Christmette 2012

L I: Jes 9, 1-6 / Ev: Lk 2, 1-14
Liebe in der Festfreude dieser Nacht versammelte Gemeinde!

AIDA – wer von uns kennt diese 4 Buchstaben nicht. Die einen bringen damit ihre letzte Kreuzfahrt in Verbindung, die anderen denken an eine wundervolle Opernaufführung, Österreicher unter uns vielleicht ganz gern an die bekannte Café-Konditorei in Wien – und ich? Ich denke bei diesen Buchstaben an Werbestrategen. Ja, Sie haben richtig gehört.
Denn die kürzen ihr bekanntestes Rezept gleichfalls mit AIDA ab. Dabei stehen die vier Buchstaben für: Attention – Interest – Desire und Action.
„Attention“ meint, man muss die Aufmerksamkeit möglicher Kundinnen und Kunden wecken, z.B. durch einen pfiffigen Slogan, ein peppiges Bild, eine Melodie, die nicht mehr aus dem Ohr geht. Der zweite Schritt muss dann dafür sorgen, dass sich die Leute für das Produkt interessieren, dass sie neugierig werden. Was ist das besondere, das Neue, das Aufregende und Überraschende an diesem Produkt? Was bringt es mir? Oder auch: Was kann ich damit anfangen? Dann kommt „desire“, also der Wunsch nach dem „unbedingt Haben-Müssen“. Der Wunsch nach dem Produkt muss deshalb so geweckt werden, dass bloßes Interesse allein nicht genügt. Das Wollen muss so stark sein, dass die Menschen eben sagen: Das will ich unbedingt haben; das fehlt mir zum „Glücklich-Sein“. Schließlich dann die „action“, also das Bringen dazu, dass die Menschen das Ding auch kaufen. Und das muss schnell gehen, ohne allzu großen Aufwand. Sonderangebote und Kasse müssen in einem Laden eng beieinander sein und im Online-Shop muss bereits ein Klick genügen, damit das Produkt im Warenkorb landet. Der Kunde muss den Kauf vollziehen, denn sonst war alles für die sprichwörtliche Katz. AIDA: Attention – interest – desire – action; so also macht man heute erfolgreich Werbung.
Keine Bange, Sie sind hier nicht in einer Werbeveranstaltung gelandet, sondern in der feierlichen Christmette des Heiligen Abend. Ich frage mich eben nur: Kann man diese Strategie des AIDA-Prinzips nicht auch auf die Verheißung dieser Nacht anwenden? Und was müssten wir dann tun, damit die Botschaft dieser Nacht wirklich erfolgreicher unter die Leute gebracht wird, als so manches, was wir als Kirche sonst im Jahresverlauf so von uns geben. So versuche ich jetzt also mal, die Weihnachtsgeschichte nach diesem AIDA-Prinzip zu durchleuchten und Sie Ihnen erneut schmackhaft zu machen.
Beginnen wir mit der Aufmerksamkeit. Unsere Botschaft beginnt mit den Worten: „In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner seines Reiches in Steuerlisten einzutragen…“ Sicherlich: die nachfolgende Geschichtsschilderung spielt irgendwo in einem kleinen Ort des Nahen Ostens, den fast keiner kennt. Aber wichtig ist: Der Anstoß kommt von ganz oben, vom Kaiser. So aber fängt man nicht an, wenn man nur Banales zu erzählen hat wie z.B.: „Neulich musste ich nach Tübingen um meine Steuererklärung abzugeben“. Nein, hier wird deutlich: es geht um die ganz Großen der Geschichte, um Augustus – um Weltpolitik! Und wegen dem müssen die Leute aufs Finanzamt, das bringt Aufmerksamkeit. Und damit diese noch unterstrichen wird bzw. besser ins Ohr geht, kommt die Musik der Engel dazu: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede bei den Menschen seiner Gnade.“ Und für alle, die es mit der Musik nicht so wichtig haben, da tritt der Stern in Erscheinung und sorgt für die entsprechende Aufmerksamkeit.
Kommen wir dann zum Schritt zwei. Normalerweise kann die Nachricht einer Schwangerschaft allein, kaum ein großes Interesse bei uns Menschen hervorrufen. Es sei denn: Die werdende Mutter ist Herzogin und der Vater irgendwann mal König, wie derzeit ein Paar in England anscheinend die ganze Welt in Atem hält – oder aber es geht um eine sehr pikante Geschichte wie in unserem Fall: Eine Teenager-Schwangerschaft mit ungeklärten Vater-Verhältnissen. Über ein erstes Kopfschütteln geht die Geschichte dann aber doch zu Herzen. Schließlich ist für das Paar nirgends ein Hotelzimmer aufzutreiben und dass es dann mit einem Stall vorlieb nehmen und das Neugeborene in einen Fresstrog für Tiere gelegt werden muss, das rührt doch ganz gewaltig an.
Wie sieht es aber nun mit dem 3. Punkt aus, „desire“, das „unbedingte Haben-Müssen“? Das ist wohl der schwierigste Punkt der AIDA in unserer Weihnachtsgeschichte. Denn man muss sich doch fragen: Geht es nicht auch ganz gut ohne diese Botschaft? Ohne dieses Kind in der Krippe? Ich glaube nicht. Denn kennen Sie wirklich ein Produkt oder eine Sache, die sich mehr als zweitausend Jahre in den Köpfen der Menschen hält? Tendenz übrigens steigend, auch wenn wir in Europa oft anderes erleben. Selbst auf dem Markt in China nimmt die Zahl der Weihnachtsneukunden stetig zu, auch wenn die Leute mit dem Christentum selbst relativ wenig im Sinn haben.
