17 Und er ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren.
18 Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater.
19 So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen,
20 erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist,
21 auf welchem der ganze Bau ineinander gefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn.
22 Durch ihn werdet auch ihr mit erbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.
Wo Kirche ist, da ist man zuhause, liebe Gemeinde. Sie mag ihren Lebensraum in Asien, Lateinamerika, Europa, und dabei westlich von Afrika, haben. Wo Kirche ist, da ist man zuhause. Warum? Dort geht es um das Evangelium, übersetzt nichts anderes als eine gute Nachricht. Und warum ist das eine gute Nachricht? Weil ihr Inhalt der Friede ist. Der Friede mit Gott und mit den Mitchristen, egal woher sie kommen.
Egal wie sie in ihrem Glauben geprägt worden sind.
Egal, ob sie von Kindesbeinen an dabei waren oder ob sie später hinzukamen.
Egal durch welche Frömmigkeitsform sie geprägt wurden, ob konservativ oder liberal oder nur neugierig, vielleicht auch auf ganz neue Erfahrungen mit Glaube und Kirche aus.
Niemand ist mehr Gast, niemand mehr Fremdling. Alle, die sich dem Evangelium des Friedens aussetzen, sind Hausgenossen, Mitbewohner, gleichberechtigte Teilnehmer und Teilnehmerinnen. Warum?
Eine Basis hält und trägt sie. Die Apostel und Propheten wird sie genannt. Eine bunte Basis. Sie reicht vom liebevollen Johannes über den Hitzkopf Petrus zum konservativsten Jakobus, einem Bruder Jesu, und Paulus, der erst später dazu kam und wohl der bedeutendste von allen wurde. Und die Propheten ? Auch ihre Schar ist vielfältig und bunt. Sie reicht vom Sozialkritiker Amos, den einige Verwegene gar den Erfinder des Sozialismus nennen, bis zum schwermütigen Jeremia, dessen Spur sich im Sande Ägyptens verliert.
Christliche Basis ist bunt und voller Vielfalt. Aber sie wird zusammen gehalten von Jesus Christus. Er hatte ein so weites Herz. Er war so frei, dass die Apostel alle in seiner Nachfolge ihren Platz fanden. Er hielt sie mit seiner unendlichen alle Grenzen überschreitenden Liebe zusammen. Er war so frei, so liberal. Ja, liebe Gemeinde, Jesus war im wahrsten Sinne des Wortes liberal. Er war so frei.
Und deshalb kann und darf christliche Kirche es auch sein. Sie hat die große Möglichkeit und das Vorrecht eben anders zu sein, als die Welt, in der sie lebt.
Da wird ja gerne eingeteilt in die, die dazu gehören und die, die draußen vor sind. Da gibt es jene, die Bürgerrechte haben und andere müssen sich mit einem Status begnügen, der nicht vollwertig ist oder gar nichts bedeutet. Da gibt es solche, die staatsbürgerlich anerkannt sind, und die mit Migrationshintergrund. Da leben hunderttausende als geduldete und noch einmal so viele als mit von Abschiebung bedrohte.
Ja, liebe Gemeinde, diese Welt teilt ein in Gruppen, die dazugehören und die, die draußen vor sind. Und auch bei denen, die dazu gehören, sind die Unterschiede nicht von Pappe. Manche haben volle Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben, weil sie ich alles leisten können. Und andere müssen sich bescheiden und ergattern vielleicht ein paar staatlicherseits großzügig genehmigte Gutscheine für Mitgliedschaft in einem Verein oder einer Musikschule. Es gibt Insider und von sozialer Teilhabe ausgeschlossene.
Aber, Gott sei Dank, in der christlichen Kirche, da ist eben alles ganz anders.
Da spielen soziale Unterschiede keine Rolle. Da ist weniger oder mehr Vermögen oder Bildung ohne jede Bedeutung. Da gibt es keine Oberschicht und Unterschicht und dazwischen auch keinen gepflegten Mittelstand. Nein, das Evangelium des Friedens hat die Grenzen überwunden. Alle haben den gleichen direkten Zugang zu Gott, den sie alle im Gebet Jesu als Vater anrufen. Er selbst hat den Weg dahin frei gemacht, er war eben so frei. Und nun trennt sie nichts mehr.
Übrigens auch die Römisch – Katholischen Christen und die verschieden geprägten Protestanten und die Anglikaner nicht mehr. Sitzen wir doch heute alle friedlich bei einander in diesem Gottesdienst. In der Tat: Und er ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. Man beachte die Zeitform waren. Nähe und Ferne sind nun aufgehoben: Denn durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater. So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.
In der Zeit, als der Epheserbrief geschrieben wurde, gab es die beiden starken Gruppen und Traditionen der frühen Christenheit. Einerseits die von der jüdischen und andererseits, die von der hellenistischen Tradition geprägten, die in den Blick genommen werden. Und beiden gilt nun das Evangelium des Friedens und der offene und freie Zugang zu dem einen Gott, der Vater aller ist, und ich füge gerne hinzu: der seine Gemeinde mit Mutterhänden leitet. Ein wunderschönes Gottesbild, das schon aus dem Alten Testament stammt.
Warum muss dieses Wort eigentlich den Leuten damals geschrieben werden? Haben sie vielleicht etwas übersehen oder vergessen? Haben die beiden Gruppe damals eventuell, den alle Grenzen überschreitenden Jesus ganz und gar speziell doch wieder für sich vereinnahmt?
Und fühlten sich die einen deshalb ihm näher zugehörig als die anderen?
Waren die einen da eventuell doch etwas rechtgläubiger als die anderen? In der frühen Christenheit gab es solche Tendenzen. Und dann machten die das auch noch ganz geschickt. Sie erwählten sich als Vorbilder, auf die sie sich beriefen, einen Apostel ganz besonders heraus. Manche nannten sich nach Petrus, andere nach Johannes, dritte nach einem gewissen Apollos.
Aber, liebe Gemeinde, das war ja damals in der frühen Christenheit so, als sich bereits in der Bibel, im Neuen Testament, die unterschiedlichen Konfessionen abzeichneten. Aber heute?
Zunächst einmal sind meine Frau und ich ausgesprochen dankbar für grenzüberschreitende Erfahrungen in christlichen Kirchen dieser Zeit. Das betrifft vor allem die Situation in der südlichen Türkei. Da hatten wir einen christlichen Kirchenverein St. Nikolaus. In ihm waren die unterschiedlichen Konfessionen zusammengeschlossen. Gegründet gemeinsam von der Deutschen Bischofskonferenz und der EKD unter der tatkräftigen Schirmherrschaft eines Deutschen Konsuls, der selbst Mitglied einer Evangelischen Freikirche war. Da fragten wir nicht nach dem berühmten Gesangbuch. Wir feierten Gottesdienst immer gemeinsam mit und ohne Kommunion oder Abendmahl. Und alle, die sich einladen ließen vom Gastgeber – und das ja immer noch unser gemeinsamer Herr und Heiland Jesus Christus – die kamen, hörten, sangen und beteten und teilten Brot und Wein, egal nach welchem Ritus gerade gefeiert wurde. Es gab fast keine, und diese kleine Einschränkung muss ich nun doch machen, fast keine Nahen und Fernen.
Das nehmen wir mit aus 5 Jahren Dienst in Auslandsgemeinden der EKD.
Hier in Puerto de la Cruz, da gibt es allerdings auch die Nahen und die Fernen. Alle, die schon sehr lange dabei sind und die, die neu hinzugekommen sind. War und ist nicht immer so ganz einfach. Wirft gelegentlich seine Schatten. Eigentlich ein bisschen schade. Meine Frau und ich haben es in den letzten Tagen immer wieder beobachtet, dass wir kaum Schatten warfen in der Mittagszeit. So senkrecht steht hier die Sonne. Ist mir zum Sinnbild geworden. Wenn wir uns ganz in die Sonne stellen, dann werfen wir keine Schatten, in die sich die anderen gefälligst zu stellen haben. Wie sagt es doch ein Gesangbuchlied? Die Sonne, die mir lachet, ist mein Herr Jesus Christ. Auf keinen Fall mein selbst gebastelter und geputzter Heiligenschein. Der ist ja bekanntlich meist auch scheinheilig.
