Zündfunke, 14.04.14

Liebe Hörerinnen und Hörer,
mit dem gestrigen Palmsonntag begann die Stille Woche, oder die Karwoche. Sie ist geprägt vom Gründonnerstag, an dem wir an die Einsetzung des Abendmahls erinnert und dem Karfreitag, an dem die Kreuzigung und der Tod Jesu uns vor Augen gestellt werden. Unsere anglikanischen Mitchristen reden von der Holy Week, der heiligen Woche. Und wer die Deutschen Zeitungen auf der Insel liest oder gelesen hat, der fand und findet eine ganze Seite mit Hinweisen auf Veranstaltungen, Gottesdienste und Prozessionen der verschiedenen christlichen Kirchen zu den genannten Anlässen.
Trotz mancher Tendenzen, die eher für eine sich entkirchlichende Gesellschaft sprechen, haben die genannten besonderen Tage im Kirchenkalender wohl auch oder immer noch eine besondere Anziehungskraft. Weshalb?
Vielleicht weil es in dem Geschehen von Gründonnerstag und Karfreitag und dem darauf folgenden Osterfest um die elementarsten Dingen unseres Lebens geht:
Um Tod und Leben.
Um Gemeinschaft und Trennung.
Um Streit und Versöhnung.
Auch und gerade Schuld und Vergebung.
Diese Themen machen diese Woche bedeutungsschwer. Und eigentlich kann sie nur Gleichgültigen, die lieber das Oberflächliche lieben, und die wesentlichen Inhalte des Lebens damit verdrängen, gleichgültig sein. Ich lade Sie in dieser Woche bis hin zum Ostersonntag mit meinen Zündfunken ein, uns diesem Wesentlichen und manchmal wohl auch schwer zu begreifenden Elementen des Lebens anzunähern. Die Stille Woche braucht wohl die Zeiten der Stille, wenn wir nicht im Lärm ersticken wollen. Der Begriff Karwoche leitet sich vom althochdeutschen Wort Kara her, das so viel meint wie Kummer und Klage. Wir müssen auch den Kummer und die Klage zulassen können: Über die Welt, in der wir leben und in der so viel in Unordnung ist. Wie müssen Menschen, besonders wohl auch die Christen in Syrien und der Ukraine und anderswo diese Woche erleben und gestalten? Grund zu Kummer und Klage mehr als genug.
Aber es geht auch um ganz persönlichen Kummer und daraus resultierende Klage. Wohin mit schwer Erlebten aus vergangenen Tagen? Wohin mit eigenem Versagen und zu verantwortender Schuld? Wohin mit einer vielleicht gekränkten und aufgescheuchten Seele?
Auf diese Fragen antwortet Johann Sebastian Bach in einer seiner großen Passionen: Nach Golgatha! Kann das, liebe Hörerinnen und Hörer, der Ort der Entlastung sein oder werden?
Wir werden sehen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine gute Woche.

Johann Weingärtner, Pfr. Der Evangelischen Kirchengemeinde Teneriffa Nord

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Erstellt am: 14.04.2014 19:26 Uhr

Familienoper

Ópera de Tenerife stellt einen neuen Operntag für die Kleinsten vor, das heißt: für das gesamte Publikum, um in der Familie die Liebe zur Musik zu wecken. Es wird die Adaption des Werkes von Massanet „Don Quijote“ geboten, die von einer konkreten Episode des
Lebens des geistreichen Ritters handelt. Ein Abenteuer, das er zusammen mit seinem Schildknappen, den faulen Sancho Panza erlebt, um die Ehre seiner Dame Dulcinea wieder herzustellen.
Vom 26. bis zum 27. April 2014 im Auditorio de Tenerife (Santa Cruz).

