Predigt von Pfarrer Andreas Knüpffer am 09.06.2013

2. Sonntag nach Trinitatis
Text Jes 55,1-5
Wohlan, alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser! Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst! Kommt her und kauft ohne Geld und umsonst Wein und Milch!
2 Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist, und sauren Verdienst für das, was nicht satt macht? Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen und euch am Köstlichen laben.

3 Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir! Höret, so werdet ihr leben! Ich will mit euch einen ewigen Bund schließen, euch die beständigen Gnaden Davids zu geben.
4 Siehe, ich habe ihn den Völkern zum Zeugen bestellt, zum Fürsten für sie und zum Gebieter.
5 Siehe, du wirst Heiden rufen, die du nicht kennst, und Heiden, die dich nicht kennen, werden zu dir laufen um des HERRN willen, deines Gottes, und des Heiligen Israels, der dich herrlich gemacht hat.

Liebe Gemeinde,
Als Marktschreier lädt Gott zu einem Fest ein. Wir erschrecken. Das passt nicht zu unserem Gottesbild.

 Es klingt, wie wenn der „billige Jakob“ seine Waren anpreist. „Kommt und kauft.“ „Auch wer kein Geld hat, soll kommen“ – ruft uns dieser Prophet zu. „Kauft Getreide und esst. Kommt und kauft ohne Geld. Kauft Wein und Milch ohne Bezahlung.“
Wenn ich solche Gratis-Angebote bekomme, dann regt sich bei mir immer sehr schnell ein Verdacht. „Gratis-Fahrt“ oder „Gratis-Urlaub“: Zu was soll ich da gelockt werden? Wozu will man mich überreden? Wozu soll ich mich da verpflichten? Und wo liegt der Pferdefuß bei dem ganzen Angebot?

Wir gehen davon aus, dass man das meiste im Leben kaufen kann, dass wir für das meiste einen Preis bezahlen müssen. Nicht nur für die materiellen Güter, auch für die Dienstleistungen und alles andere. Darum ist ein solches Gratis-Angebot – wie es aus diesem Text spricht – für viele nicht einmal besonders attraktiv. Was umsonst ist, kann das wirklich etwas wert sein?

Unser Bibeltext spricht von den Lebensmitteln, mit denen wir unseren Hunger und unseren Durst stillen können. Da ist die Rede von Brot und Wasser. Das brauchen wir wenigstens zum Überleben. Und dazu kommen dann noch: Milch und Wein und köstliche Speisen mit Fleisch. Also, nicht nur unser ärgster Hunger und Durst soll befriedigt werden, dass der Magen nicht mehr knurrt. Sondern wir bekommen auch noch köstliche Speisen, die nicht nur satt machen, die wir richtig genießen können. Dann kommt freilich die heiße Frage, die der Prophet uns stellt: Werdet ihr denn wirklich jemals satt – trotz all eurer Bemühungen? „Warum bezahlt ihr mit Geld das, was euch nicht wirklich nährt? Und warum bemüht ihr euch so sehr um etwas, das euch zuletzt doch nicht satt macht?“ (Vers 2 in freier Übersetzung) Was brauchen wir denn nun wirklich zum Leben? Und wo jagen wir Phantomen, Hirngespinsten oder einfach unerfüllbaren Wünschen nach?

Wie oft haben wir schon gemeint: Wenn ich das erreicht habe, wenn ich das geschafft habe, dann bin ich zufrieden, dann ist mein Hunger, meine Sehnsucht gestillt. Und wenn das Lang Ersehnte dann eingetroffen ist, dann geht das Leben mehr oder weniger normal weiter. Selbst die glücklichsten, die schönsten, die tiefsten Momente können wir nicht festhalten.
Werden wir jemals satt? Kann unser Hunger und Durst nach Leben, unsere Sehnsucht nach Erfüllung je ganz gestillt werden?
Wir tun ja soviel, um diese Sehnsucht zu stillen: Wir arbeiten hart oder haben hart gearbeitet. Wir suchen Anerkennung. Wir bilden uns ständig weiter, lesen viel, eignen uns viel Neues an. – Wir suchen Zerstreuung, Vergnügen und vielleicht auch Erfüllung im Sport, in der Musik.
Wir wollen die Natur kennen lernen, vielleicht sogar mystische Erfahrungen machen.
Wir suchen eine Weltsicht oder eine Religion, in der die Widersprüche unseres Lebens und der Welt eindeutig aufgelöst werden.
Wir planen unser Jahr, bereiten uns auf Reisen vor, damit es uns nicht langweilig
wird, damit wir Neues kennen lernen. Brauchen wir nicht ein gewisses Maß an Abwechslung, an Neuem. Vielleicht auch neue Herausforderungen?

