Predigt am 24.08.2014

10. So. nach Trinitatis  
In der Schriftlesung mit dem Gebot, Gott, den Nächsten und sich selbst zu lieben, wurden wir an die Mitte unseres christlichen Glaubens erinnert.
Von der Gottesliebe handelt auch das Glaubensbekenntnis, das die Juden bis heute sprechen.
Dieses jüdische Urbekenntnis wird auch  das Sch`ma Israel genannt  – nach den beidenAnfangsworten:  schema Israel „Höre Israel“.
Es steht im 6. Kapitel des 5. Mosebuchs in die Versen 4 – 9, auf das wir heute am Israelsonntag hören wollen. 
4 Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein.
5 Und du sollst den Herrn, deinen Gott, liebhaben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.
6 Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen
7 und sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Haus sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst.
8 Und du sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkzeichen zwischen deinen Augen sein,
9 und du sollst sie schreiben auf die Pfosten deines Hauses und an die Tore. 
Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Weg. Amen 
 
Liebe Gemeinde,
es ist kein Zufall, wenn das Urbekenntnis der Israeliten mit einer  Aufforderung beginnt:
schema Israel – Höre, Israel!
Mit dieser Aufforderung zum Hören wird zugleich die Weise ausgesprochen, wie die nachfolgende Worte über Gott und sein Wesen von uns aufgenommen werden sollen. Es genügt nicht, dass wir sie halt äußerlich zur Kenntnis nehmen, sondern sie wollen  von uns mit dem  Herzen gehört werden, so dass das Erinnerte für unser Leben prägend wird und uns in unserem Tun und Lassen bestimmt.
 Höre, Israel:
Der Herr ist unser Gott, der Herr allein.
In der hebräischen Ursprache klingt das so:
„sch´ma Israel: Jahwe Elohenu , Jahwe ächad.“
Jahwe heißt wörtlich „ich bin, der ich bin oder ich werde sein, der sich sein werde.
Dieser letzlich für uns unfassliche Gott wird im Text als einer bezeugt, der sich uns Menschen zuwendet, der unser Gott ist – einzigartig – nicht einer unter anderen Göttern.
In der Welt, aus der das Alte Testament kommt, kannte man viele Götter. Es gab beispielsweise  Fruchtbarkeitsgötter oder Kriegsgötter.  
Von solchen Göttern unterscheiden die Israeliten ihren Gott, der sich ihnen in der Geschichte 
gezeigt hat: in der Erwählung der Erzväter, bei Abraham, Isaak und Jakob. Er hat sie aus der Knechtschaft der Ägypter befreit und ihnen  beim Durchzug durch die Wüste die Zehn Gebote als Hilfe zur Lebensorientierung gegeben.
Mit diesen Ereignissen werden die Israeliten an Gottes Wirken in  ihrer Geschichte erinnert,
an seinen Willen, auf den sie hören und von dem sie ihr Leben bestimmen lassen sollen.
Es ist daher konsequent, wenn dem Bekenntnis zu Gott, der in der Geschichte und im Leben wirksam ist, die Aufforderung zur Liebe folgt:
Und du sollst den Herrn, deinen Gott, liebhaben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.
Bei diesem Gebot, das auch Jesus wiederholt und in der Schriftlesung mit der Nächsten- und Selbstliebe ergänzt, stellt sich die Frage:
Kann man Liebe überhaupt gebieten und dazu noch  für Gott, der doch für uns Menschen unbegreiflich ist? Wenn wir bei Liebe lediglich an ein Gefühl denken, das man hat oder nicht,
dann ist es in der Tat schwierig, dieser Bitte zu entsprechen.
Nun ist aber das Wort Liebe im alttestamentlichen Sinn umfassender zu verstehen.
„Gott lieben“ das heißt: Gott achten, ihn respektieren, ihm vertrauen.
Mit „Gott vertrauen“ ist zugleich ein „sich Gott überlassen“ gemeint und zwar mit unserer ganzen Existenz.. Im Text heißt wird diese Ganzheit mit Herz, Seele und Kraft ausgedrückt:
Du sollst lieben den Herrn, deinen Gott von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft.
Wir werden gebeten, uns in allem an Gott auszurichten und ihn die Mitte unseres Lebens sein zu lassen. Dies ist nicht nur ein einmaliger Akt, sondern eine Aufgabe, die  es täglich und  lebenslang einzuüben gilt.
In den nachfolgenden Anweisungen wird dies deutlich ausgesprochen und an Beispielen veranschaulicht.
Und diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollst du zu Herzen nehmen.
Zu Herzen nehmen, beherzigen, ist mehr als nur äußerlich zur Kenntnis nehmen. Nein, es soll tiefer in uns dringen und uns in allem, was wir denken und tun, bestimmen.
Es reicht nicht aus, sich nur gelegentlich an Gott und sein Wort zu erinnern.
Wir kommen  in unserer spirituellen Entwicklung nicht weiter, wenn wir Gott im Alltag ausklammern und nur in besonderen Situationen, wenn es uns schlecht geht, von ihm reden oder zu ihm beten.
In den gehörten Anweisungen soll Gott unseren Alltag bestimmen.  Auch in der Erziehung habensie ihre Bedeutung: Und du sollst sie deinen Kindern einschärfen und davon reden, wenn du in deinem Hause sitzt oder unterwegs bist, wenn du dich niederlegst oder aufstehst.
 
