Ewigkeitssonntag 2012

Liebe Gemeinde!
Ich habe für Sie eine Blume mit auf die Kanzel genommen. Eine Rose. Sie steht für die vielen Blumen, die heute am Ewigkeitssonntag in Deutschland zu den Gräbern gebracht werden. Ein Zeichen für die Zuneigung, die Menschen mit ihren Verstorbenen nach wie vor verbindet. Ein Zeichen für die Traurigkeit, die sie bestimmt. Ein Zeichen auch, dass sie etwas schenken möchten, was sie in Worten nicht mehr sagen können, was sie mit der Haut nicht mehr fühlen, so nahe es ihnen auch geht. Nur noch als Erinnerung, die jetzt schmerzt, ist es da.

Sie steht auch für die Schönheit und zugleich für die Verletzlichkeit des Lebens. So durchscheinend, so dem Licht zugewandt blühen wir auf, zögerlich und zart zuerst, dann stark und voller Duft, atmen und fühlen die Wärme und das Helle, strahlend. Und wissen, dies alles vergeht.

Sie steht aber auch, die Rose, für die Kraft der Worte, für die Kraft der Bilder und der Hoffnung.
Hoffnungsbilder brauchen wir Menschen, Worte, die uns weiterhelfen, die uns die Tage tragbar machen, damit wir das Leben neu lernen und ihm zugewandt bleiben. – Hoffnung! – Das führt uns zum heutigen Predigttext!

Hoffnung für Israel in Babylon: Jeremia hatte einen Brief aus Jerusalem geschrieben und die 70jährige Zeit im Exil angekündigt. Doch keiner der Weggeführten würde die Heimat wiedersehen.
Der zweite Jesaja hatte getröstet und Hoffnung gemacht. „Tröstet, tröstet mein Volk…“

Der heutige Predigttext ist aus dem dritten Jesajabuch:

Text: Jes 65,17-25
17 Verheißung eines neuen Himmels und einer neuen Erde
Denn siehe, ich will einen neuen Himmel und eine neue Erde schaffen, dass man der vorigen nicht mehr gedenken und sie nicht mehr zu Herzen nehmen wird.
18 Freuet euch und seid fröhlich immerdar über das, was ich schaffe. Denn siehe, ich will Jerusalem zur Wonne machen und sein Volk zur Freude,
19 und ich will fröhlich sein über Jerusalem und mich freuen über mein Volk. Man soll in ihm nicht mehr hören die Stimme des Weinens noch die Stimme des Klagens.
23 Sie sollen nicht umsonst arbeiten und keine Kinder für einen frühen Tod zeugen; denn sie sind das Geschlecht der Gesegneten des HERRN, und ihre Nachkommen sind bei ihnen.
24 Und es soll geschehen: ehe sie rufen, will ich antworten; wenn sie noch reden, will ich hören.
25 Wolf und Schaf sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muss Erde fressen. Sie werden weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht der HERR.

Liebe Gemeinde, ein hoffnungsvoller Text angesichts des Todes und der Hoffnungslosigkeit! Von wie vielen Volksgenossen mussten sich die Menschen im Exil für immer verabschieden. Von wie vielen Angehörigen, Partnern, Freunden Bekannten und Nachbarn mussten wir uns in diesem Kirchenjahr verabschieden. Bei manchen war das lange schon zu erwarten, weil sie alt waren, zum Teil sehr alt. Bei manchen aber kam der Tod schnell, viel zu schnell sogar und überraschend.

Es macht uns oft ratlos, wenn der Tod in unser Leben tritt. Wir spüren und erleben etwas von der Endgültigkeit des Abschieds. Da bleibt ein Platz leer, den nur dieser eine Mensch hat ausfüllen können. Erinnerungen tauchen in uns auf. Geschehenes und Versäumtes kommt uns in den Sinn, Beglückendes ebenso wie Trauriges.

