Liebe Gemeinde,
Im heutigen Bibelabschnitt spricht Paulus ein Verhalten an, das wir alle mehr oder weniger kennen.
Wenn uns Böses widerfährt, wenn uns jemand mit Worten verletzt oder sonst wie anfeindet, reagieren entsprechend.
Wir ziehen uns entweder zurück oder, was häufiger der Fall ist, wir reagieren in gleicher Weise, indem wir eine Aggression mit einer weiteren Aggression beantworten.
Das kann in besonderen Situationen notwendig sein, um eine gesunde Distanz zu schaffen.
Wir brauchen uns von anderen nicht alles gefallen lassen.
Wer ein wenig Erfahrung mit sich selbst hat, der weiß: Was kränkt, macht krank.
Was aber meint dann Paulus, wenn er uns im gehörten Text auffordert, auf Vergeltung grundsätzlich zu verzichten und auch gegenüber schwierigen Menschen positiv zu bleiben?
Mit dieser Forderung beginnt der Predigtabschnitt:
Vergeltet niemand Böses mit Bösem.
Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann.
Würden sich Menschen und Völker an diese Forderung halten, ginge es in der Welt und auch in der Kirche friedlicher zu. Aber so weit sind die Menschen noch nicht – auch nicht in der Kirche.
Es fällt uns zwar leicht, Menschen, die wir mögen, positiv zu begegnen und auf Gutes bedacht zu sein. Schwierig aber wird es, wenn es sich um Menschen handelt, die uns ablehnen und anfeinden.
Auch diese, die schwierigen Menschen, sind mitgemeint, wenn Paulus ausdrücklich davon spricht,
wir möchten niemandem Böses mit Bösem vergelten und gegenüber jedermann Gutes tun.
Paulus mutet uns Christen zu, auch schwierige Menschen auszuhalten und sie nicht zu bestrafen.
Hier wird eine christliche Grundhaltung angesprochen, die uns aus dem Glauben erwächst.
Es ist eine Lebenshaltung, die Gottes Liebe in unserm Tun und Lassen wieder spiegelt und die
uns in neuer Weise – anders als gewohnt – mit Menschen umgehen lässt.
In der Bergpredigt hat Jesus auf ein solches Verhalten hingewiesen und darum gebeten, unsere Liebe nicht bloß auf die Menschen zu beschränken, die uns wohlgesinnt sind.
„Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben, und zu ihnen freundlich seid, was tut ihr da Besonderes?
Tun das nicht die Heiden auch?“ (Mt 5,46f)
Als Christen ist uns aufgegeben, nicht bloß mit denen zu sprechen, die uns sympathisch sind und uns mögen. Liebe, die wir von Jesus lernen können, schließt auch schwierige Menschen mit ein.
Gerade im Umgang mit schwierigen Menschen ist es wichtig, uns über unsere Beweggründe, über das, was wir wollen, klar zu werden. Die Liebe stellt uns vor die Frage: Wollen wir Streit oder wollen wir Frieden?
Die Antwort und das Ziel, das uns Paulus im Text vorgibt, sind eindeutig:
Ist`s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden
.
Paulus hat in den Gemeinden, die er gegründet hat, auf vielfältige Weise erfahren, wie schnell es zu Konflikten kommen und das friedliche Miteinander gestört sein kann.
Wir sind Menschen und haben nicht bloß Stärken, sondern auch Schwächen.
Der Glaube bedarf der ständigen Festigung und Vergewisserung, damit unsere Fähigkeit, zu lieben, wachsen kann.
Paulus weiß um menschliche Unzulänglichkeiten und Hindernisse, die dem Frieden entgegenstehen, wenn er seiner Bitte, Frieden zu halten, die Worte vorausgehen lässt:
Ist`s möglich, soviel an euch liegt, haltet mit allen Menschen Frieden.
Paulus weiß, dass das friedliche Zusammenleben alles andere selbstverständlich ist.
„Es kann der Frömmste nicht im Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ heißt es in einem Zitat bei Friedrich Schiller. Die Störung kann vom anderen ausgehen.
Die Abgrenzung kann aber auch von uns selbst ausgehen, wenn wir von anderen gehindert werden, den Weg zu gehen, der unserem eigentlichen Wesen entspricht.
Der Friede, um den wir uns bemühen sollen, heißt nicht, immer klein beizugeben und sich nicht gegen Unrecht zu wehren. Das wäre ein fauler Friede, ein nicht nachhaltiger Friede, der um den Preis erkauft wird, dass wir unser gesundes Selbst aufgeben.
Einen solchen Frieden um jeden Preis ist nicht gefordert, wenn Paulus seine Friedensforderung mit den Worten beginnt:
Ist`s möglich, soviel an euch liegt, haltet mit allen Menschen Frieden.
Wo wir auf Gott und seinen Willen ausgerichtet sind, wo wir uns seiner Liebe öffnen, wie sie in Jesus aufscheint, da lernen wir eine gesunde Beziehung zu unserem Nächsten, ohne unser gesundes Selbst preisgeben zu müssen. Unsere eigentliche Identität wurzelt in der Liebe, die uns mit Gott verbindet.