Bei frommen Juden ist es üblich, dass die Worte des sche`ma zweimal am Tag gesprochen werden: bei Sonnenaufgang und nach dem Sonnenuntergang.
Ich denke, es könnte auch für uns Christen eine Hilfe sein, einen Tag bewusst zu beginnen und zu beenden. Wie wir den Tag beginnen, das entscheidet mit über den Verlauf eines Tages.
Wenn wir den Tag beispielsweise mit Gedanken beginnen, was alles zu erledigen ist und mit der Sorge, ob wir den Anforderungen des Tages gewachsen sind, hat dies Auswirkungen auf unser Tun und kostet Kraft.
Anders ist es, wenn wir nicht mit dem Terminkalender den Tag beginnen, sondern mit einer Besinnung, durch die wir erst einmal Kraft schöpfen, um den täglichen Herausforderungen gewachsen zu sein.
Was auf den Tagesbeginn zutrifft, das gilt in gewisser Weise auch von der Beendigung eines Tages. Beenden wir den Tag mit  Eindrücken, die das Fernsehen hinterlässt, oder nehmen wir uns vor dem Schlafen Zeit, das am Tag Erlebte nochmals zu bedenken und legen es in Gottes Hände?
Jeder mag seine Weise haben, was ihn zur Ruhe kommen lässt und was ihm Frieden schenkt. Hilfreich für uns Ältere können vertraute Liedverse aus dem Gesangbuch sein oder auch Gebete – beispielsweise Luther`s Abendsegen.
Nicht bloß am Morgen und am Abend soll nach jüdischer Tradition das sche`ma  gesprochenwerden, sondern auch beim Sterben. Gerade wo wir Menschen an unsere Grenzen kommen, beim Sterben, befreit uns die Ausrichtung auf Gott von der Todesangst. Beim Sterben, wo alles Irdische keinen Halt zu geben vermag, begreifen wir möglicherweise noch tiefer, was die Worte besagen: Der Herr ist unser Gott, der Herr allein. 
In einer Zeit, in der Gott nur am Rande, wenn überhaupt, Beachtung findet, brauchen wir Merkzeichen, und Gedächtnisstützen, die uns an Gott und sein Wirken erinnern.
Im gehörten Text ist von solchen Zeichen die Rede, die mitten im Alltag an Gott und seine Worte
erinnern sollen. Es wird da auf Gebetsriemen verwiesen, die auch heute noch von strenggläubigen Juden an den Armen und an der Stirn zwischen den Augen getragen werden.
Und du sollst sie binden zum Zeichen auf deine Hand, und sie sollen dir ein Merkzeichen zwischen den Augen sein, und du sollst sie schreiben auf die Pfosten deines Hauses und an die Tore. 
Dass der Text des sch`ma Israel auf die Türrahmen und auf Stadttore geschrieben werden soll, macht deutlich, dass Gott nicht bloß in der Familie beachtet sein soll, sondern  auch in der Öffentlichkeit und in der Politik. Es ist wohl kein Zufall, wenn die beiden Worte „Höre, Israel!“ am Eingang des israelischen Parlaments stehen.
Um wie viel menschlicher und friedlicher könnte es auf unserer Welt sein, wenn unsere Parlamente auf Gott ausgerichtet wären und sich vom Geist der Menschlichkeit und Gerechtigkeit leiten ließen.
Es genügt nicht, über Menschenrechte zu debattieren, sondern sie wollen auch umgesetzt werden. Eine bessere und gerechtere Welt entsteht nicht durch politische Programme und leere Parolen, sondern durch Menschen, die sich in ihrem Leben ganz von Gott leiten lassen – für uns Christen von einem Gott, der sich in Jesus Christus als Liebe und Gerechtigkeit zeigt. 
Und damit komme ich nochmals auf die Merkzeichen an Stirn und Händen zurück.
Veränderungen im Großen beginnen, wo Menschen sich von Gottes Liebe erfüllen lassen und sie in Achtung voreinander und Solidarität miteinander zu leben versuchen.
Gott will  nicht bloß im Gottesdienst für eine Stunde in der Woche, sondern mitten im  Alltag wahrgenommen und bezeugt werden.
Und dazu können Merkzeichen und Rituale durchaus hilfreich sein, wenn wir sie wahrnehmen und beherzigen.
Seit ich in Maria Steinbach lebe, lerne ich christliche, auch katholische  Rituale und Bräuche,
in neuer Weise schätzen. So kann die Aufschrift  der Sternsänger an den Haustüren durchaus eine Erinnerung an Gottes Segen sein, von dem wir leben.
Auch die Feldkreuze auf den Fluren können uns zum Nachdenken bringen und uns auf Gott hinweisen.
Gerade in einer Gesellschaft, in der Gott im Alltag geradezu ausklammert wird, wenn wir an die Debatte über Kruzifixe in  öffentlichen Gebäuden denken, ist es wichtig, Zeichen und Symbole, die  auf Gott und sein Wirken hinweisen, neu wahrzunehmen und zu beleben.
Dies kann auch schon dadurch geschehen, dass wir wieder mehr darauf achten, mit welchen Worten wir einander grüßen. So wird derzeit „Grüß Gott“ mehr und mehr durch „Hallo“ ersetzt.
Eine ähnliche Entwicklung lässt sich auch beim Abschiedsgruß beobachten.
„Adieu“ schwäbisch „Ade“ heißt wörtlich „mit Gott“ und ist ursprünglich ein Segenswort. 
Im heutigen Predigttext sind wir eingeladen, Gott mitten im Alltag wahrzunehmen und unser Leben nach ihm auszurichten. Wir sind eingeladen, uns Gott und seiner Liebe zu öffnen und sie einander weiterzugeben. Das ist der Weg, den uns Jesus Christus gezeigt hat.
Denn „Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“.(1.Joh.4,16)
In diesem Sinn wollen  wir die Worte aus dem 5. Mosebuch heute hören und unser Leben davon bestimmen lassen:
Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein.
Und du sollst den Herrn, deinen Gott, liebhaben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft – und  – so hat Jesus nicht ohne Grund hinzugefügt-  und deinen Nächsten wie dich selbst.
Amen

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Erstellt am: 25.08.2014 20:02 Uhr

Zündfunke, 17.08.14

Diakon Bertram Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Einen wunderschönen Sonntagmorgen, liebe Schwestern und Brüder!
Kennen Sie Esperanto? Vor 121 Jahren hatte ein Warschauer Augenarzt eine mehr als geniale Idee. Er erfand eine Kunstsprache – genannt Esperanto. Seine Idee damals war, wenn alle Menschen diese gemeinsame Sprache sprächen, dann könnten viele Konflikte in dieser Welt schneller entschärft und problemlos gelöst werden. Einfach, indem man miteinander und nicht übereinander, gelassen und nicht hasserfüllt spricht. Eine ebenso schöne, wie wohl auch naive Vorstellung. Spannungen Konflikte entstehen nun mal aus der Verschiedenheit zwischen den Menschen und vor allem aus der Unfähigkeit, genau diese Verschiedenheit zu akzeptieren und zu ertragen. Doch wir müssen uns eingestehen: Bis heute hat es keine Sprache der Welt geschafft, dass kriegerische Auseinandersetzungen ausbleiben; hat keine Sprache der Welt die Menschen daran gehindert, sich deswegen an die Gurgel zu gehen und einander nicht nur mundtot zu machen.
In der Bibel – Sie erinnern sich vielleicht – gibt es ja die Geschichte vom Turmbau zu Babel. Damals, so wird uns da erzählt, sprachen schon einmal alle Menschen die gleiche Sprache. Aber schon bald verfielen sie dem Größenwahn und begannen einen Turm zu bauen, der bis in den Himmel reichen sollte. Irgendwann würden sie es auch mit Gott ganz locker aufnehmen, so war ihr Hintergedanke. Nur – sie hatten die Rechnung eben ohne Gott gemacht. Denn der machte sich daran, ihre Sprache zu verwirren. Verschieden, wie sie trotz der einheitlichen Sprache auch waren, klappte es auf einmal nicht mehr so locker mit der Verständigung und sie zerstreuten sich aus diesem Grund mit verschiedenen Sprachen über die ganze Erde. Aus war’s mit der Einheit. Nix war mehr los mit einheitlicher Sprache und hervorragender Konfliktlösung.
Wenn sich Länder nun bei Weltmeisterschaften oder bei Olympischen Spielen versammeln, dann geht es da natürlich zuallererst um den Sport. Aber es geht vielleicht auch um die Vision, diese damals verlorene Einheit wieder zu finden. Durch den Sport aus unterschiedlichsten Kulturen doch noch eine Menschheitsfamilie zu machen. Das Desaster von Babel überwinden – zumindest für ein paar Tage oder das Gefühl bestärkt zu wissen, dass trotz aller Verschiedenheit eine gemeinsame Sprache wieder gefunden werden kann.

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Erstellt am: 18.08.2014 20:16 Uhr

Zündfunke, 16.08.14

Diakon Bertram Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Einen guten Morgen, wünsch ich Ihnen, liebe Schwestern und Brüder!
Kreuze am Straßenrand, wer von uns kennt sie nicht. Sie sind Zeichen dafür, dass an dieser Stelle jemand tödlich verunglückt ist. Oberhalb unseres Hauses ist seit ein paar Jahren auch so ein Kreuz am Straßenrand und ich kann eigentlich nie daran vorbei fahren, ohne wenigstens flüchtig daran zu denken, dass ein 16-jähriger hier mit seinem Moto tödlich verunglückt ist. Als ich jetzt in Deutschland war, da sind mir in meiner früheren Heimat auf vertrauten Straßen auch neue Kreuze aufgefallen. Spontan gehen mir da dann so Fragen durch den Kopf wie: Wer mag hier wohl verunglückt sein? Wie ist es passiert? Wie mag es jetzt wohl den Angehörigen gehen?
Manche dieser Kreuze sind ja verwittert und ungepflegt – Zeichen dafür, dass der Unfall vielleicht schon lange zurückliegt oder dass die Angehörigen diese Stelle nicht mehr als ihren Ort der Trauer und Erinnerung benötigen. Andere dagegen sind frisch bepflanzt und äußerst akkurat gepflegt – Zeichen dafür, dass sich jemand viel Mühe gibt und viel Zeit aufwendet an diesem Ort – in Gedanken und Gefühlen sicher voll Trauer und Sehnsucht an den oder die Verstorbene denkt.
Ich finde es gut, dass Polizei und Straßenmeisterei diese Kreuze dulden, obwohl es ja eigentlich nicht erlaubt ist, sie aufzustellen. Aber nur so können diese Zeichen für Tod und Trauer eben auch noch einen anderen Zweck erfüllen – nämlich zu mahnen. Und das sicher eindringlicher als Geschwindigkeitskontrollen oder Verbotsschilder. „Fahr vorsichtiger, langsamer, rücksichtsvoller“ scheinen einem diese Mahnmale zuzurufen. „Du hast nur ein Leben und Gesundheit kann man sich nicht kaufen. Fordere dein Schicksal nicht heraus, vertraue der Technik oder deinem Reaktionsvermögen nicht einfach blindlings.“ Vielleicht mahnen sie auch: „Lebe dein leben so intensiv wie möglich, denn du weißt nicht, wann es denn vorbei ist.“ Laut Statistik sind es überwiegend junge Menschen, die an solchen Kreuzen ihr Leben gelassen haben. Und die meisten dieser schrecklichen Unfälle passierten an Wochenenden, wo man sich ins pralle Leben aufmachen wollte und plötzlich den Tod gefunden hat. Zuviel PS, bei zuwenig Fahrpraxis, Alkohol oder einfach auch Aufschneiderei haben der sicher geglaubten Zukunft ein jähes Ende gesetzt.
Ich fahre an solchen Straßenkreuzen vorbei und es lässt mich eben nicht kalt, wenn ich mir vorstelle, dass vielleicht gänzlich Unbeteiligte mit in den Unfall verwickelt waren. Mir fällt dazu ein oft zitierter Vers aus dem Alten Testament ein: Alles hat seine Zeit, eine Zeit zum Leben und eine Zeit zum Sterben. Aber häufig ist der Zeitpunkt des Todes eben nicht der Wille Gottes, sondern der Mensch ist verantwortlich dafür, wann die Zeit zum Sterben gekommen ist. Wenn die Kreuze am Straßenrand dafür sorgen, dass weniger Menschen tödlich verunglücken und damit mehr vom Leben haben, dann hat der Tod derer, die sie symbolisieren, wenigstens etwas Sinn gehabt.

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Erstellt am: 18.08.2014 20:14 Uhr

Zündfunke, 15.08.14

Diakon Bertram Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Kennen Sie das noch aus ihrer alten Heimat, liebe Schwestern und Brüder? Da war es Jahrhunderte lang ein guter und bekannter Brauch, dreimal am Tag – und zwar morgens um sechs, mittags um zwölf und abends um sechs Uhr – die Kirchenglocken zu läuten, zum sogenannten „Angelus“ – dem „Engel des Herrn“. Die Glocken ließen die Leute bei der Arbeit innehalten, ja sogar die Bauern draußen auf dem Feld ließen ihre Arbeit Arbeit sein und beteten den „Engel des Herrn“. Es ist eine Gebetsform aus dem 17. Jahrhundert und es beinhaltet drei „Gegrüßet seist du Maria“, verbunden mit Versen aus dem Evangelium. „Verstaubte Tradition“, „nicht mehr zeitgemäß“, „ja da kann ich ja gar nichts damit anfangen“, mag der ein oder die andere dazu sagen.
Die Aussagen dieses alten Gebets treffen allerdings mitten in das Zentrum des christlichen Glaubens. Heute, am Fest Maria Himmelfahrt, dem Festtag in Candelaria und auf der Insel schlechthin, da lohnt es sich, genau daran zu erinnern. Denn wenn ich die Botschaft, die das Mädchen Maria da von Gott gehört hat, direkt auf mich anwende, dann ist sie plötzlich mehr als aktuell. „Der Engel des Herrn bringt eine Botschaft und wir empfangen vom Heiligen Geist“, so heißt es in diesem Gebet – stellvertretend für uns alle an Maria gerichtet. Was für eine Aussage. Gott schickt mir – ihnen und mir eine Botschaft, deren Inhalt ich nicht fassen kann. Ich kann sie „empfangen“, aber ich muss damit im wahrsten Sinne des Wortes „schwanger gehen“, ich muss darüber nachdenken und „brüten“ und sie dann in die Welt bringen. Dabei muss mir klar sein, dass Gott in indirekter Weise zu mir spricht. Oft in unauffälligen, alltäglichen Kleinigkeiten; in Zufällen, die ich vielleicht erst viel später als wichtig erkenne. Ich brauche also ein ganz offenes, inneres Ohr, muss hellwach sein, auch gegenüber meinen Mitmenschen. Nur dann kann ich wirklich hören, was Gott hier und heute von mir will.
Dem Mädchen Maria ist das wohl so ergangen. Sie stand im Dialog mit Gott und sie antwortete ihm: „Mir geschehe nach deinem Wort.“ Übersetzt würde ich sagen heißt das: „Ich bin ganz für dich da. Ich ordne mich deinem Willen unter und ich werde tun, was du von mir verlangst.“ Auch das ist für viele Ohren unverständlich und ungeheuerlich. Wer will sich heute denn schon freiwillig unterordnen und seine Freiheiten beschneiden lassen? Aber Vorsicht! Vielleicht ist ja auch das Gegenteil der Fall. Wer heute betet, der wird das nicht als Freiheitsberaubung ansehen. Der schenkt sich eine Auszeit zum Abschalten, Hören, frei sein für mich und für Gott: Deshalb am heutigen Feiertag ein kurzes Gebet:
„Herr, sende uns deinen Heiligen Geist, so wie du den Engel zu Maria gesandt hast. Sende uns einen Heiligen Geist, damit er uns fähig macht, dein Wort aufzunehmen, es in uns stark werden zu lassen und die Welt dadurch ein wenig lebenswerter zu machen. Amen.“

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Erstellt am: 18.08.2014 20:13 Uhr

Zündfunke, 14.08.14

Diakon Bertram Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
18.200 Tage sind eine lange Zeit, liebe Schwestern und Brüder. Das sind 50 Jahre, die Zeit also, die verheiratete Paare zusammen verbracht haben, wenn sie vor dem Fest ihrer Goldenen Hochzeit stehen. Hier auf Teneriffa hab’ ich schon mit vielen Paaren dieses Fest gefeiert. Es sind Menschen, die aus der Generation kommen, die den 2. Weltkrieg noch als Kinder oder Jugendliche erlebt haben und die danach mit ihren Eltern eine neue Existenz aufbauen mussten. Dazu gehörten dann auch die Eheschließung und die Gründung einer eigenen Familie. Mehr als 18.000 Tage das Leben miteinander teilen, das bedeutet eben nicht nur Friede, Freude und Spaß, sondern oft eben auch Leid und Last, ungelebte Träume und zerstörte Illusionen, Verlust und Verzicht. Und nach sollen Anfangszeiten, wie sie unsere Goldpaare hatten, war das alles kein Zuckerschlecken.
Dennoch freuen sich viele Paare wie „Jungspunde“ auf diesen Tag ihrer Goldenen Hochzeit. Sie sind mächtig stolz, solange zusammen zu sein und viele fragen sich, wo denn eigentlich die Zeit geblieben ist. Manche bekommen noch mal ungeahnte Energien, um dieses Fest bewusst feiern zu können und schwelgen dann in Erinnerungen vergangener Zeiten. Z.B. an das gegebene Versprechen in guten und in schweren Tagen zueinander zu halten, ohne wenn und aber, solange man lebt. Den Paaren ist klar, dass dieses Versprechen einer Haltung entsprach, die absolut gegenläufig zum heutigen Trend ist. Dabei wissen die Goldjubelpaare durchaus um die Qualität aber auch die Zerbrechlichkeit des einmal gegebenen Versprechens. Dementsprechend kommen dann in Gespräch mit ihnen auch Sätze wie: „Es war nicht immer einfach. Oft mussten wir uns durchbeißen.“ Oder: „Die jungen Leute heutzutage geben ihre Beziehung einfach viel zu schnell auf. War es dann wirklich Liebe und Zuneigung?“ Und immer wieder wird eben auch geäußert – und ich glaube nicht, dass diese Paare das nur im Gespräch mit mir so handhaben: „Ohne ihn – ohne den Herrgott – hätten wir’s nicht gepackt.“
Mit Gottes Hilfe haben sie gerechnet, auf seinen Beistand gehofft, seinen Segen erbeten – und dann stehen sie nach 50 Jahren wieder vor einem Altar – Ausgangspunkt für den ersten Schritt in das gemeinsame Leben. Diese Paare wissen: Dieses „Sich-Trauen“ bedeutet einander vertrauen, bedeutet glauben und hoffen. Es bedeutet auch, die lebenslange Liebe zueinander nicht garantieren zu können, aber es 100%tig zu wollen. Und – es bedeutet daran zu glauben, dass diese Liebe nicht nur von einem selbst abhängt, sondern auch ein Geschenk Gottes ist.

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Erstellt am: 18.08.2014 20:12 Uhr

Zündfunke, 13.08.14

Diakon Bertram Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Wissen Sie, liebe Schwestern und Brüder, weshalb man in einer Krankenversicherung ist? Was für eine Frage, denken Sie jetzt vielleicht – um eben gegen Krankheiten versichert zu sein. Falsch! Sie sind nicht gegen Krankheiten versichert, sondern wegen!! Es ist zwar nur ein Buchstabe Unterschied, aber der hat es ganz gewaltig in sich. Wenn man sich nämlich gegen Krankheiten versichern könnte, dann wäre das schön. Alle blieben wir gesund und die Kassen hätten eigentlich gar keine Unkosten zu fürchten. Aber da dem nicht so ist, werden wir trotzdem krank, und deshalb gibt es die Krankenversicherung, Kostenlawinen und Gesundheitsreformen.
Apropos „Gesundheitsreform“. Da wird also die Gesundheit reformiert, wird neu bestimmt, was „gesund“ bedeutet oder was einen Kranken von einem Gesunden unterscheidet oder wann ein Kranker aufhört als Kranker zu gelten. Wenn die Krankenkasse nicht mehr zuständig ist, ist dann ein Kranker nicht mehr krank? Doch durchaus schon. Nur ist er dann unheilbar krank. Und für unheilbar Kranke sind die Angehörigen, die Pflegeheime und die Pflegeversicherung zuständig. Heilbar und unheilbar, Heil und Unheil, für das Evangelium – die frohe Botschaft der Christen – ganz zentrale Worte. Jesus „lehrte in den Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich Gottes und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden.“ So zumindest steht es beim Evangelisten Matthäus (4,23)
Wie gern würde ich das glauben, wie gern es wirklich ganz wörtlich nehmen. Aber das kann ich leider nicht. Es gibt zu viel Elend, zu viel Krankheit und Leid in den Krankenzimmern und Pflegeheimen, als das ich das wirklich von Herzen glauben könnte. Die Realität ist einfach anders, wie hier im Evangelium beschrieben. Und sie war es, so denke ich, auch damals. „Er hat unser Leiden auf sich genommen und unsere Krankheiten getragen“, so heißt es ebenfalls bei Matthäus. Aber Moment mal – vielleicht ist es ja das. Das Wunder bestand damals und besteht heute darin, dass Menschen anpacken und mittragen. Die beste Krankenversicherung also, die ich haben kann, ist die Versicherung, dass ich als Kranker nicht allein gelassen werde. Das gilt für die, die hauptberuflich pflegen, für die vielen pflegenden Angehörigen, aber auch für die vielen, vielen Stunden der Besuche und der kleinen Handgriffe und Hilfen in den Alten- und Pflegeheimen.
Dort, wo die Zuständigkeit aller Versicherungen und Kassen irgendwann endet, wo keine Gesundheitsreform mehr greift, wo Menschen wie selbstverständlich am Krankenbett Leid und Elend mit tragen, dort beginnt im biblischen Sinne das Reich Gottes, ein Stückchen Himmel auf unserer mehr als brüchigen Erde.

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Erstellt am: 18.08.2014 20:10 Uhr

Zündfunke, 12.08.14

Diakon Bertram Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Ich kann mich noch erinnern, verehrte Schwestern und Brüder, wie ehrfürchtig der junge Mann die Schallplatte in der Hand hielt. Es war die Originalfassung der „Revolver“ von den Beatles aus dem Jahr 1965. Für den 17-jährigen Schallplattenfreak etwas ganz Besonderes auf dem Flohmarkt. Oder ich denke an die Fußballfans, die sich die schweißgetränkten Trikots ihrer Vereinshelden unter den Nagel reißen, wann immer diese sie unters Volk werfen und ich bin mir sicher, so manch einer hütet das wie einen Schatz.
Im Deutschen haben wir für dieses Phänomen ein seltsames Wort. Es heißt „Ehrfurcht“ und wir verwenden es dann, wenn wir vor etwas ganz Besonderem sprichwörtlich in die Knie gehen. Der Duden sagt mir, wie man Ehrfurcht am ehesten umschreiben kann: „Achtungsvolle Scheue, Respekt vor der Würde, Anerkennung der Erhabenheit.“ Gut, das gilt nun nicht unbedingt für ein Handtuch oder für ein Trikot, aber für die Personen, die es tragen oder die man damit verbindet und die für einen Normalsterblichen eigentlich unerreichbar sind.
Ich gebe zu: Ehrfurcht, das klingt heute etwas altbacken und irgendwie aus der Mode gekommen. Respekt – ja, aber Ehrfurcht? Das mag daran liegen, dass dieser Ausdruck zunächst etwas mit dem religiösen Bereich zu tun hat. Es steht für eine Haltung, in der man noch etwas wahrnimmt, für das der, der eben keine Ehrfurcht hat, blind ist: Für die Empfindungen, dass etwas heilig und unnahbar ist oder zumindest sein kann. Für die Erfahrung des Hohen, Mächtigen und Herrlichen, des Jenseitigen oder auch des Einzigartigen.
Vielen Besuchern von Kirchen scheint das ja auch abhanden gekommen zu sein. Gerade in der Urlaubszeit beobachtet man Menschen, die nur die alten Mauern sehen und sich auch dementsprechend benehmen. Es fehlt ihnen an Ehrfurcht, denn sie haben diesen Gott vielleicht noch gar nicht kennen gelernt. Diese Menschen werden mehr, ihre Zahl nimmt zu und das ist nicht gefährlich. Denn wo einer Gott nicht kennt und keine Ehrfurcht vor dem Schöpfergott empfindet, der treibt vielleicht auch leichter Raubbau an der Natur, an Gottes guter Schöpfung und da sieht menschliches Leben oft einfach als Verfügungsmasse an.
Einer, der Zeit seines Lebens darauf hingewiesen hat, wie wichtig die Ehrfurcht vor dem Leben ist, war Albert Schweitzer. „Bringt dem fremden Leben soviel an Ehrfurcht entgegen wie dem eigenen“, predigte er. Und in der „Erklärung zum Weltethos“ formuliert das so genannte „Parlament der Weltreligionen“ bereits 1993, dass die „Ehrfurcht vor allem Leben“ eine der Grundbedingungen für eine friedliche und lebenswerte Welt der Zukunft bedeutet.

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Erstellt am: 18.08.2014 20:09 Uhr

Zündfunke, 11.08.14

Diakon Bertram Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Einen guten Wochenanfang wünsch ich Ihnen, liebe Schwestern und Brüder!
Es ist schon so: Wer gerade in den Sommermonaten Zeit und Muße findet, die Natur etwas genauer zu betrachten, der kann Erstaunliches feststellen. Z.B. haben Bekannte von uns einen Teich künstlich angelegt. Zuerst waren da nur ein mit Wasser gefülltes Loch und viel frische Erde drum herum. Aber nur wenige Wochen später war das Wasser klar, die Pflanzen am Ufer schon recht groß und Libellen, Mücken, Wasserflöhe und Schnecken tummelten sich in oder am Wasser und ab und an hörte man sogar schon einen Frosch quaken. Die Tiere und Pflanzen fühlen sich anscheinend mehr als wohl. Eigentlich sind es ja nur ein paar Quadratmeter; aber sie sind so voller Leben, dass man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt. Man muss sich nur die Zeit nehmen und lang genug hinschauen und natürlich einen Sinn, ein Gespür für die kleinen Dinge im Leben haben.
Gänseblümchen und Spatzen, Sand und Steine, Salz und Brot, Wasser und Wein, Samenkörner und Pfennige. Wenn Jesus seinen Freunden erzählen wollte, wie Gott mit den Menschen umgeht, dann hat er immer und immer wieder diese kleinen Dinge bemüht und Gleichnisse mit ihnen erzählt. Und ich denk mir dann, dass ich auch aus den vielen kleinen Dingen in einem Gartenteich etwas über das Leben lernen kann. Das Erste, was ich lerne: Du brauchst Zeit. Man kann das Leben nicht aus der Erde herausziehen und der Frosch muss seinen Wohnort selbst bestimmen. „Ich will alles und das sofort“, das funktioniert hier nicht. Leben, echtes und unverfälschtes Leben braucht Zeit und Geduld.
Das Zweite, was ich lerne ist: Das meiste Leben ist klein und doch beachtenswert. Wer nur die Autobahnperspektive kennt und meint, in einem Tag Teneriffa besichtigen zu können, der geht am Leben vorbei. Das Leben besteht nicht nur aus großen Ereignissen, sondern meist sind es doch die vielen, ganz kleinen und winzigen Dinge, die es ausmachen. Man muss sie wahrnehmen und begreifen, wie wertvoll sie sein können. Und das Dritte, was ich vom eingangs erwähnten Teich lerne: Das Leben ist viel reicher, als es auf den ersten Blick aussieht. Der erste Blick zeigt nur den Teich; der tiefere Blick aber, wenn ich näher trete, mich klein mache, der sieht hundert verschiedene Einzelheiten.
Wer also nur auf den großen, den ganz entscheidenden Wurf wartet, der wartet meistens vergebens. Deshalb wünsche ich Ihnen, dass Sie in den Tagen Ihres Urlaubs hier auf unserer wunderschönen Insel, Ihre Augen wirklich aufmachen für die vielen kleinen, aber oft mehr als schönen Dinge unseres Lebens.

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Erstellt am: 18.08.2014 20:08 Uhr

Predigt am 20. Sonntag im Jahreskreis 2014 (17.08.)

