Predigt am Dreifaltigkeitssonntag 2013 (26.05.)

L I: Spr 8, 22-31 / Ev.: Joh 16, 12-15
Schwestern und Brüder!

Wie geht es Ihnen, wenn Sie folgenden Satz hören: „Wir glauben fest und bekennen aufrichtig, dass nur Einer der wahre, ewige und unveränderliche, unbegreifliche, allmächtige und unaussprechliche Gott ist, der Vater, Sohn und Heilige Geist: zwar drei Personen, aber eine Wesenheit, Substanz oder auch gänzliche einfache Natur.“

Allein das so anzuhören ist schwer verdauliche Kost – oder nicht? Und ich sage Ihnen, wenn Sie es lesen würden, es wäre nicht viel einfacher. Ich kann jede und jeden verstehen, der über eine solche Aussage nur mitleidig lächelt oder verständnislos den Kopf schüttelt. Doch das ist genau das, was über die Dreifaltigkeit Gottes, also über das, was wir heute miteinander feiern, in unserem Katechismus steht. Natürlich gibt es zu dieser Thematik noch viele weitere Zitate aus dem Dogmenschatz unserer Kirche, z.B.: „In Gott ist alles eins, soweit nicht ein Gegensatz der Relation vorhanden ist.“ Oder: „Alle Tätigkeiten Gottes nach außen sind den drei Personen gemeinsam.“ Das alles haben Sie noch nie in ihrem Leben gehört? Sollten Sie aber, denn schließlich ist dies alles – wie man oft landläufig sagt – „verpflichtendes Glaubenswissen“ unserer Kirche.
Aber keine Bange, mir geht es da oft nicht anders als Ihnen. Wenn ich solche Sätze in Ruhe auf mich wirken lasse, dann tauchen da in meinen Gedanken Bilder aus Dogmatikvorlesungen auf und es beschleicht mich heute genau das gleich ungute Gefühl, das mich schon damals immer wieder überkommen hat: Alles theologische Spekulationen, großartig und fein philosophisch proportioniert und versehen mit einer virtuosen Begriffsakrobatik – nur: Erfahren wir auf diese Weise wirklich wer und wie Gott ist? Und können wir Menschen letztlich von solchen Aussagen leben? Denn genau das
und nichts anderes ist es ja – was dieser Gott für uns will – ein Leben in Fülle!
Auffallend ist für mich, dass die Heilige Schrift nie so von Gott spricht und ihr nichts, aber auch gar nichts an Kurzformeln und Definitionen von oder über Gott liegt. Was uns aber sowohl im Alten wie auch im Neuen Testament begegnet, das sind Erfahrungen – Erfahrungen, die bestimmte Menschen mit diesem lebendigen Gott gemacht haben. Erst im Laufe der Jahrhunderte wurden genau diese Erfahrungen dann von Gelehrten in ein System gebracht – und seither laufen sie eben auch Gefahr, dass sie mehr und mehr blutleer und leblos werden, wie ein Schmetterling, den man in Kunstharz gießt.
Wenn wir also wirklich wissen wollen, was sich hinter dem Glauben an den dreifaltigen Gott oder auch hinter der sogenannten „Dreifaltigkeit“ verbirgt, dann müssen wir in die Ursprünge der Menschheit zurückgehen: Die Erschaffung der Welt, die Zeit des Abraham und des Mose, die Wüstenzeit Israels. Da erfahren wir, wie diese Menschen eben keinen sehnlicheren Wunsch hatten, als Gott so zu schauen, wie er wirklich ist – in seiner ganzen Größe und in seiner ganzen Herrlichkeit. Und Gott wollte sich gegenüber ihnen offenbaren, wie das eben einem sterblichen Menschen gegenüber möglich ist. Entscheidend ist dabei für mich, dass beide – Abraham und Moses – diesen Gott bereits erfahren hatten als einen, der den Menschen und dieser Welt ganz zugewandt ist. Ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig und reich an Huld und Treue. „Es war ihm“, wie die heutige Lesung sagt, „eine Freude bei den Menschen zu sein.“ Wenn auch das Alte Testament oft nur so strotzt von menschlich-machtvollen Vorstellungen über Gott, seiner Grausamkeit und seiner Forderung nach „Heiligen Kriegen“ gegen andere Völker – so gab es doch schon immer auch einzelne Menschen, die das eigentliche Wesen Gottes, nämlich seine unermessliche Lie-
be, geahnt und beschrieben haben.