Abschied nehmen – das gehört  am heutigen Sonntag – dem Ewigkeitssonntag noch einmal dazu. Ein Gang zum Grab des verstorbenen Menschen – wo auch immer und wenn möglich – ist für viele  wichtig. Und es mag uns dort im Rückblick auf die Beziehung zu diesem Menschen so oder ähnlich gehen, wie es einmal in einem Gedicht formuliert worden ist: „Auch wenn dich die Erde birgt, die mein Fuß betritt: Was du mir geschenkt hast, wirkt; und ich trag es mit. Ein paar Schritte fort vom Stein und Auf Wiedersehn; Alltag holt mich wieder ein. Ich will weiter gehn.“

Ja, Hinter dem Horizont geht es weiter – dort erleben wir Gottes schöpferische
Gegenwart! Ich habe oft erlebt, wie sehr aus der bewusst durchlebten Trauerarbeit auch Hoffnung erwachsen kann.

Da war das elfjährige Kind, das an einer unheilbaren Krankheit litt; der kraftstrotzende Rallye Fahrer, der an Leukämie erkrankt war; die Patientin in einer von Nonnen geführten Pflegestation mit einem schlimmen Gesichtstumor – „Herr Pfarrer gehen Sie nicht in das Krankenzimmer, Anblick und Geruch sind unerträglich“ – einmal im Monat kam ich zu Besuch bis wir Abschied nahmen; was habe ich die Schwestern bewundert, die rund um die Uhr eine liebevolle Pflege leisteten! – Der sanfte Tod der Hundertjährigen, die alt und lebenssatt ihr Leben aushauchte! Ich denke bei den verschiedenen Gesprächen am Sterbebett oft darüber nach, wie sehr es mich selbst trägt, dass ich Hoffnung habe, die über meine eigenen Möglichkeiten weit hinausgeht.

Liebe Gemeinde, Gott mutet uns den Abschied zu. Er erspart uns nicht Trennung und Schmerz, Leid und die Erfahrung, dass er, Gott, weit entfernt sein kann. Er kann scheinbar hinter einer Bretterwand verborgen sein. Gut, wenn wir gerade in den schweren Momenten das Vertrauen zu ihm bewahren. –
 
Das Volk Israel ist uns diesen Weg vorgegangen. Nicht jeder Schritt ist einfach mit Gott. Aber es gilt nach wie vor, was Paulus einmal sagte: dass nichts uns von der Liebe Gottes trennen kann. Diese Liebe ist uns über dieses Leben hinaus versprochen.
 
Einige von Ihnen haben in diesem Jahr einen lieben Menschen verloren. Unsere Abschiedsfeiern wären arm, unerträglich arm, wenn es in ihnen nur um den Rückblick ginge. Es bleibt wichtig, dass wir – gerade im Leid – auch nach vorn blicken können. Dort, vor uns, ist die Liebe Gottes, die kein Ende haben wird. Mit dieser Zusage, die Gott selbst uns gibt, dürfen wir jeden Tag als ein Geschenk begreifen. Und von ihr aus dürfen wir auch sagen und singen:
Der Tod ist nicht das Ende, / er führt zum Neubeginn. / Gott hält uns seine Hände / im Tod zum Leben hin. / Er bleibt in unsrer Mitte, / verlässt uns Menschen nicht / und leitet unsre Schritte / am Ende in sein Licht.
 
Ich komme zum Schluss noch einmal mit der Rose. Diese Blume ist unverwechselbar sie selbst.  – Wie wir oder das Volk Israel.
Sie ist einzigartig, diese Blume. Keine auf dieser Welt ist wie sie. Jeder Mensch mag in bestimmten Situationen ersetzbar sein. So, wie er ist und wie er sein Leben lebt, bleibt er unauswechselbar, selbst dann, wenn er sein Leben verbracht hat wie ein Geschwätz. Du warst, du bist du selbst.
Und du wirst auch du selber sein.
Das ist so, weil du ein von Gott diesem Leben anheim gegebenes Wesen bist.
Du bist – wie die Rose – unverwechselbar.
Und du bist in Gottes Liebe unverlierbar.

Amen

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Erstellt am: 26.11.2012 19:17 Uhr

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