Donnerstag, 9.2.12

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,
Von Meister Eckhart stammt die Aussage: „Wer weiter nichts als die Kreaturen erkennte, der bräuchte an keine Predigt zu denken, denn jegliche Kreatur ist Gottes voll und ein Buch“. Ich möchte diese Aussage,“jeglicher Mensch ist ein Buch und Gottes voll,“ an einer Begegnung mit einer Patientin in der geriatrischen Pflegeabteilung veranschaulichen.
Als Klinikpfarrer hatte ich Gottesdienst in einer Geriatrie. Auf dem Weg zur Kapelle begegnete mir eine Patientin, die -wie wir heute sagen – an Demenz erkrankt war. Als ich sie fragte, ob sie mit mir zum Gottesdienst ginge, konnte sie mit meiner Frage nichts anfangen. Erst als ich ihr das Lied „Großer Gott“ vorsang, verstand sie, was ich unter Gottesdienst meinte und ging mit. In den Gottesdiensten, die ich in der Geriatrie hielt, war es wichtig, dass Vertrautes zur Sprache kam. Denn die Patienten wurden weniger auf der Ebene des Intellekts angesprochen, sondern  mehr auf der Ebene des Gefühls. Wo Worte an Bedeutung verlieren, werden Emotionen für die Kommunikation um so wichtiger. Nachdem ich den Talar angezogen hatte und mit dem Gottesdienst beginnen wollte, kam die erwähnte Patientin  auf mich zu, gab mir die Hand und begrüßte mich mit den Worten: „Grüß Gott, lieber Gott“. Ich erwiderte freundlich ihren ungewöhnlichen Gruß und brachte sie auf ihren Platz zurück. Im Nachhinein fiel mir das Bibelwort aus 1. Johannes 4,15 ein: „Gott ist die Liebe;  und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ Dies Bibelwort besagt: Wo wir Liebe und Zuwendung geben oder empfangen, da ist Gott mit dabei.  Auf diesem Hintergrund bekam für mich die etwas ungewöhnliche Begrüßung der Patientin einen neuen vertieften Sinn. Denn Gott ist die Liebe;und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.

Helmut Müller, Pfarrer der Evangelischen Gemeinde in Teneriffa Nord

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Erstellt am: 09.02.2012 07:16 Uhr

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