Lesung: Offb 11, 19a; 12,1-6a; 10 ab / Evangelium: Lk 1, 39-56
Schwestern und Brüder!
Es ist nicht gerade einfach, das Fest, welches wir am Freitag allüberall in der katholischen Welt gefeiert haben und welches wir heute hier nachholen, wirklich kurz und bündig zu erklären. Schon allein die Bezeichnung: „Hochfest der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel“ irritiert so manchen Zeitgenossen. Woher wollt Ihr das denn so genau wissen? fragte mich mal ein kritischer Zeitgeist und es war wahrlich nicht leicht, ihm diese Frage schlüssig und zufriedenstellend zu beantworten. Hilfreicher als so manche römisch-katholische Verlautbarung war für mich da, was die orthodoxe Kirche zu diesem Festtag sagt:
„Die Quelle des Lebens wird in die Gruft gelegt, und eine Leiter zum Himmel wird das Grab.“ Mit diesen Worten beschreibt die Kirche des Ostens diesen 15. August, der dort seit eh und je als Fest „Mariä Entschlafung“ begangen wird. Ein Fest übrigens, das die Kirchen der Reformation so nie mitfeiern konnten. Das wurde noch einmal ganz offensichtlich, als nämlich Pius XII 1950 diese „Aufnahme Mariens mit Leib und Seele in den Himmel“ zum Dogma erklärte – das erste und einzige übrigens seit dem I. Vatikanischen Konzil. Der Papst hatte vorher alle röm.-kath. Bischöfe der Weltkirche befragen lassen, wie tief denn der Glaube an diese „Himmelfahrt Mariens“ im gläubigen Volk verankert sei. Knapp 1200 Bischöfe sprachen sich für, nur 22 gegen dieses Dogma aus. Die alte Streitfrage also, ob eine über eineinhalb Jahrtausende gewachsene Glaubenstradition für einen verbindlichen Glaubensinhalt – sprich ein kirchliches Dogma – ausreichend sei oder ob nicht andererseits einzig und allein das biblische Zeugnis zählen sollte – was ja nun in diesem Falle schlicht und ergreifend fehlt – diese Streitfrage
blieb damit offen und wird wohl auch nie geklärt werden.
Doch bei allen Vorbehalten, die man nun vom reinen Menschenverstand her gegen dieses Dogma vorbringen kann: Im Kern dieses Festes selbst, da steckt eine atemberaubende Botschaft – wider alle vermeintliche und leider Gottes auch lange genug verbreitete christliche Leibfeindlichkeit. Dieses Fest sagt nämlich nichts anderes als: Was Gott an der Mutter Jesu gewirkt hat, das gilt auch uns allen – Ihnen und mir. Unser Leib ist eben nicht nur unsere „sterbliche Hülle“, wie es in frommen Traktaten oder auch Trauerpredigten immer wieder heißt. Nein, wirklich ganz und gar Mensch sind wir nur in der Einheit von Leib, Seele und Geist. Und da wir eben glauben, als ganze Menschen zu Gott zu gelangen, kann dies dann auch nur in dieser von Gott – wie auch immer – wiederhergestellten Einheit von Leib, Seele und Geist geschehen. Unser Lebensraum ist nicht nur die Materie, die dem Geist auf Zeit als Herberge dient. Nein, auch unser Leib darf auf Verwandlung hoffen. Wie das am Ende dann funktionieren kann, das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber es ist für mich ein überaus liebenswerter Gedanke, dass nicht nur meine Seele, sondern auch dieser mein Leib, also der Körper, der mich als Bertram Bolz ausmacht und darstellt, mich charakterisiert und auch so etwas wie ein Aushängeschild ist, dass dieser Leib eine so große Würde hat, dass er in Gottes guter Obhut ist. Warum singen wir denn in den alten Marienliedern so Texte wie: „Wunderschön prächtige“ oder auch „Die Schönste von allen“? Weil wir damit genau das zum Ausdruck bringen möchten, welch einmalige Würde eben auch unser Körper hat.
Nun gibt es ja aber auch in der sogenannten ästhetischen Medizin diese Begrifflichkeit „Schönheit“ bzw. den Slogan „Schönheit entfalten“. Nur, da geht es um etwas ganz anderes, als in unserer christlichen Sichtweise. Bei der ästhetischen Medizin geht es um Falten entfernen – also darum, Schönheit im wahrsten Sinne des Wortes zu „ent-falten“. Oder anders gesagt: Falten wegspritzen mit dem Nervengift Botox, mit dem ganz gezielt Gesichtsmuskeln gelähmt werden, um die Haut zu straffen und die Spuren des Alters zu beseitigen. Was darüber hinaus in der sogenannten Schönheitsmedizin oder auch plastischen Chirurgie sonst noch alles möglich ist, das wissen wir heutzutage vielfach aus den Medien oder auch dem eigenen Bekanntenkreis: Bauchfett wegsaugen, Brüste vergrößern oder verkleinern und noch ganz andere peinliche Manipulationen an den intimsten Körperstellen. Bei manchen Bildern bleibt einem da schlicht und ergreifend die Spucke weg! Doch es ist, was es ist: Ein absurdes und gigantisches Geschäft mit unserer immensen Angst vor dem Altwerden. Unter dem Motto „Anti aging“ wird der Körper auf nahezu allen Etagen und an nahezu allen Ecken und Enden traktiert, um oft in geradezu grotesker Weise die Spuren der Vergänglichkeit zu verwischen.
An Maria und ihrem speziellen Festtag aber konkretisiert sich für uns der Glaube, dass Gott uns mit unserem Leib und unserer Seele liebt. Auch wenn dieser Körper alt wird oder gar behindert ist, so ist er doch in den Augen Gottes unendlich kostbar. Auch wenn der Körper im Tod verfällt, so wird der Mensch – Ihre und meine Seele – auferweckt in einem neuen Leib. Wie schon gesagt, wie das vor sich geht, das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber genau diese unerhörte Botschaft hat sich doch seit dem ersten Osterfest unter uns Christen gehalten. Oder man könnte auch sagen: Mariä Himmelfahrt hat das Osterfest nicht nur verlängert, sondern verjüngt. Wenn wir älter werden, können wir Jünger bleiben: Wohlgemerkt wird hier Jünger großgeschrieben – Jünger als Frauen und Männer. Jüngerinnen und Jünger Jesu haben es nicht nötig, ewig jung zu bleiben oder so erscheinen zu wollen. Und warum? Weil vor Gott unsere Schönheit nicht von unserem Aussehen, sondern von unserer inneren Einstellung abhängt. Wie hat Albert Schweitzer gesagt: „Mit 20 hat jeder das Gesicht, das Gott ihm gegeben hat; mit 40 jenes, das ihm das Leben zugedacht hat und mit 60 hat jeder Mensch das Gesicht, das er verdient.“ Gemeint ist damit ganz offensichtlich, dass sich in unseren Gesichtszügen eines Tages unser Lebenswandel, unsere Lebenseinstellung, unsere Lebensfreude, aber auch unsere Lebensnot abbildet. All das hinterlässt Spuren, prägt unser Gesicht je älter wir werden und lässt sich nicht so leicht überschminken. Es ist die Schönheit, die von innen kommt, welche uns das heutige Fest lehrt und in Maria vor Augen stellt.
Und noch einen Gedanken möchte ich hier an diesem Fest einbringen: Unabhängig von der kritisch zu beurteilenden Dogmenentwicklung in unserer Kirche und dem, was Pius XII. letztlich bewogen haben mag, als er 1950 diesen Glaubenssatz von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel verkündet hat, halte ich mir noch etwas ganz Ungeheures vor Augen. Und zwar das Ungeheure, was mit menschlichen Körpern zwischen 1933 und 1945 geschehen ist. Ob es diesem Papst, dem man bis heute – vielleicht zu recht – vorhält, nicht laut und deutlich und vor allem nicht früh genug seine Stimme gegen die Verfolgung und Vernichtung der Juden erhoben zu haben; ob es Pius XII. wirklich bewusst war, was er hier fünf Jahre nach Kriegsende und all diesen schrecklichen Ereignissen feierlich erklärt hat? Dass nämlich die Jüdin Maria „mit Leib und Seele“ von Gott in den Himmel aufgenommen worden ist? Nur wenige Jahre zuvor zählte doch dieser Leib, dieser Körper einer Jüdin und eines Juden, von sogenannten (Unter)-Menschen nichts, aber auch gar nichts. Die Körper dieser Menschen wurden geschändet, gequält, zusammengepfercht in den KZ’s und als Arbeitsmaterial so lange verzweckt, bis sie – nein nicht gestorben, sondern krepiert waren – wenn sie nicht schon vorher aussortiert und in die Gaskammern getrieben wurden. Die Nazi-Schergen verbrannten die Körper nicht, um ihnen ein ehrenvolles Urnenbegräbnis zu gewähren, sondern um sie – gemäß ihrem Rassenwahn – total auszulöschen. Nichts sollte von ihnen übrigbleiben; nichts von ihrem Leben und nichts von ihren Körpern. Dieser gottlosen Ideologie, deren Anhänger und Mitläufer samt und sonders getaufte Christen waren, hat die Kirche mit diesem Marien-Dogma spät genug und vielleicht ohne es wirklich zu ahnen, ganz vehement widersprochen. Dabei wäre es noch ein schönes zusätzliches Zeichen gewesen, wenn der Papst ganz bewusst von der Jüdin Maria gesprochen hätte, die als Mensch mit Leib und Seele dorthin gelangt ist, wo der biblische Gott sein Reich der Liebe lebt – mit allen Menschen, die sich seiner Liebe anvertrauen und sie mit ihm leben.
Soweit mein Erklärungsversuch zu diesem – wahrlich nicht einfachen – Hochfest unserer Kirche. Wenn wir daraus für uns heute ableiten können, dass auch uns bevorsteht, was Maria schon erfahren hat, dann müssen wir unserem Körper keine Gewalt antun, um ihn so hinzubekommen, dass er anscheinend unvergänglich wirkt. Denn unvergänglich sind einzig und allein Gott und seine Liebe. In diesem Sinne: Lassen wir die Finger weg von einem übertriebenen Körper-, aber auch von einem übertriebenen Marienkult. Geben wir Gott die Ehre, der Großes an ihr getan hat und auch an uns tun will. Deshalb kann unsere Devise nur heißen: Nicht den Leib sollen wir vergötzen, sondern „Gott in unserem Leib verherrlichen“. Amen.

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Erstellt am: 18.08.2014 11:40 Uhr

Predigt vom 17.08.14

Bilder und Vorstellungen über Gott bedürfen von Zeit zu Zeit der Überprüfung.
Wo sie uns einengen und Angst machen, da bedürfen sie der Korrektur!
Dies wird schon im Alten Testament deutlich – beim Propheten Elia, der im
9. Jahrhundert vor Christus in Israel als Prophet wirkte.
Auch der große Prophet musste erst lernen, dass Gott nicht ein Zerstörer des Lebens ist , sondern einer, der zum Leben verhilft und aus Ängsten befreit.
Elia kämpfte gegen die Vermischung der Religion, speziell gegen den Baalskult, gegen die Verehrung eines Wetter- und Fruchtbarkeitsgottes.
Auf dem Karmelgebirge kam es zu einem Blutbad, bei dem Hunderte von Baalspriestern auf grausame Weise hingemetzelt wurden.
Als die Königin Isebel, die Frau des Königs Ahab, die dem Baalskult nahe stand, von diesem Blutbad erfuhr, trachtete sie Elia nach dem Leben.
Hier beginnt die Erzählung unseres heutigen Predigtextes, der etwas länger ist.
Wir hören aus 1. Könige 19,1-13a:
Und Ahab sagte Isebel alles, was Elia getan hatte und wie er alle Propheten Baals mit dem Schwert ungebracht hatte.
Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen:
die Götter sollen mir dies oder das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast!
Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort.
Er aber ging hin in die Wüste eine Tagesreise weit und kam und setzte sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte zu sterben und sprach:
Es ist genug, so nimm nun Herr meine Seele; denn ich bin nicht besser als meine Väter.
Und er legte sich und schlief unter dem Ginsterstrauch.
Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss!
Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser.
Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen.
Und der Engel kam zum zweiten mal wieder und rührte ihn an und sprach:
Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir.
Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.
Und er kam dort in eine Höhle und blieb dort über Nacht.
Und siehe, dass Wort des Herrn kam zu ihm: Was machst du hier, Elia?
Er sprach: Ich habe geeifert für den Herrn, den Gott Zebaoth; denn Israel hat deinen Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen und deine Propheten mit dem Schwert getötet, und ich bin allein übrig geblieben, und sie trachten danach, dass sie mir mein Leben nehmen.
Der Herr sprach: Geh heraus und tritt auf den Berg vor den Herrn! Und siehe, der Herr wird vorübergehen.
Und ein großer, starker Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, kam vor dem Herrn her; der Herr aber war nicht in dem Sturm.
Nach dem Sturm kam ein Erdbeben; aber der Herr war nicht im Erdbeben.
Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer, aber der Herr war nicht im Feuer.
Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Säuseln.
Als das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und ging hinaus und trat an den Eingang der Höhle.
(Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Weg.)
Liebe Gemeinde

Mit der eben gehörten Erzählung sind wir eingeladen, uns mit dem Prophet Elia auf den Weg zu machen, um Gott in neuer und vertiefter Weise zu erfahren.
Am Ende der Erzählung erfährt Elia Gott auf neue Weise.
Auf dem Berg Horeb – am Ende eines langen Wegs – kommt es zu einer Gottesbegegnung, die den Propheten Gott neu sehen lässt und die ihn von Angst befreit.
Er tritt heraus aus der Höhle, in die er in seiner Angst geflüchtet war.

Äußerlich betrachtet war sein bisheriges Leben und Wirken als Prophet von Erfolg gekrönt.
Das Volk hatte zurückgefunden zum Gott der Väter. Die feindlichen Baalspriester waren beseitigt und Elia war gegenüber den Baalspriestern Sieger geblieben.
Eigentlich könnte er zufrieden und voller Zuversicht sein.
Und nun bringt ihn die Drohung der Königin Isebel dermaßen aus dem Konzept, dass er aufgeben möchte.
Was Elia zuvor von sich und anderen forderte, nämlich ein klares und eindeutiges Bekenntnis zu Gott ohne Rücksicht auf die Folgen, davon ist in der gehörten Erzählung wenig zu spüren.

Aus Angst vor Rache flüchtet er in den Süden; er rennt buchstäblich um sein Leben:
Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben.
Schließlich flüchtet er in die Einsamkeit der Wüste und lässt sich an einem Ginsterstrauch nieder. Er muss wohl sehr verzweifelt gewesen sein, wenn es in der Erzählung heißt:
Er aber ging hin in die Wüste eine Tagesreise und kam und setzte sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte sich, zu sterben.
In seiner Verzweiflung spricht er aus, was ihn bedrückt:
Es ist genug, so nimm nun, Herr, meine Seele, ich bin nicht besser als meine Väter.

Es gibt im Leben Situationen, in denen auch wir an unsere Grenzen kommen und keine Kraft mehr haben. In solchen Zeiten ist dann der Schritt nicht weit, wie Elia zu sagen: Es ist genug.
Es macht nachdenklich, dass in Deutschland, das zu den reichsten Ländern der Welt gehört, sich mehr Menschen als im Straßenverkehr umkommen durch eigene Hand umbringen.
Oder denken wir an die Zunahme von psychischen Krankheiten, oft ausgelöst durch Stress und überzogene Anforderungen. „Bourn out“, „Ausgebranntsein“ heißt die neue Krankheit, die zuzunehmen scheint, und viele am Leben verzweifeln lässt.
Schicksalsschläge wie Krankheiten, Tod und Schwierigkeiten im familiären Umfeld können Menschen in Verzweiflung treiben. Auch Gläubige werden davon nicht verschont und können in Situationen kommen, in denen sie keine Kraft zum Weitermachen mehr haben.

Was den Propheten Elia am Ende zur Verzweiflung brachte, war wohl mehr als die erwähnten Drohworte der Königin Isebel. Möglicherweise war er über sich selbst enttäuscht – über seine
eigenen Vorstellungen und Lebensziele, wenn wir an seine resignierende Worte denken, die er seinem Todeswunsch hinzufügt: Ich bin nicht besser als meine Väter.

Inmitten der Verzweiflung bleibt Elia dennoch auf Gott ausgerichtet.
In den Worten: So nimm nun Herr, meine Seele spricht nicht allein pure Verzweiflung, sondern zugleich ein Vertrauen auf Gott, in dessen Hände wir alles legen können.

Wo immer wir uns an Gott wenden, uns ihm überlassen und auch unser „nicht mehr können“ in Seine Hände legen, da bleiben wir nicht ohne Hilfe.
Gottes Hilfe erfährt Elia mitten in der Wüste. In unserer Erzählung wird diese Hilfe mit dem Bild vom Engel beschrieben, der ihn im Schlaf begegnet und mit neuer Kraft erfüllt.

Wo Gott in unser Leben eingreift und unsere Seele heilt, da braucht es eine besondere Sprache, die unsere Alltagssprache übersteigt – so wie es der Verfasser des 1. Königsbuchs auch tut: Und siehe, ein Engel (ein Bote Gottes) rührte ihn an und sprach zu ihm: steh auf und iss!
Essen und Trinken, auf die der Engel hinweist, halten – wie es im Sprichwort heißt – Leib und Seele zusammen. Heilung ist immer auch ein ganzheitlicher Prozess, zu dem die Befriedigung von elementaren Bedürfnissen wie Essen und Trinken gehört.
Von der Mystikerin Theresa von Avila stammt das Wort, das an die Bitte des Engels erinnert:
„Tu deinem Leib Gutes; dann hat deine Seele Lust darin zu wohnen.“
Beide, die körperliche und die spirituelle Dimension wollen beachtet sein, damit die Seele genesen kann. Das braucht Zeit und Geduld!
In der Erzählung kommt dies in der wiederholten Begegnung mit dem Engel zum Ausdruck.
Beim zweiten Mal fügt der Engel der Aufforderung Steh auf und iss die Begründung hinzu:
Denn du hast einen weiten Weg vor dir.
Elia hört auf den Engel und lässt sich inwendig ansprechen. Er vertraut den Worten und macht sich auf den weiten Weg durch die Wüste bis zum Gottesberg Horeb.

Um Gott zu erkennen und zu erfahren, kann der Weg mitunter weit und schwierig sein.
Elia verbringt viele Tage und Nächte in der Wüste.
Und als er endlich auf dem Berg ankam, der in der Antike als Ort besonderer Gottesbegegnung galt, da verkriecht er sich in einer Höhle.
Und da in der Höhle begegnet ihm Gottes Anruf. Und siehe, das Wort des Herrn kam zu ihm:
Was machst du hier, Elia?

Mit dieser Frage wird Elia aufgefordert, sich zu stellen und sein bisheriges Leben zu überdenken. Auf dem Karmel hat er sich für einen Gott stark gemacht, der in zerstörerischen Naturphänomenen am Werke ist und erbarmungslos gegen Andersgläubige vorgeht.
Diese Gottesbild muss er berichtigen und loslassen, um Gott in neuer Weise zu erfahren.

Ich denke, auch wir müssen unsere Bilder und Vorstellungen von Gott immer wieder neu
überprüfen und gegebenenfalls korrigieren.
Glaubensvorstellungen, die unser Leben einengen und die uns in der Höhle gefangen halten, müssen verlassen und korrigiert werden.
Martin Luther spricht vom „homo incurvatus in se“ – vom „in sich gekrümmten Menschen“,
aus dem wir befreit werden sollen.
Dies muss Elia auf dem Gottesberg lernen, wenn es da weiter heißt: Der Herr sprach:
Geh heraus und tritt hin auf den Berg vor den Herrn.

Um Gott zu erkennen und zu erfahren, ist es erforderlich, all das loszulassen, was seinem Wirken entgegensteht. Das kann Angst sein, die uns lähmt und die uns in der Höhle gefangen hält.
Es können auch Bilder und Vorstellungen von Gott sein, die nicht an Jesus Christus ausgerichtet sind.
Von all dem müssen wir uns trennen, aus der Höhle heraustreten, und uns stattdessen an Jesus Christus orientieren.
In seinem Antlitz zeigt sich uns Gott als Liebe, die uns hält und an die wir uns halten können.

Am Ende der Erzählung erfährt auch Elia, dass Gott nicht in zerstörerischen spektakulären Machterweisen am Werke ist. Im Bibeltext heißt es:
Nach dem Sturm, dem Erdbeben und dem Feuer, in dem der Herr nicht war, kam ein stilles, sanftes Säuseln.
Unsere rationale, ans Äußere gebundene Sprache reicht nicht aus, um inwendige Prozesse zu beschreiben. Wort wie stilles Säuseln sind lediglich Versuche, das letztlich Unsagbare in Worte zu kleiden.
Wo immer Gott uns in tieferer Weise berührt und anspricht, da treten wir aus dem Gewohnten heraus und verlassen alte und gewohnte Geleise.
Mit dieser Aussage schließt der heutige Predigttext:
Als das Elia hörte – das stille, sanfte Säuseln – ging er hinaus und trat an den Eingang der Höhle.
Und dazu, liebe Gemeinde, sind auch wir heute mit Elia eingeladen. Wir sind eingeladen, aus der Höhle herauszutreten – aus festgefahrenen Vorstellungen und Gewohnheiten, die uns den Weg zu Gott, zum Leben, verbauen.

Ekstase heißt wörtlich „heraustreten“ – heraustreten aus der Höhle, die unser Leben verdunkelt und einengt.
Und dazu schenke uns Gott seinen Segen.
Er schenke uns in Jesus Christus, dass wir aus der Höhle der Angst und der Ichbezogenheit heraustreten und uns Seiner Liebe überlassen.
Amen

Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt
Der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt.
Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege lauf und Bahn,
der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.

361 1 u.2, 4 u 6

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Erstellt am: 18.08.2014 11:35 Uhr