L I: Jes 22, 19-23 / Ev.: Mt 16, 13-20
Schwestern und Brüder!
Was wurde über den eben gehörten Text des Evangeliums nicht schon alles geschrieben. Ich glaube, man könnte meterweise Buchregale damit füllen – vor allem mit Werken oder auch Schmökern über den zweiten Teil, bei dem es um die Verheißung an Petrus geht. Auf diese stützt sich ja letztlich das Papsttum unserer Kirche und deshalb ist diese Verheißung natürlich auch immer wieder einer, wenn nicht der Knackpunkt in allen ökumenischen Gesprächen und Diskussionen über die Einheit der christlichen Kirche.
„Du bist der Fels, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen“. – Was darunter zu verstehen ist, darüber gehen bei aller ökumenischen Annäherung, die Meinungen heutzutage immer noch mehr als weit auseinander. Während die reformatorische Auslegung der Überzeugung ist, dass mit dieser Felsenfundament-Aussage einzig und allein der Glaube des Petrus gemeint ist – also sein Bekenntnis zu Jesus Christus –, geht unsere römisch-katholische Deutung davon aus, dass es sich hier eben nicht nur um ein Bekenntnis, sondern um die Person selbst handelt, die für dieses Bekenntnis steht. Sicherlich: In den letzten Jahren ist durchaus deutlich geworden, dass es auch evangelische Theologen gibt, die der römisch-katholischen Sichtweise zugeneigt sind; andererseits wäre es aber alles andere als fair zu verschweigen, dass es auch viele katholische Theologen gibt, die eben dieser evangelischen Auslegung nahestehen und sie bevorzugen.
Unbestritten ist aber, dass dieses „Felsenwort“ in unserer Kirche autoritär für den Jurisdiktionsprimat und die Unfehlbarkeit des Papstes verwendet wurde, wie es dann auch das I. Vatikanische Konzil ins Wort brachte. So aber wurde es für eine Machtstellung des Papstes herangezogen, die durch das 19. Jahrhundert sehr zeitbedingt war – Säkularisation, Zerfall monarchischer Strukturen und beginnender Kulturkampf. Mit einem wirklich biblischen Fundament hatten die Gedanken und Überlegungen, die zu diesem Dogma führten wohl weniger zu tun. Denn worin sich die meisten christliche Exegeten – egal aus welcher Richtung oder Kirche sie stammen – heute fast weitgehend einig sind, ist die Überzeugung: dieses Wort stammt wohl nicht unmittelbar von Jesus selber; dass er keinesfalls beabsichtig hat, eine Kirche in unserem heutigen Sinne zu gründen und dass er deshalb wohl auch nicht an ein Papsttum dachte, wie es sich in der Folgezeit entwickelt hat.
Wohl auch aus diesem Grunde haben die letzten Päpste eine ganze Reihe bemerkenswerter Äußerungen bezüglich des Papstamtes gemacht. Es begann mit Paul VI. der den Primat des Papstes als größtes Hindernis für die Ökumene bezeichnet hat und es setzte sich fort über Johannes Paul II., Benedikt und auch Franziskus, die allesamt nicht müde wurden bzw. werden, die Kirchen der Ökumene einzuladen, gemeinsam über eine erneuerte ökumenische Gestalt des Petrusamtes nachzudenken. Demnach muss dieses Amt also nicht für alle Zeiten so bleiben, wie es sich jetzt darstellt und wie es durch die Geschichte geworden ist. Die maßgebenden Anhaltspunkte für ein solch erneuertes Papsttum, die können aber nur aus dem Evangelium selber kommen. Deshalb möchte ich unsere Aufmerksamkeit jetzt gerne auf drei Punkte lenken, die diesbezüglich zu beachten sind:
Da ist zunächst einmal die Aussage: „Du bist der Fels“. Damit ist kein Fels gemeint, an dem man zerschellen oder zugrunde gehen soll, sondern ein Fels, der jeder und jedem Halt und Orientierung gibt. Dabei ist klar, dass der eigentliche „Fels“ nur Gott selber sein kann. Er ist der „Fels unseres Heils“, er „ist die Feste, in der ich mich bergen kann“, wie es die Psalmen deutlich machen. Aber Gott ruft eben auch immer Menschen, die in seinem Namen Halt und Orientierung für andere sind: z.B. Eltern für ihre Kinder, die Erfahrenen für die Anfänger, die Starken für die Labilen. Und genau so soll auch
Petrus dafür sorgen, dass die Kirche nicht von jedem Windhauch hin- und
hergetrieben wird.
Der zweite wichtige Punkt, den das Evangelium anspricht, ist der Schlüssel-dienst: „Ich will dir die Schlüssel des Himmelreiches geben.“ Petrus also der Himmelspförtner, wie es uns häufig in Theaterstücken oder Witzen suggeriert wird? Eben nicht; genau das ist nicht damit gemeint. Denn Petrus hat nicht darüber zu bestimmen, wer in den Himmel kommt; genauso wenig wie ein Hausmeister darüber zu bestimmen hat, wer eine Wohnung im Haus bekommt und wer nicht. Schauen wir deshalb auf die heutige Lesung; sie hilft uns, dieses Wort „vom Schlüssel“ besser zu verstehen. Da wird der Tempelvorsteher Schebna wegen Untreue aus dem Amt gejagt. Ihm war der Schlüssel zum Königspalast anvertraut, um „wie ein Vater zu sein für die Einwohner der Königstadt“ und die Vorräte im Palast zum Wohle aller zu verwalten. Weil aber Schebna diese Vollmacht missbraucht hat, wird nun der Schlüssel einem anderen gegeben. „Schlüsselgewalt“ ist also eher ein schiefer Ausdruck für das, was letztlich biblisch damit gemeint ist. Schließlich geht es nicht um „Gewalt“, sondern vielmehr um Verantwortung. Petrus ist verantwortlich dafür, dass die Schätze im Haus Gottes den Menschen im wahrsten Sinne des Wortes erschlossen werden.