Infos unter: www.auditoriodetenerife.com

Erstellt am: 13.04.2014 17:17 Uhr

Zündfunke, 13.04.14

Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Es gibt im katholischen Kirchenjahr nur einen Tag, verehrte Schwestern und Brüder, an dem uns in einem Gottesdienst gleich zwei verschiedene Evangelien vorgetragen werden – das ist der heutige Palmsonntag, mit dem die Heilige Woche – die Semana Santa – die Karwoche beginnt. Schon oft bin ich da auch von Mitfeiernden gefragt worden: Ja, muss das denn sein? Kann man es nicht beim Jubel zu Beginn der Karwoche belassen? Weshalb muss
denn an diesem Tag auf den Jubel auch noch sofort die Leidensgeschichte folgen?
Zugegeben: Es ist eine mehr als berechtigte Frage, an der auch ich lange herum überlegt habe. Doch zwischenzeitlich ist mir klar und bewusst geworden: Der Palmsonntag ist und bleibt ein Tag voller Widersprüche. Ein Tag, der uns zeigt, wie das Leben eben oft so ist. Ein Tag, der uns mitunter auch die Abgründe unserer eigenen Herzen erschreckend und schonungslos ans Tageslicht fördert.
Zunächst ist da ja die Begeisterung, die dem heutigen Sonntag auch seinen Namen eingebracht hat. Mit Palmzweigen in den Händen rufen die Menschen laut: „Hosanna! Gesegnet sei der, der da kommt im Namen des Herrn, der Königs Israels!“Doch dann die Wende, die Umkehr, der radikale Widerspruch. Jene, die da gerufen hatten: „Hosanna, dem Sohne Davids!“, die riefen nur wenig später: „Wir haben keinen anderen König als den Kaiser. Weg mit ihm, kreuzige ihn.“ Ja, so ist der Mensch. So sind auch wir manchmal, ob wir das nun wirklich wahrhaben wollen oder nicht. Heute so – morgen so. Der Palmsonntag, ist er vielleicht sogar ein Spiegelbild meiner selbst?
Wir feiern Palmsonntag – den Tag voller Widersprüche. Den Tag, der uns in den Spiegel schauen lässt. Wie oft schon riefen auch wir: „Hosanna“, waren wir von jemandem oder etwas begeistert – und wie schnell haben wir uns davon wieder losgesagt; haben wir Menschen fallen lassen, die uns anscheinend so wichtig waren. Wie das Volk, wie Petrus, Judas und Pilatus – so sind auch wir oft. Sich dessen bewusst zu werden, das kann dieser Tag der Widersprüche bewirken. Von daher ist es gut, dass wir den Palmsonntag feiern, genau in der Form, wie wir es gewohnt sind. Mit dem Evangelium, das uns das „Hosanna“ vor Augen führt, aber auch der Leidensgeschichte, die es ins Gegenteil verkehrt.

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Erstellt am: 13.04.2014 16:35 Uhr

Zündfunke, 12.04.14

Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
„Warum?“ fragt mich eine Frau, die von ihrem Mann verlassen wurde, verehrte Hörerinnen und Hörer. „Warum ich?“ Verlassen zu werden ist schlimm, wer von uns empfindet das nicht so. Wie schnell sind wir da dabei zu fragen: „Warum?“, „warum nur?“ und dann versucht man das Leben zur Rede zu stellen. Man will in irgendeiner Weise verstehen oder auch verstehen lernen, wie es denn überhaupt so weit kommen konnte.
Nur – gibt es wirklich eine zufrieden stellende Antwort auf diese Frage nach dem Warum? Die meisten Antworten, die ich kenne, die sind diesbezüglich alles andere als hilfreich: „Weil ich nicht mehr so jung und attraktiv bin.“ „Weil ich zu abhängig war“. „Weil ich ihr oder ihm nicht gegeben habe, was sie oder er gebraucht hätte.“ Und dann die vielleicht schlimmste aller Schlussfolgerungen: „Weil ich nicht mehr liebenswert bin.“ Wer da ankommt und stehenbleibt, der gefährdet sich selbst. Denn was bleibt einem dann noch?
Deshalb: Mit der Warum-Frage kommen wir nicht weiter. Sie ist rückwärts gerichtet und will das Geschehene ungeschehen machen. Aber vielleicht ist das ja genau ihr eigentlicher Sinn: Dass wir erkennen: Nichts auf der Welt lässt sich rückgängig machen. Es gibt unzählige Gründe, warum sich die Dinge so entwickelt haben, wie sie nun sind. Für manches bin ich mitverantwortlich, für anderes nicht und dann kommt immer noch eine Portion Schicksal mit hinzu.
Was immer auch war, Gott will, dass wir leben. Vor Gott sind wir immer liebenswert, denn wahre Liebe stellt keine Bedingungen und hört auch nicht auf. Deshalb bleibt Gott bei uns, auch wenn wir nicht wissen, wohin es gehen soll, Schritt für Schritt, auf der Suche nach einer Antwort. Nach einer richtigen Antwort. Dabei hilft es sehr, den Blickwinkel zu wechseln, und zwar von der Frage „Warum?“ zu der Frage „Wozu?“. Denn
auf die Frage: „Warum gerade ich?“ gibt das Leben keine Antwort. Wohl aber auf die Frage: „Wozu?“. – „Wozu ist mir das passiert? Was soll ich begreifen oder lernen? Welchen Sinn soll ich in dieser Situation erkennen oder erfüllen?“ Und ich bin ganz sicher: keiner von uns ist allein, wenn wir uns auf den Weg machen, um herauszufinden: „Wozu ist mir das passiert?“