Spüren wir es, oder haben wir es vielleicht sogar im Stillen schon gedacht: So ganz heil und ganz ist dieses Bild von der christlichen Hausgenossenschaft ohne trennende Elemente nun wohl doch nicht unter uns Wirklichkeit. Da werden im geistlichen Gotteshaus schon mal Wände eingezogen und Türen verschlossen. Da sitzt man gelegentlich getrennt von einander und redet mehr über als mit einander. Der Weltgeist, der Unterschiede macht, wo keine hingehören sollen, der Grenzen zieht, wo der Geist des Friedens Christi doch alle überschreitet und ad absurdum führt, hält immer wieder Einzug bei uns, gefährdet das großartige Bild von der Kirche als einem Bau, der Platz für alle hat.
Übrigens dieses Bild von der Kirche als Bau, das hat mir immer gut gefallen. Und ich meine damit weniger unsere Kirchengebäude, als vielmehr unsere geistliche Gemeinschaft. Kirche als Bau oder Baustelle. Da werden alle Herzen, Köpfe und Hände gebraucht. Von einigen Tagen sprachen wir mit einem Gemeindeglied, das Ahnung von Bauunternehmungen hat, darüber, wie das denn manchmal geht mit den unterschiedlichen Handwerkern. Und da kam die Sprache auch auf die verschiedenen Gewerke mit ihren entsprechenden Funktionen. Da sind zum Beispiel die Maurer. Die arbeiten immer mit ziemlich viel Dreck, Sand, Kalk, Zement und Steinen. Deshalb tragen sie die entsprechende Kleidung. Und dann kommen da die schnieken Zimmerleute mit ihrer Zunftkleidung. Haben ja auch nur mit sauberen Balken und Latten zu tun. Und schon sind die Unterschiede da. Bei so manchem Richtfest entbrennt dann der Streit, wer der bedeutendere war und ist.
Dabei sind sie doch eigentlich auf einander angewiesen. Wie soll ein Dachstuhl gerichtet werden und halten, wenn die Mauern nicht richtig stehen. Und was nützt das schönste Mauerwerk, wenn es nicht als Schutz vor Wind und Regen unter Dach und Fach gebracht werden kann?
An diesen fast banalen Beispielen erkennen wir, dass die Vielfalt und das Zusammenspiel der unterschiedlichen Gaben und Funktionen den Reichtum und den Wert eines Baues ausmachen und das gemeinsame Bauen erst spannend und erfolgreich machen. Das Gegeneinander, die unterschiedliche Wertschätzung, das sich Erheben über andere sind nichts anderes als Störfeuer, Hindernisse, ja sie sind Versagen und Schuldigwerden.
2 Bemerkungen zum Schluss.
Die 1. Wir haben in unseren Gottesdiensten in der Liturgie der Abendmahlsfeier die Praxis des Friedensgrußes. Lassen wir sie nicht zu einem rein formalen Ritual verkommen. Lassen wir ihn entscheidende Anleitung zur Praxis werden durch den und im Auftrag dessen, der uns das Evangelium des Friedens gebracht hat und der uns letztlich alle zusammenhält.
Die 2. Welche Rolle habe eigentlich ich als Pfarrer, welche habe ich gehabt? Ich bin ja nicht ohne Umwege in den Dienst des Pastors gekommen und kenne deshalb auch Leiten und Geleitet Werden aus anderen Lebensbereichen. Des Öfteren habe ich mich gefragt, welches Leitbild denn für mich gelten soll. In meiner letzten Gemeinde habe dazu eine gute Anregung bekommen. In der großen klassizistischen Kirche in Neumünster gibt es ein besonderes Altarbild. Es zeigte nicht die Kreuzigung, sondern das letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern, so wie Johannes es erzählt. Jesus wäscht seinen Jüngern die Füße. Welch ein Leitbild. Wer leiten will, darf sich für die Drecksarbeit weder im übertragenen Sinn noch ganz praktisch, nicht zu schade sein, oder er soll die Finger davon lassen. Oder mit Jesus gesprochen: Wer unter euch der Erste sein will, der sei euer aller Diener. Und der Apostel sagt: Dienet einander, ein jeder mit der Gabe, die ihm gegeben ist.
So mag es genug sein. Hoffen und beten wir darum, dass es in der Kirche so werde, überall und auch in Puerto de la Cruz.
Amen
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Erstellt am: 30.06.2014 13:40 Uhr