Der eigentliche Inhaber der Schlüsselgewalt aber ist und bleibt Christus selbst. Er hält quasi den Generalschlüssel des Himmelreiches in der Hand und er allein bestimmt über Teilhabe oder Ausschluss am oder auch im himmlischen Jerusalem. Petrus, als Vertreter der christlichen Gemeinde, hat an dieser Vollmacht teil. Wobei er es aber nicht wie die jüdischen Schriftgelehrten machen soll, über die Jesus mal empört festgestellt hat: „Ihr verschließt den Menschen das Himmelreich. Ihr selbst geht nicht hinein, aber ihr lasst auch die nicht hinein, die hineingehen wollen.“ Und da sind wir jetzt
beim dritten Punkt: Dem Lehren!
Petrus ist also nicht zum Ver-Schließen da, sondern zum Er-Schließen; dazu berufen, den Menschen das Himmelreich für die Botschaft Gottes zu öffnen. Er soll keinen elitären Kultverein leiten, sondern eine Kirche, die allen Menschen guten Willens offen steht. Genau das hat er auch gemacht. Er hat an Pfingsten den Menschen durch eine begeisternde Predigt das Gottesreich „er-schlossen“; er hat dem heidnischen Hauptmann Cornelius einen Zugang zum Glauben und zur Gemeinde „er-öffnet“ und auf dem Apostelkonzil hat er – nach anfänglichen Bedenken – zusammen mit Paulus den Heiden die Tür weit aufgemacht, damit sie in der christlichen Gemeinde eine Heimat finden. So tragen also Petrus und seine Nachfolger die Verantwortung dafür, den Menschen die Botschaft Jesu vertraut zu machen, damit sie sich dann von dem, was Christus gelehrt und vorgelebt hat, ansprechen und begeistern lassen.
Dabei ist zu bedenken, dass Petrus die Verantwortung nicht allein tragen muss. Denn an späterer Stelle des gleichen Evangeliums spricht Christus der ganzen Gemeinde diese Binde- und Lösegewalt zu. Da heißt es: „Alles, was IHR auf Erden binden werdet – alles, was IHR auf Erden lösen werdet.“ (Mt 18,18) Dieser Begriff der „Binde- und Lösegewalt“ stammt aus dem Vokabular jüdischer Rabbinen und damit ist nichts anderes gemeint, als die Vollmacht zu besitzen, die Tora, das Gesetz verbindlich auszulegen damit „der Mensch durch die Gebote Gottes lebe und auflebe.“
Beim Binden und Lösen geht es also stets um die Schlüsselgewalt, die uns die absolute und unverlierbare Liebe Gottes deutlich macht. Deshalb habe ich auch einfach mal versucht, das Gedicht von Erich Fried über die Liebe – „Es ist, was es ist“ – mit den Gedanken zum heutigen Evangelium zusammen zu bringen – und das klingt dann so:
Es ist falsch, dass in unserer Kirche nur Männer unter dem Zölibatverspre-chen Priester werden können. Mit diesem Verschluss wird ein Priesterman-
gel produziert, der unsere Gemeinden ausbluten lässt. Es ist, was es ist, sagt die Liebe und drängt auf Besinnung, Einsicht, Öffnung und Veränderung.
Es ist dumm, sagt die Sorge, wenn sich die Kirche in Europa nicht auf die Bedürfnisse der jungen Leute einlässt und sich ihnen damit verschließt.
Es ist, was es ist, sagt die Liebe, und stellt sich hoffnungsvoll auf die Seite der Jungen.
Es ist zum Verzweifeln sagt die Hoffnung, wenn sich die Gemeinden vor Ort ständig von Rom oder den Bischofsitzen bis in Kleinigkeiten hinein reglementieren lassen. Es ist, was es ist, sagt die Liebe, und sieht voller Freude in der Vielfalt die Einheit, in der Farbigkeit das Ganze.
Es ist unmöglich, sagt die Erfahrung, dass sich eine reiche deutsche Kirche zu den Armen und damit zur Einfachheit des Evangeliums bekehrt und die acht Seligpreisungen Jesu in ihren Lebensstil übersetzt. Es ist, was es ist, sagt die Liebe, und vertraut auf Gottes Geist, der weht wo er will, und der Freiheit schafft, wo er angenommen wird.
Vertrauen wir darauf, dass die dicksten Bretter der Veränderung in unserer Kirche und einer guten Zukunft für sie, immer noch vom Heiligen Geist selbst gebohrt werden – mit unserer Hilfe. Amen.
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Erstellt am: 25.08.2014 20:06 Uhr