Und was sich in all diesen liebevollen Texten des Alten Testaments schon andeutet, das macht dann Jesus in letzter und eindeutiger Konsequenz klar: Gott ist die unendliche, die unverlierbare und vor allem die bedingungslose Liebe schlechthin. Oder anders gesagt: Die Liebe Gottes, das ist der Kern aller Lehre über seine Dreifaltigkeit. In der uns von Gott zur Verfügung gestellten Schöpfung können wir Menschen genau diese Liebe erkennen und sind in ihr auch zum Lieben eingeladen. Er ist für uns der Schöpfergott oder einfach auch nur der liebende Vater. Und weil der Vater seine Schöpfung – und ganz besonders uns Menschen – fast schon abgöttisch liebt, deshalb so sagt uns die Hl. Schrift, hat er seinen Sohn in diese Welt gesandt, damit wir sein Wesen nicht nur kennen-, sondern es mehr und mehr verstehen lernen.
Wenn ich jetzt allerdings in das heutige Evangelium schaue, dann ist Jesus hier meilenweit davon entfernt, uns eine hieb- und stichfeste dogmatische Formel zu präsentieren, wie denn Gott nun zu definieren ist. Auch er spricht von Gott vielmehr in Bildern des Begegnens, der Beziehung und des Werdens: Der Geist Gottes ist es vielmehr, der in die Wahrheit führen wird. Er wird die Sache Jesu aufgreifen und sie weitergeben. Aber merken Sie, dass da nicht von etwas Fertigem die Rede ist? Dass es da nicht um eine Lehre über ihn geht, sondern um eine Beziehung, die er mit uns aufnimmt? Es geht um das Geschenk von Nähe und Begegnung. Gott ist nicht abstrakt zu haben und auch nicht als philosophisch-theologisches Denkmodell. Nein, er ist am Werk, er schreibt Geschichte und er will begegnen – Ihnen genauso wie mir. Wir sind ihm so viel wert, dass er uns in sein Leben und seine Liebe hineinnehmen will. Er ist ein Gott, der nach uns sucht, der uns nachgeht, weil er uns zum Leben führen will; weil er Licht in unser Leben bringen will und weil er mit uns kommunizieren möchte.
Wenn dem aber so ist, dann brauche ich – und das ist das tröstliche für
mich – gar nicht unglücklich sein, wenn meine Gottesvorstellung noch un-vollkommen und unfertig ist und diesbezüglich mit so mancher Katechis-musformulierung auf Kriegsfuß steht. Ich brauche auch nicht unglücklich zu sein über meine vielfache Sprachlosigkeit, wenn ich von diesem Gott zu reden versuche, denn das ist ja auch meine große Chance: Zu begreifen, dass ich ihn nicht einfach haben und festhalten kann; dass meine Hände leer bleiben müssen und es nur darum gehen kann, ihm genau diese, meine offenen Hände entgegenzuhalten, auf dass er sie ergreife und mit Begegnung erfülle.
Und wie kann nun so eine erfüllende Begegnung mit ihm aussehen? Wie kann man diese Liebe und diesen Gott „be“-greifen und „er“-greifen? Wo spüre ich den Geist Gottes, der da – auch in meinem Leben – am Werk sein soll? Ich denke, ich kann diesen Gott erleben und erfahren, wenn ich seine Schöpfung liebe und mich an ihr erfreue. Ich kann ihn spüren und mit den Händen allüberall dort greifen, wo Menschen im Geist seiner Liebe reden und handeln; wo Menschen zärtlich und einfühlsam miteinander umgehen; wo Menschen sich in Zeiten der Krankheit hilfreich unter die Arme greifen und einander beistehen. Ich kann diesen Gott wahrnehmen, wo Menschen eine Gemeinschaft bilden, in der sich alle wohlfühlen können und aus der niemand ausgegrenzt oder ausgeschlossen wird. Und ich kann diese Vielfältigkeit Gottes und seine Nähe spüren in einem guten Gespräch, aus dem heraus ich sagen kann: Ja, das ist es! Das gibt mir Halt und Trost.
Die Lehre über die Dreifaltigkeit Gottes – wahrlich kein Zuckerschlecken. Vielleicht haben Sie ja auch gemerkt, dass es mir nicht leicht fällt, über diese Dreifaltigkeit zu reden und das auch noch so, dass Sie etwas für sich da-von mitnehmen können. Aber in theologischen Formeln steckt eben seltenst das, was Gott für uns sein will: nämlich Liebe und Leben! Also möchte ich
mir am Ende zugestehen zu sagen:
Gott – ich kann dich nicht fassen. Ich kenne Dich kaum – aber ich vertraue darauf, dass Du mich kennst. Und das ist das Wichtigste – mehr braucht es eigentlich nicht, auch wenn darüber jetzt manchem Theologen und Dogmatiker die Haare zu Berge stehen mögen. Amen.

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Erstellt am: 26.05.2013 17:11 Uhr

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