In einer solchen Verwurzelung lernen wir auf Vergeltung und Rache zu verzichten, wozu wir im Text ausdrücklich aufgefordert werden:
Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben: „Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.“
Mit diesen Worten sind wir eingeladen, auf Rache und Vergeltung zu verzichten und unsere Sache in Gottes Hand zu legen.
Dieser Verzicht auf Rache beinhaltet aber nicht, dass wir keine Gefühle wie Zorn und Wut haben dürfen, wenn uns Böses widerfährt, wenn uns – wie schon erwähnt – andere herabsetzen, beschimpfen oder gegen uns intrigieren.
Gefühle wie Zorn und Wut, die biologische Ursachen haben, können wir gar nicht vermeiden.
Sie können zwar mit den Jahren weniger stark werden, aber ganz werden wir sie nicht los.
Was wir aber können ist, dass wir sie bewusst wahrnehmen und erwachsen damit umgehen.
Gefühle wie Zorn sind nicht nur negativ, sondern auch notwendig, um Distanz zu schaffen und um Grenzen aufzeigen zu können.
Wo Zorn gegenüber anderen aufkommt, kann dies uns signalisieren: nein, danke – so nicht.
Entscheidend aber ist – und darauf weist Paulus im Text – dass wir uns nicht in Rache- und Vergeltungsgedanken verstricken, dass wir uns nicht von Gefühlen der Wut überwältigen lassen, sondern erwachsen und nicht zerstörerisch damit umgehen.
Wo Böses mit Bösem, Gewalt mit Gegengewalt, beantwortet wird, da kann es zur Eskalation kommen.
Stattdessen sind wir aufgefordert, das Böse zu stoppen, indem wir dem Feind helfen, wenn er in Not kommt.
Vielmehr, wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen; dürstet ihn, gib ihm zu trinken.
Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln.
Hier in diesen Worten wird ein Weg aufgezeigt, wie wir der Spirale von Gewalt entgegentreten können. Es ist wiederum die christliche Grundhaltung der Liebe, die der Eskalation des Bösen Einhalt gebietet und zu Veränderungen führt.
Entgegen unseren gewohnten Reaktionen, die auf Rache und Vergeltung zielen, werden wir gebeten, den Feind durch ein anderes Verhalten zur Einsicht zu bringen.
Es ist wiederum nicht ein Gefühl gefordert, sondern ein Tun.
So sind auch Jesu Worte zu verstehen, wenn er in der Bergpredigt sagt: Liebet eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen. (Mt 5,44) Es ist nicht möglich und wäre auch eine Überforderung, Menschen, die uns das Leben schwer machen, auch noch gern zu haben.
Es geht hier nicht um Emotionen, sondern um ein Helfen in einer Notsituation, von der auch der Feind nicht ausgeschlossen werden darf.
Vielmehr, wenn dein Feind hungert, gib ihm zu essen; dürstet ihn, gib ihm zu trinken.
Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln.
Mit dem Sprichwort: „Feurige Kohle aufs Haupt sammeln“ wird auf einen ägyptischen Bußritus zurückgegriffen, der auf eine Sinnesänderung durch Beschämung zielt. Ein Mensch, dem ein Behälter mit feurigen Kohlen aufs Haupt gelegt wird, kann nicht unbeweglich stehen bleiben, sondern muss sich bewegen, um die Glut loszuwerden. So kann das Gute, das der Feind erfährt, ihn beschämen und ihn aus dem Kreislauf des Bösen heraustreten zu lassen.
Nicht Rache, sondern Hilfe kann Menschen verändern und zur Umkehr bewegen.
So hat Martin Luther im Katechismus Buße erklärt:
„Buße tun heißt, Umkehren in die offenen Arme Gottes.“ Nicht der Glaube an einen strafenden Gott und die Androhung von Rache ermöglichen die Umkehr, sondern es ist der Glaube an Gottes Barmherzigkeit, die uns zur Umkehr bewegt und die verhindert, dass das Böse eskaliert.
Mit der Bitte, uns nicht vom Bösen unterkriegen zu lassen, sondern es in Liebe zu überwinden,
schließt der Predigtabschnitt:
Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.
Das ist möglich, wenn wir unsere Ichverhaftungen loslassen und uns von Gottes Liebe erfüllen lassen, die in Jesus Christus aufscheint.
Ich möchte mit zwei Strophen aus einem alten Segensgebet schließen:
Herr, segne meinen Mund,
dass er dich bezeuge,
dass nichts von ihm ausgehe,
was verletzt und zerstört,
dass er heilende Worte spreche,
dass er Anvertrautes bewahre.
Herr, segne mein Herz,
dass es Wohnstatt sei deinem Geist,
dass es Wärme schenken und bergen kann,
dass es reich sei an Verzeihung,
dass es Leid und Freude teilen kann.
Amen
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Erstellt am: 14.07.2014 13:50 Uhr