Es geht oft lange, bis wir zur schmerzlichen Einsicht kommen: Wir können sehr viel tun, um unser Leben selbst in die Hand zu nehmen. Es gibt manche Möglichkeiten, wie wir dazu beitragen können, dass es uns und anderen nicht verleidet. Und doch können wir unseren tiefsten Durst nicht selber stillen. Wir bleiben darauf angewiesen, dass er von Gott gestillt wird.

In welchen Situationen könnte dieser Text für mich also hilfreich sein? Wenn das Leben in seiner Begrenztheit deutlich wird und ich erfahre, dass ich nicht alles erleben oder haben kann.

Wenn ich merke, dass das Leben nicht käuflich ist, dass sich trotz mancher Erfahrung von Glück doch immer wieder eine Leere bei mir einstellt.
Wenn ich Existenzangst habe, z.B. bedingt durch längere Arbeitslosigkeit, Krankheit und Einsamkeit?

Was ist für mich wichtig an dem, was der Text über Gott sagt?- dass Gott den tiefsten Hunger und Durst nach erfülltem Leben stillen kann, dass er einen ewigen Bund mit uns schließt, also mit uns verbunden bleibt, so dass seine Verbindung zu uns nicht abreißt, dass ich bereit bin, auf seine (oft) leise Stimme zu hören.

Zum Fest der Kinder Gottes sind alle eingeladen; aber nicht alle sind dabei. Denken wir an das grausame „Spiel der Währungen“. Die Länder der Zweidrittel-Welt verschulden sich von Jahr zu Jahr immer stärker. Auch wir sind mit beteiligt an dieser neuen Form der Sklaverei!

Ich erinnere an die Rede des Häuptlings Seattle aus dem Jahre 1855. „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann.“

Wer sich neu aufs Hören einlässt, der findet zum Fest des Lebens. Der hört mitten im Gewirr der Stimmen des Alltags die Melodie des Lebens. Der findet inmitten des Gedränges von Menschen einen Freund, der ihm zuhört.

Wir leben in einer Zeit mannigfacher Umbrüche. Wir leiden unter der Orientierungslosigkeit. Wir sind auf der Suche nach Menschen, die mit uns gemeinsam Schritte auf dem Fest des Lebens wagen.

Gott steht zu seiner Bundesverheißung. Er zieht die Hand seiner Liebe nicht zurück. Er hat Gefallen am Leben und nicht am Untergang! In Jesus hat er eindeutig den Bund des Lebens vor aller Welt bestätigt.
Wir sind eingeladen zu diesem Fest der Kinder Gottes.

Ich schließe mit einem Gebet:
Wir bitten um Hoffnung, die uns den Abgrund aushalten lässt! um Sehnsucht, die uns den neuen Schritt wagen lässt. Um Gelassenheit, die uns Zeit für uns und andere gewährt! Um Offenheit, die uns auf den anderen zugehen lässt; um Barmherzigkeit, die den anderen nicht übersieht! Um Mut, eigene Fehler zuzugeben und mit den Fehlern anderer leben zu können; um Geduld, um auf den anderen warten zu können! Um Empfindsamkeit, die uns den Schmerz des anderen wahrnehmen lässt! Um Zärtlichkeit, die uns dem anderen uns zuwenden lässt.  
Amen

Infos unter:

Erstellt am: 11.06.2013 08:47 Uhr

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert