ist so ein Begriff aus der Personal – und Organisationsentwicklung.; stammt weniger aus der Bibel als aus entsprechender Fachliteratur. Da ist die Rede von Schlüsselfaktoren erfolgreichen Vorgehens, auch von Schlüsselpersonen also Menschen die öffnen können. Aber das ist nicht der Schlüssel Davids – der steht für die Zukunftsverheißung Gottes – und das sind wohl auch keine Heilige – vielleicht Wahrhaftige ? Sie kommen aus der Schule der Unternehmensberater – haben vielfach Eingang gefunden in unsere Kirche. Nun sei es, wie es ist – gelegentlich sind die Kinder der Finsternis – also dieser Welt – ja klüger als die Kinder des Lichtes, so sagt es ja schon Jesus. Dennoch : Fragen müssen erlaubt sein an diesem 2. Advent mit diesem Bibeltext aus der Offenbarung des Johannes zur Predigt.

Und dieser Text fährt, nachdem er den Ansprechpartner dieses Sendschreibens an eine kleine Gemeinde in Kleinasien – der heutigen Türkei, als den heiligen und wahrhaftigen Türöffner vorgestellt hat, nun mit einer Diagnose des Ist – Zustandes dieser Stadtgemeinde Philadelphia fort. Eine Stadt, die schon mal größere Bedeutung hatte und einer Gemeinde, der es wohl auch schon mal besser ging. Husum und Marien lassen grüßen. Übrigens – wenn es an die tatsächliche Umgestaltung in Richtung Zukunftsfähigkeit von Organisationen geht, dann fangen dort die Fachleute auch mit der Organisationsdiagnose an. Vielleicht können wir ja doch von einander lernen.

Wie sieht die nun in Philadelphia aus ? Da gibt es eine offene Tür und die darf keiner zuschlagen. Und da gibt es eine kleine Kraft, die sich darin zeigt, dass die Gemeinde das Wort Gottes bewahrt und sich in Geduld geübt hat. Große Anfechtung hat diese Gemeinde erlebt und wird sie auch noch weiterhin erleben. Es gibt Widersacher – die Synagoge des Satans werden sie genannt. Ein in der Geschichte übrigens oft schändlich missbrauchter Begriff im Blick auf das gesamte Judentum bis hin zu christlichen Pogromen für jüdische Mitbürger. Ja, gar bis hin zu Rassenhass und grausamer Vernichtung.

Natürlich hat es in der Urchristenheit große Auseinandersetzungen gegeben zwischen jüdischer Synagoge und junger christlicher Gemeinde. Aber der Sprecher in diesem Brief sieht als Ziel nicht deren Vernichtung, ganz im Gegenteil : In geschwisterlicher Vereinigung. Sie sollen erkennen, dass ich dich geliebt habe.

Das also ist die Diagnose :
eine offene Tür
eine kleine Kraft
Festhalten an Gottes Wort und Üben in Geduld.

Und nun wird keine Umsteuerung in eine andere Richtung angezeigt. Es werden keine neuen Ziele gesteckt, schon gar nicht aufoktruiert. Es wird kein großes Bild einer zukunftsfähigen Kirche entworfen. Die Perspektive heißt : Halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme. Mehr braucht Kirche anscheinend nicht als eine offene Tür, eine kleine Kraft, Festhalten am Gotteswort und üben in Geduld.
Das soll genug sein ? Vielleicht oder sicherlich reicht es für eine Gemeinde, die davon ausgeht, dass der Herr sowieso bald wiederkommt : Siehe, ich komme bald. Und dann deuten die Pfeiler in dieser Kirche nicht mehr nur daraufhin, dass die geduldigen Überwinder tragende Säulen der Kirche sind, und dann ist das Portal am Eingang der Marienkirche und hinter Kanzel und Altar nicht mehr nur Sinnbild, sondern gelebte und erfahrene Wirklichkeit. Aber ist diese Gemeinde im 1. und 2. nachchristlichen Jahrhundert zu vergleichen mit einer verfassten Volkskirche am Anfang des 21. Jahrhunderts ?
Ungebrochen über den garstigen Graben der Geschichte hinweg in der Tat nicht.
Aber in seinen Grundaussagen, seinen Essentials schon. Wir brauchen wohl andere Formen der Organisation als die Leute in Philadelphia. Aber was uns trägt und der tiefste Hintergrund unseres Handelns ist, da muß – nein, da darf sich nicht ändern.
1. Wir sind gehalten und getragen von einem Gott, der uns offene Türen schenkt und von sich aus aufschließend und die Gegenwart und die Zukunft öffnend auf uns zugeht.
2. Wir haben nur eine kleine Kraft. Allmachtsphantasien und Würde einflößendes Gehabe überlassen wir getrost den Machern und Managern, obwohl es auch denen nicht gut zu Gesichte steht.
3. Ohne geduldiges und immer wieder eingeübtes Hören auf Gottes Wort geht gar nichts.

Und dann kann es passieren, dass im Geiste Jesus, des mitleidenden und Leben spendenden Bruders und Herrn, sich manche Tür auftut und manches Schloß sich öffnet. Und dann müssen wir vielleicht nicht nur lesen, dass in Lütjenburg ein Gedenkgottesdienst stattfindet – und der ist ausgesprochen wichtig – sondern vielleicht, dass kirchliche Mitarbeitende eine Familie aufgesucht haben, die schwer bedroht war und die nun Hilfe und neue Luft zum Atmen erfuhr.

Dann sind die Augen offen für all die vielen, die an den Abhängigkeiten leiden, die sie knechten. Und es finden sich Weggefährten, die nicht alles den dafür vorgesehenen Einrichtungen überlassen, sondern den Weg der Betroffenen teilen, wenn er gefährlich wird.
Dann wird auch mal – kräftig mit der kleinen Kraft – das Wort genommen, um die nur auf Eigennutz bedachten in die Verantwortung zu rufen mit der Erinnerung daran, dass die Erde des Herrn ist und alle, die darauf wohnen , berufen sind, seine Kinder zu sein.
Dann wird auch in unserer Kirche in der dieser Zeit der Umbrüche und der Verwerfungen nicht die Hoffnung sterben, dass der Himmel einst neu wird und auch die Erde. Da ist noch ein Tor offen. Und jedes Mal, wenn wir uns um den Altar zum Mahl des Herrn scharen, dann haben wir es vor Augen : Macht hoch die Tür, die Tor macht weit und : O Heiland reiß die Himmel auf, reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab, wo Schloß und Riegel für. Amen

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Erstellt am: 10.12.2013 18:28 Uhr

Zündfunke, 08.12.13

Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Einen wunderschönen 2. Advent wünsch’ ich Ihnen, liebe Schwestern und Brüder!
Heute brennt also bereits die zweite Kerze am Adventskranz oder auch dem Adventsgesteck. Ich weiß nicht, wie es ihnen dabei geht; aber ich mag das Licht und die Wärme der Kerze, auch wenn das hier auf Teneriffa vom „feeling“ her vielleicht noch etwas anders ist als zu Hause im Deutschsprachigen Raum. Aber das Empfinden, dass die Dunkelheit nicht ganz verschwindet, wie das sonst beim Neonlicht der Fall ist, das ist schön. Ich denke, es stimmt schon: Eine Kerze ist ein Gegenpol gegen Dunkelheit und Kälte.
Die Liebe ist eigentlich ähnlich. Sie wärmt auch und macht hell. Sie ist auch nicht überall, aber ohne sie…? Vielleicht ist ja die Liebe das schönste und auch das stärkste Stück vom Paradies, das Gott uns gelassen hat. Ein Stück Himmel auf Erden. Wer die Liebe verliert oder wer sie nie erlebt hat, der ahnt was die Hölle auf Erden ist. „Die Liebe ist stark wie der Tod… Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des Herrn“, heißt es in der Bibel.
Manchmal kann so eine Flamme zwischen zwei Menschen auch ausgehen, ähnlich wie eine Kerze, die heruntergebrannt ist. Aber nicht einmal dann verschwindet letztlich die Liebe, sie verändert sich nur: Sie wird zur Sehnsucht die in den Menschen weiter glüht, bei denen die Flamme erloschen ist. Ich finde es daher ein schönes Bild, dass die Bibel von der feurigen Glut der Liebe spricht und nicht vom reinen Feuer. Weshalb? Weil das einfach realistischer ist. Liebesfeuer auf Dauer, das hält doch niemand aus. Aber als Glut kann sie dauern. „Glut, die wärmt“, auch wenn man sich verändert. Die Liebe ist in mir – und sei es nur als Sehnsucht. Das ist das Schöne an ihr. Sie kann tiefer und leiser werden, manchmal sogar unsichtbar. Aber sie kann jederzeit neu erstehen.
Und noch was: Liebe ist mehr als ein Gefühl. Es ist schade, dass Liebe so oft mit romantischen Gefühlen gleich gesetzt wird. Liebe, die dauert, ist praktisch und konkret. Und genau das wird oft übersehen oder unterschätzt. Was halten Sie denn von einem Menschen, der von sich behauptet „Ich liebe meine Blumen“ und der sie dann verdorren lässt? Genau so lebt die Liebe eben auch von praktischen Gesten und Taten, die wärmen und erhellen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen einen liebevollen und vor allem zeichenhaft-gestenreichen 2. Advent!

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Erstellt am: 09.12.2013 18:38 Uhr

Predigt zum 2. Advent 2013 (08.12.)

Lesung: Jes 11, 1-10 / Evangelium: Mt 3, 1-12
Schwestern und Brüder!
Der schwäbische Philosoph und Schriftsteller Rüdiger Safranski hat vor ein paar Jahren einen vielbeachteten Artikel im SPIEGEL unter der Überschrift herausgebracht: „Und Gott ist doch nicht tot!“ Dabei hat er die These vertreten, dass das Christentum zwischenzeitlich von einer heißen zu einer kalten Religion verkommen sei, die sich nur noch auf das Diesseitige des Lebens einlasse. Unter einer heißen Religion verstehe er aber „eine Religion, die auf eine Erlösung von dieser Welt setzt…Für die heiße Religion bedeutet nämlich ein In-dieser-Welt-Sein nichts anderes, als In-der-falschen-Veran-staltung-Sein. Deshalb ist das Herzstück einer heißen Religion eben auch die Erlösung von genau dieser Welt.“
Nun ist die zentrale Figur des heutigen Evangeliums, Johannes der Täufer, zweifellos der Vertreter einer solch „heißen Religion“ wie Safranski sie beschreibt. Denn in dieser merkwürdig schroffen und asketisch daherkommenden Gestalt, da tritt uns ein Mann entgegen, der spürt und der auch bis in die letzten Fasern seiner Existenz hinein erfahren hat: Mein Leben wird dann reich, wenn ich es bedingungslos Gott zur Verfügung stelle; wenn ich die Menschen daran erinnere, worauf es letztlich ankommt; wenn ich ganz die „Stimme“ meines Herrn bin. Genau so, wie ein Frank Sinatra wegen seiner dahin schmelzenden Stimme nur „the voice“ genannt wurde, so könnten wir auch Johannes den Täufer in etwa so charakterisieren: Er ist die adventliche Stimme schlechthin, von der es schon beim Propheten Jesaja heißt: „Eine Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg!“ Nur weil Johannes diese Gottverbundenheit in sich trug und sie an andere weitergeben wollte, klang seine Bußpredigt so radikal und unerbittlich: „Ihr Schlangenbrut…“ Dazu noch das von ihm gebrauchte Bild, das einen selber trifft wie einen Hieb: „Schon ist die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen.“
Allerdings missverstehen wir den Täufer ganz gewaltig, wenn wir in ihm nur den dreinschlagenden Bußprediger sehen, den unnachsichtigen Gerichtspropheten, dessen Ziel es einzig und allein ist, uns „die Hölle heiß zu machen“. Vielmehr kommen diese schrillen Töne aus dieser, seiner leidenschaftlichen Überzeugung heraus die besagt: Wir Menschen verfehlen unser Leben, es bleibt arm und wird krank, wenn wir uns nicht mit allen Konsequenzen für Gott entscheiden und ihm den ersten Platz in unserem Leben einräumen. Eine Moralpredigt in Vollendung. Nur, das wissen wir alle selbst, eine Moralpredigt allein, die bleibt zu sehr an der Oberfläche und bewirkt allenfalls ein schlechtes Gewissen – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Wirklich verändern aber kann und tut sie nicht wirklich.
Deshalb finde ich es auch nicht gut, dass viele Christen das Evangelium nur als eine solch reine Moralpredigt verstehen. Ich halte das sogar für eine sehr gefährliche Schlagseite, eine Vereinseitigung, die leider Gottes lange genug von der Kirche selbst betrieben wurde und auch in so manchen Verlautbarungen bis auf den heutigen Tag zu beobachten ist. Wirklich wohltuend unterscheidet sich davon jetzt allerdings das apostolische Schreiben „Evangelii gaudium“ von Papst Franziskus, welches er am 24. November zum Abschluss des „Jahres des Glaubens“ veröffentlicht hat. Es bringt eine ganz neue und andere Sichtweise ins Spiel, auf die ich später noch eingehen möchte. Aber deutlich wird für mich durch dieses Schreiben, dass Franziskus vielmehr auf die Sichtweise Jesu, als auf die des Täufers eingeht. Denn Jesus überbietet die Forderung des Johannes, in dem er nicht nur zur Umkehr, sondern zum Glauben aufruft: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“, wie es beim Evangelisten Markus heißt. Mit diesen Worten beginnt Jesus bei ihm sein öffentliches Wirken. Nun können natürlich manche zu Recht sagen: Aber Jesus predigt doch auch die Umkehr – und diese Erkenntnis ist alles andere als fasch. Nur: bei ihm ist diese Umkehr die Antwort des Menschenauf die Hinkehr, also die Hinwendung Gottes zu uns. Weil das Reich Gottes nahe ist; weil Gott sich längst auf den Weg zu uns Menschen gemacht hat, genau deshalb soll der Mensch bzw. kann der Mensch seinem Leben eine andere Richtung geben. Oder anders gesagt: Für Johannes ist die Umkehr die Voraussetzung dafür, dass Gott sich uns zuwendet; für Jesus dagegen ist die Umkehr die Konsequenz, die seine Jünger aus dem Glauben an die Nähe Gottes ziehen sollen. Das ist aber ein gewaltiger Unterschied – meinen Sie nicht auch?
Kommen wir aber noch einmal auf den eingangs erwähnten Vorwurf des Philosophen Safranski zurück, dass das Christentum eine kalte Religion geworden sei, weil es sich nur noch um das diesseitige des Lebens kümmere. Dabei macht er der Kirche und uns Christen den Vorwurf, dass uns der wirkliche Gottesbezug verloren gegangen wäre und das Christentum nur noch aus einem Gemisch von Sozialethik, Psychotherapie, Meditationstechnik und Sozialarbeit bestehen würde. Übrigens ein Vorwurf, den auch katholische Hardliner in Form der Priesterbruderschaft Pius X. und andere dem heutigen Papst in derselben Form machen. Nur macht dieser – wie vielleicht keiner seiner Vorgänger – in dieser Eindeutigkeit deutlich, dass die christliche Wahrheit das ganze Leben erfassen und verwandeln will. Bei ihm gibt es keine Trennung der Wertsphären, sondern bei seiner Sichtweise geht es ihm – wie Jesus – ums Ganze, sowohl beim Glauben an Gott, als auch bei der Umsetzung dessen, was die frohe Botschaft Gottes für uns Menschen sein will.
Deshalb nennt Franziskus sein Apostolisches Schreiben auch die „Freude
des Evangeliums“. Und darin sagt er wörtlich, dass ihm eine „verbeulte Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen und auf die Menschen zu gegangen ist, viel lieber sei als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und Bequemlichkeit krank geworden ist.“ Zurzeit Jesu war die Freude am Religiösen wegen der vielen Vorschriften und Bedingungen ähnlich armselig geworden wie heute. Gerade deshalb aber haben die Menschen sich förmlich nach einer Botschaft gesehnt, die ihnen die Freude am Glauben und somit auch den Glauben an Gott selbst wieder schmackhaft macht und zurückbringt. Sie wollten wieder – und da greife ich gerne ein Bild von Johannes auf – „brennen“ und begeistert sein für diesen Gott, der sie auf dem langen Weg der Geschichte Israels als ein Gott begleitet hat, der für sie da ist und für sie einsteht.
Eine solche Begeisterung will auch Papst Franziskus wieder in unserer Kirche, im gesamten Christentum wecken; wir sollen wieder eine „heiße Religion“ werden, die sich allerdings nicht zurückzieht und allein Gott im Gebet huldigt, sondern die in und wegen ihrer engen Gottverbundenheit diese Welt verändern und neu gestalten kann. Eine Religion die lernt, neu auf die Menschen zuzugehen, um ihnen die Liebe Gottes näher zu bringen und zu verdeutlichen. Diese Liebe aber wird von den Menschen ganz unterschiedlich erfahren und deshalb ist es für mich auch eine befreiende Feststellung, wenn Papst Franziskus zitiert, was Johannes XXIII. bei der Eröffnung des 2. Vatikanischen Konzils hervorgehoben hatte: „Die Ausdrucksform der Wahrheit kann sehr vielgestaltig und vielschichtig sein. Doch die Erneuerung dieser Ausdrucksformen erweist sich als notwendig, um die Botschaft vom Evangelium in ihrer unwandelbaren Bedeutung an den heutigen Menschen weiterzugeben.“
 Genau das, was der unvergessliche Konzilspapst wollte, wurde nach sei-
nem Tod aber schnell wieder unter den Tisch gekehrt. Begriffe wie Barm
herzigkeit oder auch Freiheit und Liebe wurden argwöhnisch von den Glaubenshütern beobachtet und vielfach reglementiert, wenn wir an das Berufsverbot – sprich den Entzug der Lehrerlaubnis oder des Priesteramtes – so mancher Theologen denken. Doch Franziskus sagt heute: „Jesus Christus kann und will auch die langweiligen Schablonen durchbrechen, in denen wir uns oft anmaßen, ihn gefangen zu halten.“ Und noch deutlicher sagt er: „Jedes Mal, wenn wir versuchen zur Quelle zurückzukehren und die ursprüngliche Frische des Evangeliums wiederzugewinnen, tauchen neue Wege, kreative Methoden, andere Ausdrucksformen für die Welt von heute auf.“ Genau das also, was der Papst anbietet: Suche nach neuen Wegen, kreative Methoden, aussagekräftige Zeichen, all das war bislang – gelinde gesagt – verdächtig, wenn nicht gar ketzerisch und häretisch. Und das Interessante dabei: Diese neuen Wege, Methoden und Zeichen betet uns der Papst jetzt nicht etwa vor, sondern er überlässt sie uns. Wir alle sind nach seiner Auffassung gefordert, adventliche Menschen zu werden und zu zeigen, was wir in unserem Glauben verstanden haben und wie wir ihn leben wollen. Nicht starre Katechismussätze sind gefragt, sondern lebendige Christen und lebendige Gemeinden.
Das Schreiben des Papstes an uns Katholiken, ja an alle Christen in der Welt, erscheint mir wie ein großes Hoffnungszeichen: Wir werden darin bestärkt, unseren Glauben aus der privaten Frömmigkeit herauszuholen und uns vom Feuer des Evangeliums anstecken zu lassen. Denn wo das Evangelium gelebt wird, da ist Jesus drin – das allein zählt und das macht aus einer kalten vielleicht nicht unbedingt gleich eine heiße, aber doch zumindest eine wärmend-wohltuende Religion in dieser Zeit. Amen.