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Erstellt am: 12.04.2014 16:20 Uhr

Zündfunke, 11.04.14

Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Es gibt so viele Ärgerlichkeiten im Alltag, verehrte Hörerinnen und Hörer, die einem zusammengenommen das Leben ganz schön vermiesen können. Und hat man sich erst einmal so richtig darauf eingeschossen, dann nimmt man auch tatsächlich nur noch das Schlechte wahr. Da hat zum Beispiel der Bus eine wesentliche Verspätung, und schon wird geknurrt:
„Kann der denn nicht einmal pünktlich sein? Der ganze Tag ist mir verdorben!“ Oder da wartet jemand stundenlang beim Arzt. Das ist dann die Erfahrung, die zählt, da mag die Diagnose noch so beruhigend und die Behandlung noch so zufrieden stellend gewesen sein; aber nein, das Warten ist als Negativstimmung maßgebend.
Das Gute nehme ich also einfach als selbstverständlich hin, aber das Unangenehme, das lasse ich so schnell nicht mehr los. Im Gegenteil: Da könnte ich mich so richtig reinstei-gern! Aber warum nur? Ich mache mir doch damit nur das Leben schwer. Dieser Tage habe ich aus heiterem Himmel eine SMS von einer Bekannten aus Deutschland erhalten. Da war zu lesen: „Wenn dir das Leben eine Zitrone gibt, mach Limonade draus.“ Das steht nicht in der Bibel – aber der Spruch gefällt mir; schnell bedanke ich mich dafür und denke darüber nach. Also ich verstehe den Spruch so: Es liegt an mir, einer unangenehmen Situation etwas Gutes abzugewinnen. Die Frage ist nur – wie?
Es geht wohl nur so: Ich muss den Hebel umdrehen, dass ich mich nicht mehr als Opfer fühle: Opfer der Situation, der Umstände, von anderen Menschen, sondern dass ich selbst die Situation in die Hand nehme. Ich kann entscheiden, aus der Rolle des Opfers hinauszutreten. Und ich kann mich fragen: „Was mache ich jetzt mit dieser Situation? Wie will ich damit umgehen? Wenn ich in der Stadt mal wieder auf jemanden warten muss oder sich irgendjemand verspätet, dann kann ich doch genauso gut in ein Café gehen, die Zeit nutzen um etwas zu lesen oder einfach die Zeit als eine freie und geschenkte Zeit genießen , anstatt ärgerlich immer nur auf die Uhr zu schauen und meinen Blutdruck inHdie höhe zu treiben. Und anstatt sich im Wartezimmer beim Arzt blau und grün zu ärgern, könnte man die Zeit für Besorgungen nutzen und mit der Sprechstundenhilfe eine neue Uhrzeit aus-machen.
Gott hat uns doch mit einem Verstand gesegnet, der klare Entscheidungen treffen kann: schaue ich nur immer auf die saure Zitrone oder sehe ich die vielfältigen Möglichkeiten, etwas aus ihr zu machen, sogar was Süßes. „Wenn dir das Leben eine Zitrone gibt, mach Limonade draus.“ Ich wünsche Ihnen und mir – trotz Fastenzeit – viel Limonade in den nächsten Wochen und Monaten.

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Erstellt am: 12.04.2014 16:12 Uhr

Zündfunke, 10.04.14

Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Verehrte Schwestern und Brüder, vor Prüfungsangst zitternd sagte der junge Mann: „Ich glaube, ich mache alles falsch“. Dabei lernt er immer sehr gut und bekommt beste Noten. Er sagt: „Wenn ich richtig an Gott glauben würde, dann würde ich doch nicht so eine Angst haben. Ich glaube halt einfach zu wenig.“ Und dann erzählt er, was in seiner Familie immer wieder gesagt wird: Wer nur fest genug an Gott glaubt, der hat keine Angst, ist nicht traurig und bewältigt ganz leicht alle nur erdenklichen Schwierigkeiten.
Schön wäre das, kann ich dazu nur sagen. Aber so einfach ist es leider nicht mit dem Leben. Und so einfach ist es auch nicht mit dem Glauben, bei Gott nicht. Dazu genügt mir ein Blick und da lese ich eben etwas ganz anderes. Nehmen wir zum Beispiel Jesus. Er weint bittere Tränen, als sein Freund Lazarus gestorben ist. Er bekommt eine Mords-Wut auf die Tempelhändler und schmeißt sie aus demselben hinaus. In der Nacht vor seinem Tod überfällt ihn Todesangst, die er nur mit Mühe durchstehen kann. Und in seiner Sterbestunde glaubt er sich von Gott verlassen. Die Geschichte Jesu zeigt mir: Glaube und Angst, Wut oder Trauer schließen sich wahrlich nicht aus.
Und in meinem Leben? In meinem Leben ist das kein Haar anders. Ob Prüfungsangst oder Trauer, solche Grenzsituationen sind für jeden Menschen schlimm, ob gläubig oder nicht. Kein Gebet und kein Glaube kann sie erst einmal lindern. Aber wenn ein Mensch an Gott glaubt, so wagt er zu hoffen. Glauben heißt nämlich, auf Hilfe hoffen. Hoffen, dass am Ende des Dunkels wieder ein Licht sichtbar wird. Hoffen, dass Gottes Liebe auch mir gilt. Hoffen, dass ich durchhalten kann, weil Gott mir zu Seite steht. Glauben – das kann heißen: darauf vertrauen, dass alles ein gutes Ende findet, trotz der Not, die vielleicht im Moment riesig ist.
Ich bin sicher: Es ist gut, Gott gegenüber auch Wut und Verzweiflung auszudrücken. Er kann ruhig wissen, wie schwer die Situation gerade ist. Er soll wissen, wenn einer sich überfordert fühlt. Auch wenn es „nur“ durch große Prüfungsangst ist. Die geht durch Beten zwar nicht einfach weg, aber sie lässt sich mit Gebeten oft besser aushalten. Und ich glaube: Gott lässt niemanden im Stich, der ihn um Hilfe bittet.

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Erstellt am: 10.04.2014 20:42 Uhr

Zündfunke, 09.04.14

Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
„Lass dich mal ansehen!“ Wer so etwas sagt, verehrte Schwestern und Brüder, der oder die zielt auf das Äußere; die- oder derjenige will Kleidung, Haare, das Gesicht eines anderen Menschen sehen. Wohl kaum würde man so etwas sagen, wenn man das Innere eines Menschen beurteilen wollte. Dies geschieht eher im Stillen. Dabei wenden viele von uns viel Zeit und Energie auf, um zu Ansehen zu gelangen. Damit meine ich gar nicht mal das, was Staatsmännern, Professoren oder anderen Prominenten entgegengebracht wird. Es geht auch um mehr als den „guten Ruf“; es geht darum respektiert und gemocht zu werden.
Manche leisten viel, sie schuften und arbeiten oft rund um die Uhr, um zu mehr Ansehen zu gelangen. Sie investieren so viel in das Gerenne um mehr Ansehen, dass sie oft genau das Gegenteil von dem erreichen, was sie beabsichtigen. Ihnen ist der innere Druck anzumerken, sie machen sich lächerlich.
„Mach dich nicht lächerlich“, das würde wohl auch Gott sagen, spräche er zu diesen Menschen. Mach dich nicht lächerlich, denn wenn’s nach mir geht, brauchst du das gar nicht. Ich beurteile nicht nach dem Ansehen der Person; du musst dir meine Zuneigung nicht erleisten, erkaufen oder was auch immer! Sei vielmehr so wie du bist, denn ich hab dich so ins Herz geschlossen, wie du bist.“ Das ist wirklich die Grundaussage des christlichen Glaubens.
Wie schön wäre es doch, wenn mehr Menschen diese Botschaft genau so hören und ihr trauen könnten. Das würde den Rücken stärken, Rückgrat geben und Personen entstehen lassen, die in sich stehen und allein schon deswegen das Ansehen ihrer Mitmenschen garantiert bekämen. Schön wäre es, aber leider sieht die menschliche Realität oft ganz anders aus. Und wenn in unserer Welt keine Erfahrungen von Wertschätzung gemacht werden, dann hat’s natürlich auch Gott mehr als schwer; denn dann fällt sein Wort auf unfruchtbaren Boden und stößt auf taube Ohren. Dabei wäre alles so einfach.
Ein kleines Rezept, Menschen zu Ansehen zu verhelfen, fand ich bei Paul Celan. Dort heißt es: Manche Menschen wissen nicht, wie wichtig es ist, dass sie einfach da sind. Manche Menschen wissen nicht, wie gut es ist, sie nur zu sehen. Manche Menschen wissen nicht, wie viel ärmer wir ohne sie wären. Manche Menschen wissen nicht, dass sie ein Geschenk des Himmels sind. Sie wüssten es – würden wir es ihnen sagen.

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Erstellt am: 10.04.2014 20:39 Uhr

Zündfunke, 08.04.14

Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
In einem Buch habe ich den Satz gelesen, verehrte Schwestern und Brüder: „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden“. Stimmt – oder nicht? Denn vieles in unserem Leben macht ja wirklich erst im Nachhinein Sinn: Da ist zum Beispiel ein Mann, der auch nach zwei langen Jahren immer noch so um seine Frau trauert, dass er kaum mehr lebensfähig, geschweige denn arbeitsfähig ist. In seiner Verzweiflung sucht er einen Seelsorger auf. Dieser hört sich alles sehr genau an: wie eng sie war, die Beziehung der Eheleute und wie leer und sinnlos sich sein Leben deshalb nun anfühlt. Dann stellt er dem Mann eine Frage: „Was wäre gewesen, wenn statt Ihrer Frau Sie zuerst gestorben wären?“
Der Mann ist entsetzt. „Das wäre noch viel schlimmer gewesen. Denn genau das war immer die allergrößte Angst, die meine Frau hatte; das hat sie mir oft gesagt.“
Der Mann blickt nachdenklich vor sich hin. Schließlich nickt er: „Ja, nun sehe ich etwas, das mir die ganze Zeit entgangen ist: Wenn schon einer von uns gehen musste, dann ist es so herum besser. Dann ist ihr wenigstens das, was ich durchmache, erspart geblieben.“
Die Frage des Seelsorgers hat ihn wieder in Berührung mit seinen Gefühlen gebracht: er spürt die Liebe zu seiner Frau und um ihretwillen kann er die Trauer ertragen. „Liebe ist stark wie der Tod“ sagt das Hohe Lied (HL8, 6). Sie ist das größte Geschenk Gottes. Jetzt aber hat der Mann dem Tod etwas entgegenzusetzen: „Du kannst mir den Menschen nehmen, doch über meine Liebe zu diesem Menschen hast du keine Macht.“ Mit dieser Erkenntnis kann der Mann weiter leben. Sie ändert zwar nichts an seinem Verlust, aber sie ändert etwas an seiner Einstellung zum Leiden: Wenn man weiß, wozu man leidet, lässt es sich leichter tragen. „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden“ – das allerdings kann nur jede und jeder für sich selbst tun.
Es ist ein großer Unterschied, ob ein Hinterbliebener zu so einer tröstlichen Erkenntnis gelangt, oder ob jemand anderes ihm das sagt. Gut gemeinte Deutungen: „Wer weiß, was deiner Frau alles erspart geblieben ist…“ helfen Trauernden nicht. „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.“ Ich allein kann mein Leben deuten. Aber dabei können mir andere helfen – weniger mit Antworten, als mit einer klugen, behutsamen Frage.

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Erstellt am: 08.04.2014 19:51 Uhr

Zündfunke, 07.04.14

Diakon Bertram Bolz, Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Es gibt vielerlei Weisen, verehrte Schwestern und Brüder, um im Leben Sinn zu suchen und auch einen solchen zu finden: Ein Weg ist dabei, einfach die Nächstenliebe zu üben. Denn die Nächstenliebe erschließt den Weg zu mir, zu meinen Mitmenschen und auch zu Gott. Dabei geht es zunächst einmal gar nicht um meine unmittelbaren Bedürfnisse.
Da ist zum Beispiel eine Frau, die ihr ganzes Leben dem Mann, den drei Kindern und dem Haushalt gewidmet hat. Als nun die Kinder so nacheinander das Haus verlassen, da ist sie untröstlich. Und weshalb? Weil sie keinen Sinn mehr in all ihrem Tun entdecken kann.
„Aber du hast doch noch deinen Mann“, sagt ihre Freundin. Doch der geht ganz in seiner Arbeit auf. Und wenn sie ihm ihr Leid klagt, dann sagt er nur: „Sei doch froh. Jetzt hast du endlich Zeit für dich.“ Er nimmt ihre Not überhaupt nicht wahr.
Schließlich rät ihr ihre Ärtztin: „Sie brauchen eine neue Aufgabe. Sie umsorgen doch so gerne Menschen? Gehen Sie zu den grünen Damen, die helfen im Krankenhaus mit kleinen Diensten und Besorgungen.“ Da wird die Frau hellhörig: Genau das ist es! „Und was hast du davon?“, fragt ihr Mann erstaunt als er von ihren Plänen erfährt. „Viele Kranke freuen sich, wenn jemand Zeit für sie hat. Und wenn sich jemand über mich freut, dann geht es mir auch wieder besser.“
Spüren Sie es? Die Nächstenliebe ist unsere Antwort auf die Liebe Gottes. Viele sind so voll davon, dass sie noch genug für andere übrig haben. Gut, wenn sie sich nicht davon abbringen lassen. Denn das Wunderbare an der Nächstenliebe ist: Wenn man jemandem etwas Gutes tut, dann geht man dabei selten leer aus. Das hat auch eine ältere Schmerzpatientin erfahren, die seit Jahren keine schmerzfreie Minute mehr kennt. Sie hat in einer Fernsehsendung von einem beglückenden Erlebnis im Wartezimmer ihres Arztes erzählt: Dort saß sie neben einer jungen, vollkommen niedergeschlagenen Frau. Die junge Frau tat ihr leid und sie fing ein Gespräch mit ihr an. Bald erfuhr sie, warum die junge Frau so niedergeschlagen aussah: Sie hatte unmittelbar davor den Bescheid bekommen, dass sie HIV positiv sei. Die ältere Frau hat sie nicht getröstet, sondern ihr nur liebevoll und aufmerksam zugehört. Dabei aber vergaß sie vollkommen ihre eigenen Schmerzen. Nach mehr als einer Stunde stellte sie fest, dass sie 60 schmerzfreie Minuten geschenkt bekommen hatte; ein Glücksgefühl, das sie nur wenige Minuten davor für nie mehr möglich hielt.

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Erstellt am: 07.04.2014 20:09 Uhr

Predigt zum 5. Fastensonntag 2014 (06.04.)