Wie aber könnte man genau das erreichen, dass Menschen diese Botschaft verinnerlichen wollen? Dabei sollten wir jetzt vielleicht mal weniger auf ferne Länder schauen, als vielmehr die Situation bei uns und in unserem eigenen Leben in den Blickpunkt nehmen. Seit Wochen löst ja das „Fest der Liebe“ wie wir Weihnachten auch nennen, einen regelrechten „hype“ bei den Menschen aus – und was für einen. Kaum jemand kann sich dem Sog dieses Festes entziehen. Aber kann es wirklich nur darum gehen, am Ende des Jahres dem Einzelhandel nochmals einen kräftigen Umsatz zu besorgen und in eine Steigerungsspirale dergestalt zu verfallen, wer macht wem das größere Geschenk? Gerät dabei das, worum es wirklich geht, nicht völlig in den Hintergrund? Diese Gefahr besteht – ohne Zweifel. Genau deshalb möchte ich uns in Erinnerung rufen: Ob Weihnachten ein christliches Fest bleibt – oder wieder wird – das ist eben nicht eine Sache des Einzelhandels; das ist vielmehr unsere ureigene Sache – die Ihrige und die meine. Z.B. wie wir mit dem Fest umgehen und um was es uns dabei geht. Dabei will ich den Einzelhandel nicht madig machen; mitnichten. Zu einem schönen Fest gehören ja schließlich auch Geschenke – nur: das größte Geschenk das darf darüber nicht verloren gehen.
Nun erwarten wir von der Werbung, dass sie uns nicht an der Nase herumführt, sondern die Wahrheit sagt. Also müssen wir als Christen doch fragen: Wofür wirbt Gott mit Weihnachten? Antwort: Für sich selbst – nicht mehr und nicht weniger! Normalerweise sagt man uns in der Kirche ja oft: Wir sollen tun, was Gott sagt und so leben, wie er es will. Schließlich ist er unser Schöpfer, Herr und auch Richter. Aber stimmt das? An Weihnachten empfinde ich das ganz anders. Hier erlebe ich einen Gott, der für sich wirbt, anstatt zu fordern. Er schaut nicht streng von oben herab, sondern lächelt uns aus der Krippe an. Er appelliert an unsere Sehnsüchte nach Frieden unter den Menschen, sowohl den Völkern, als auch im Kleinen einer Familie oder einer Hausgemeinschaft.
Ehrliche Werbung verführt ja normalerweise nicht mit psychologischen Tricks, sondern ganz direkt mit einem guten Produkt. Doch häufig genug ist es ja ganz anders. Da ist eine junge, hübsche Frau zu sehen, aber kaufen sollen wir einen teuren Handyvertrag mit tausend winzig gedruckten Klauseln. Oder es wird eine wunderschöne Landschaft gezeigt, aber kaufen soll ich dann einen Blechpanzer, der genau diese verpestet. Bei Gott ist das genau anders. Er wirbt mit sich selbst, für sich selbst. Er zeigt uns nicht ein Kind in der Krippe, damit wir sentimental darauf hereinfallen und die Geldbörsen zücken. Nein, er selbst wird das Kind in der Krippe. Und die Gefühle, die dieses Kind in mir wecken soll, seine Lieblichkeit und Freundlichkeit, die
soll ich wahrnehmen – ich soll zurückzulächeln und diese Liebe weiterschen
ken.
Damit sind wir dann bei „action“. Die Kunden sollen ja handeln, das Produkt nicht nur gut finden, sondern mitnehmen. „Und als die Engel sie verlassen hatten und in den Himmel zurückgekehrt waren, sagten die Hirten zueinander: Kommt, wir gehen nach Bethlehem, um zu sehen, was der Herr uns verkünden ließ.“ Genau das ist es. Die Hirten machen genau das, was die Engel ihnen vorgemacht haben: Sie loben und ehren Gott. Und genau damit lassen wir uns auf die Geschichte Gottes mit uns ein. Wir singen und beten doch nicht deshalb im Gottesdienst, damit der Pfarrer oder der Diakon nicht die ganze Zeit redet oder die Organistin nicht auf dem Orgelschemel einschläft. Nein, wir singen und beten, weil wir – Sie und ich – heute Abend das Geschenk annehmen wollen, das Gott uns macht und wir wollen damit zeigen: Ja, Gott ist uns so wichtig, dass wir unser Leben an der Botschaft, die uns dieses Kind als Erwachsener später schenkt, ausrichten wollen.
Ach da fällt mir ein: „Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.“ Alle Worte, alles Geschehene im Herzen bewahren und darüber nachdenken, das ist neben dem Singen und Beten die „action“, die Gott, der himmlische Werbestratege, in der Heiligen Nacht bei Ihnen und mir erreichen möchte – völlig gratis und umsonst, völlig kostenlos, aber hoffentlich nicht für die Katz. Amen.

Infos unter:

Erstellt am: 24.12.2012 16:20 Uhr

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