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Erstellt am: 09.12.2013 18:36 Uhr

Zündfunke, 07.12.13

Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Einen wunderschönen guten Morgen, verehrte Schwestern und Brüder!
„Ach, ich bin doch alles, bloß kein Mensch mehr“, stöhnt sie. Sie hängt die Jacke an die Garderobe und stellt die Schuhe darunter. „Was bist du dann?“, fragt er zurück. „Was weiß ich, Packesel, Einkaufsroboter, Putzlappen. Alles, aber kein Mensch.“ Solche Stoßseufzer aus dem Alltag werden schnell überhört, bergen aber tiefe Wahrheiten. Klar, dass zum  Mensch-Sein viel mehr gehört als nur das Funktionieren in der Rolle, die man gerade innehat. Klar ist aber auch, dass es gar nicht so einfach ist, das auch für sich in Anspruch zu nehmen.
Mensch-Sein, das hat für mich ganz viel mit dem derzeitigen Advent zu tun. Sich etwas Gutes tun, Zeit haben, mit anderen den Weihnachtsmarkt besuchen und Glühwein trinken, am warmen Ofen sitzen. Ja, das ist ein Teil davon. Aber es gibt noch mehr und das geht tiefer.  Der Schriftsteller Heinrich Böll hat das einmal so formuliert: „Es gibt für mich den Menschgewordenen. Und weil der den Menschen, jeden Menschen ernst nimmt in all seinen Dimensionen, muss ich das gleiche tun.“ Man muss sich das klar machen: Böll hat ein Deutschland erlebt, in dem Millionen Menschen das  Mensch-Sein einfach abgesprochen wurde. Juden, Zigeuner, Behinderte, das waren keine Menschen und deshalb wurden sie beseitigt. Das hat Böll zu einem radikalen Humanisten gemacht.
„Es gibt für mich den Menschgewordenen.“ Dieses Bekenntnis Heinrich Bölls kann man groß über die gesamte Adventszeit schreiben, denn es beschreibt genau das, was Advent ist: nämlich die vollständige Zulassung der Menschlichkeit. Die Christen haben den Advent ja gerade deshalb erfunden, weil so ein unerhörtes  Ereignis, dass Gott an Weihnachten Mensch wird, nicht ohne eine besondere Vorbereitungszeit auskommen kann. Und wenn Gott Mensch werden will, dann sollte uns das auch möglich sein. Dazu gehört, dass ich in den Verkäuferinnen und Schalterbeamten, den Untergebenen und Vorgesetzten, den Schülern und Lehrern, nicht nur Rollen und Funktionen sehe. Advent ist es, wenn ich die Menschen sehe, die mir begegnen. Die Psychologen sagen, dass mit dem Urteil über andere auch das Dunkel in der eigenen Person mit verurteilt wird. Dadurch wird dieses eigene Dunkel nur noch verstärkt. Wenn ich mal versuche, in den anderen vorurteilsfrei nur den Menschen zu sehen, könnte das also dabei helfen, selbst Mensch sein zu können. Sozusagen das Erlebnis eines inneren Advents.

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Erstellt am: 08.12.2013 12:31 Uhr