Schwestern und Brüder!
Geht es Ihnen nicht auch so, dass Sie dieser Tage häufig genug den Kopf geschüttelt haben, wenn in den Medien vom Drama des Fluges MH370 berichtet wurde? Man muss sich das mal vorstellen: Da verschwindet ein komplettes Flugzeug einfach so von den Radarschirmen und bleibt bis heute unauffindbar. Was vor drei Wochen genau geschehen ist, als dieses Flugzeug von Malaysia nach Peking unterwegs war, plötzlich vom Kurs abgewichen und dann vom Radar verschwunden ist, niemand weiß es. In einer Zeit, in der in amerikanischen Supercomputern gespeichert ist, was wir zum Beispiel vergangenen Donnerstag eingekauft haben und was wir mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit nächsten Mittwoch kaufen werden, da klingt so etwas nicht nur unglaublich, nein, es ist auch unglaublich.
Viele empfinden dieses „unglaublich“ aber auch auf den Inhalt heutigen Evangeliums hin, obwohl es ja schlussendlich zur Grundüberzeugung unseres christlichen Glaubens gehört, dass Menschen aus dem Tod erweckt werden. Umso mehr meine ich, sollten wir uns deshalb mit diesem Text auseinandersetzen, den uns Johannes überliefert hat und was er uns auch heute damit sagen kann und sagen will. Dabei ist mir eine kleine Aussage wichtig geworden, die manche vielleicht zuerst eher für belanglos halten. Da sagt doch Marta zu Jesus: „Herr, er riecht schon!“ Für mich ist das eine eher vornehme Aussage unserer Einheitsübersetzung, die Martin Luther viel drastischer und schonungsloser in seiner Übersetzung wiedergegeben hat. Da heißt es: „Herr, er stinkt schon!“ Heute würde man vielleicht übersetzen: „Herr, Du bist viel zu spät gekommen, es ist zwecklos, Dein Freund hier ist mausetot. Da ist nichts mehr zu machen, also halt Dich fern und setz Dich bloß nicht dem Gestank des Todes aus. Was willst Du denn an dem bereits verschlossenen Grab des Lazarus? Dein Beileid kannst Du auch anders zum Ausdruck bringen. Du bist zu spät, der Tod war schneller – raff das endlich und lass dem Toten seine Ruhe.“
Auf den ersten Blick gewinnt man fast gar den Eindruck, als wolle Marta die Nase Jesu schonen. Sie will ihn und vielleicht auch sich selbst nicht dem Geruch des Todes aussetzen. Und seien wir doch mal ehrlich: Auch wir meiden ihn doch, wo wir nur können. Wir können den Tod – im wahrsten Sinne des Wortes – nicht riechen. Und doch liegt er wie eine Dunstglocke über dieser, unserer Welt. Nicht nur in Syrien und Afghanistan oder über kriegerischen Landstrichen Afrikas oder Südamerikas. Nein, der Geruch des Todes liegt auch über den Autobahnen und Schnellstraßen mit den schrecklichen Verkehrsunfällen, über den Krankenhäusern, Altenheimen, Hospizeinrichtungen und den vielen Sterbezimmern. Allüberall dort riecht es nach Tod und deshalb „stinkt es“ nicht nur Kindern und Jugendlichen häufig dorthin zu gehen, sondern auch vielen Erwachsenen. Früher sprach man oft von der Ausdünstung der „Lazarette“, die ja ihren Namen von genau diesem „Lazarus“ aus dem heutigen Evangelium haben. Und wenn wir dann auch noch auf das letzte Jahrhundert zurückschauen, dann kommen wir nicht umhin zu sagen, dass auch darüber ein fürchterlicher Verwesungsgeruch liegt. Bestialisch stinkt es bis heute zum Himmel, was Menschen da einander angetan haben und was für eine Verpestung der Luft, die da aus den Schlachtfeldern der beiden Weltkriege und aus den bombenzerstörten und qualmenden Städten emporgestiegen ist. Von den Schloten der Vernichtungslager ganz zu schweigen.
Und heute? Heute denken wir nicht nur an das vorhin gehörte Evangelium, sondern am heutigen Passions- und MISEREOR-Sonntag, da denken wir auch an die riesigen Müllhalden der Millionenstädte, auf denen Kinder nach verdorbenen Lebensmitteln stochern und ihre Eltern aus dem oft gasenden und nicht ungefährlichen Abfall mit seinen Chemikalien sogenannte Wertstoffe sammeln. Auch wenn wir ob vieler dieser Elendsbilder häufig die „Nase voll“ haben – wir spüren: Der Geruch des Todes lässt sich nicht so leicht vertreiben. Deshalb fand ich es eine super Idee, wie ein Pfarrer, mit dem ich über eine längere Zeit zusammengearbeitet habe, seinem Krankenöl ein kleine Brise Rosenöl beigemischt hat. Häufig hat er mir erzählt, wie sich die Gesichter auf der Intensivstation oder im Altersheim bei der Krankensalbung aufhellten, selbst die Gesichter demenzkranke Menschen, weil da plötzlich ein ganz anderer Geruch in der Luft lag, als der, welcher sonst in eben diesen Räumen anzutreffen ist.
Aber nicht nur der Tod stinkt zum Himmel, sondern vieles, was wir nur allzu gerne am liebsten unter Verschluss halten würden. Auch in unserer Kirche riecht es nicht immer nur nach Weihrauch, sondern da gibt es auch ganz andere Duftwolken, wie uns die letzten Jahre oder die letzten Wochen gelehrt haben. Und in unseren Gemeinden? Wie oft können da Menschen einander nicht riechen, und deshalb gibt es nicht wenige, die ausziehen und einfach „verduften“.
„Herr, er riecht schon!“ Dieses Wort der Marta wird für mich nur erträglich im Kontext einer anderen Stelle des Neuen Testamentes, und zwar im zweiten Brief des Apostels Paulus an die Korinther. Da heißt es: „Dank sei Gott, der uns im Siegeszug Christi mit sich führt und der durch uns den Duft der Erkenntnis Christi an allen Orten verbreitet. Wir sind für Gott der Wohlgeruch Jesu Christi. Wir sind der Lebensduft, der Leben verheißt.“ Paulus, der ja von Beruf Zeltmacher war, weiß sehr wohl, wovon er redet. Denn in den Stadtvierteln der Ledergerber wird es mitunter ganz unerträglich gestunken haben. Doch er wagt zu sagen: Vom auferstandenen Christus geht ein Wohlgeruch aus; ein Duftstoff aus der Welt Gottes, der uns alle heiter und gelassen stimmen kann; eine Art Osterparfüm, welches uns zum Glauben „verführen“ will – genauso, wie uns ja auch die Werbung suggeriert, dass uns so manches Parfüm attraktiver macht und uns zu mehr Ausstrahlungskraft verhilft.
Deshalb können wir zu Recht sagen: Ostern und sein Vorspiel am Grab des Lazarus haben eine schöne „Duftnote“. Denn mit Christus kam ein neuer Wohlgeruch in diese Welt, der angetreten ist gegen den Geruch des Todes. Durch uns will sich dieser neue Wohlgeruch verbreiten und deshalb sollen wir Christen uns nicht vom Gestank des Todes und seiner Vorboten abschrecken lassen. Wahrscheinlich fragen Sie sich jetzt: Und was ist der Duft der Erkenntnis Christi? Das ist in meinen Augen die Überzeugung, dass der Gekreuzigte lebt. Durch ihn haben wir erfahren, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, sondern die Auferstehung und das Leben. Das ist das Machtwort des Evangeliums gegen all die üblen Gerüche des Todes.
Die vorösterliche Passionszeit will, dass wir diese Witterung aufnehmen und dem Wohlgeruch Christi nachgehen. In seinem „Dunstkreis“ sollen wir uns anschicken, mit ihm den Kampf gegen den Tod aufzunehmen, wo immer wir ihm begegnen und er die Luft verpestet. Jesus steht auch und gerade da zu uns, wo der Tod das Leben zersetzt und uns liebe Menschen einfach raubt.
Ich weiß, das alles ist leichter gesagt als getan und das Verbreiten unseres christlichen Wohlgeruches hält den Tod lieber Menschen nicht auf. Richtig. Aber der heutige Passions-Sonntag stößt uns doch auch mit der Nase darauf, wie viele Menschen auf dieser Erde „in der Finsternis sitzen und im Schatten des Todes“. Halten wir uns also nicht die Nase zu, wenn in unserer weiteren oder näheren Umgebung der Tod seinen üblen Geruch verbreitet, sondern bringen wir den „Lebensduft“ unseres Osterglaubens den Menschen. Mit tatkräftiger Hilfe für jene, die ohne unsere Hilfe nicht überleben können und hier bei uns, in dem wir Sterbende nicht einfach sich selbst überlassen und sie nicht alleinlassen. Begleiten wir sie vielmehr an jene Schwelle, hinter der ein neuer Wind weht mit dem Wohlgeruch ewigen Lebens.
Lazarus wurde nur in dieses Leben zurückgerufen, was auch bedeutet, dass er noch einmal Sterben musste. Jesus aber lebt für immer auf der anderen Seite, auf der Gott „alle Tränen von unseren Augen abwischen wird; wo der Tod nicht mehr sein wird, keine Trauer und Klage und keine Mühsal. Denn der, der auf dem Thron saß, sprach: Siehe ich mache alles neu.“
Was ich vom heutigen Evangelium für mich ganz persönlich mitnehme? Dass Ostern wie ein geöffnetes Fenster ist, durch das Frühlingsduft hereinkommt in den Mief von Tod und Verwesung. Dass ohne Ostern die ganze Welt wie ein großes, hermetisch verschlossenes Grab wäre und dass ohne Ostern auch der Kampf der Jüngerinnen und Jünger gegen die ungerechten Verhältnisse und alles, was in dieser Welt zum Himmel stinkt, letztlich sinnlos und aussichtslos wäre.
Die Kirche des Ostens feiert Lazarus an jedem Samstag vor Palmsonntag als den Heiligen, der den Auferstehungsduft in die Welt getragen hat. Unsere Kirche, die lange Zeit im Verdacht und im Geruch stand, nur auf das Jenseits zu vertrösten, hat sich – Gott-sei-Dank – in der Zwischenzeit deutlich auf die Seite jener gestellt, die an ein Leben vor dem Tod glauben. Leben wir dieses Leben und tun wir alles, dass es auch für andere lebenswert ist. Die Arme Gottes umschließen uns dabei zärtlich und der Tod verliert seinen Schrecken. Denn mit Jesus finden wir uns nicht damit ab, dass mit dem Tod alles aus sein soll. Nein, wir verbreiten vielmehr das Gerücht: „Wir glauben daran, dass wir die Herrlichkeit Gottes sehen.“
Wie wurde Mahatma Gandhi einmal gefragt: „Was müssen Christen tun, um Menschen für die Frohe Botschaft zu gewinnen?“ Und er nahm eine Rose und hielt sie dem Fragesteller hin: „Was tut die Rose?“ -„Sie duftet“, war die Antwort. „So ist es“, sagte Gandhi: „Also duften sie!“

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Erstellt am: 07.04.2014 20:06 Uhr