Predigt zum 11. Sonntag im Jahreskreis 2013 (16.06.)

L I: 2 Sam 12, 7-10.13 / Ev.: Lk 7, 36-50
Schwestern und Brüder!

Wenn wir die heutigen Schriftlesungen so hören, dann könnte ich Ihnen auch getrost zurufen: Melden Sie ihren Kabelanschluss oder Ihr Abonnement bei Sky ab, schmeißen Sie Ihre Satellitenschüssel auf den Müll und lassen Sie die Finger von der täglichen Wegwerfzeitung mit den 4 Buchstaben. Schlagen Sie lieber immer mal wieder die Bibel auf, denn „Sex and Crime“ – oder Kabale und Liebe – wie man es früher nannte, bekommen Sie hier unverschlüsselt und kostenlos zu lesen.
So zum Beispiel mit den Texten, die uns dieser heutige Sonntag bietet. Kein Drehbuchautor und auch kein Skandalregisseur hätten es sich besser ausdenken können, so lebensecht und dramatisch, so unverhüllt und anstößig zugleich kommen diese Texte daher. Und da wir ganz gerne das Alte Testament außen vor lassen und uns eher dem Inhalt des Evangeliums widmen, möchte ich das heute mal ganz bewusst umdrehen. Nicht die unbekannte Sünderin aus dem Evangelium soll im Mittelpunkt unserer Gedanken stehen, sondern der hochrangige und von allen Menschen verehrte Sünder aus dem Buch des Propheten Samuel.
Um wenn geht es da? Wir befinden uns in etwa um das Jahr 1000 v. Chr., als die Hormone mit dem noch relativ jungen König David durchgehen und er im wahrsten Sinne des Wortes „verrückt“ spielt. Er, der auf der Höhe der Macht angekommen ist; er der nach der Devise lebt: „Hier bin ich, was kostet die Welt“?, er begeht einen folgenschweren Fehler in seiner Vita und nimmt in den Augen Gottes schwere Schuld auf sich. Nur – er empfindet das zunächst überhaupt nicht so . Dazu bedarf es schon des Weisen Natan, der die Stirn hatte, ihm auf den Kopf zuzusagen: “Freundchen, was du da gebracht hast, das ist doch das Allerletzte!” Aber was war denn geschehen?
 Man muss sich das mal vorstellen: Da hat dieser aufreizende Jungkönig
einen ganzen Harem von Frauen, die Herrschaft über Israel und Juda und über alledem noch die Zusage Gottes: “…und wenn das zu wenig ist, gebe ich dir noch manches andere dazu.” Doch was braucht der feine, junge Herr? Er braucht ausgerechnet Batseba, diese bildhübsche junge Frau des Urija, eines seiner Offiziere. Was für eine Ehe die beiden miteinander führen, wird nicht erzählt. Ob sie nun gut war oder in einer Krise steckte, das alles ist nicht von Interesse. Denn den Mann, der Batseba haben will, juckt das sowieso nicht. Er sieht sie beim Baden, findet sie erotisch, schön und anziehend – und er weiß, dass sie allein ist. Deshalb holt er sie zu sich und schläft mit ihr. So lädt also König David Schuld auf sich – gegenüber der Frau, gegenüber dem Mann der Frau und auch Schuld gegenüber seinem Gott. Und das weiß er auch. So jedenfalls sieht es die Geschichte, die im 2. Buch Samuel erzählt wird.
“Ich hätte das nicht tun sollen”; “ich wollte es nicht”; “ich habe mir das zu wenig überlegt”; “ich bin da so reingeschlittert”…Solche Sätze mag sich David innerlich gesagt haben – Sätze, die – wenn wir ehrlich sind – auch uns nicht fremd sind und deren Gefühl wir durchaus kennen. Denn trotz guter Absichten, trotz bester Vorsätze und manchmal auch wider besseres Wissen machen wir Menschen Fehler, werden wir schuldig gegenüber anderen, gegenüber uns selbst und natürlich auch gegenüber Gott. Ja, oft ist es eben wie in dieser Geschichte: Der Fehler ist passiert – Schuld ist entstanden. Aber über den Umgang mit ihr und den Folgen, da ist noch nichts entschieden, gar nichts.
Auch David kann ja nun so oder so mit seiner Schuld umgehen. Doch als im Batseba mitteilen lässt, dass sie aus dieser Begegnung mit ihm schwanger geworden ist, da versucht er seine Schuld zu vertuschen. Phantasievoll und trickreich schmiedet er einen Plan, den er für genial hält. Er lässt seinen Offizier Urija vom Schlachtfeld heimholen und schickt ihn zu seiner Frau. David will ihm auf diese Art und Weise das Kind unterjubeln. Aber der Plan missglückt. Warum und weshalb auch immer – Urija geht nicht nach Hause. Und selbst der nötige Alkohol hilft nicht, ihn zu seiner Frau zu bewegen. Ob er etwas geahnt hat? Ob er dem David vielleicht angesehen hat, dass dieser etwas verbergen möchte? Wie auch immer – Urija hat nicht den Mut, David darauf anzusprechen. Und so geht das Spiel des Vertuschens und Verheimlichens weiter. “Bloß nichts zugeben”, “bloß nichts anmerken lassen”. Weil David das eigene Schuldgeständnis mehr fürchtet als alle anderen Konsequenzen seiner Schuld, macht er den Schritt zum Schuldvertuschen und Verheimlichen.
Da aber sein Plan misslingt, geht er noch einen Schritt weiter. Er verstrickt sich in seine Schuld. Er will Urija beseitigen und stellt ihn beim nächsten Kampf in die vorderste Reihe – das absolute Todesurteil. Was in David vorgegangen ist, als der Bote dann die Nachricht brachte, dass Urija gefallen sei, das verschweigt uns die Bibel. Ob er erleichtert war, ob er vor sich selbst am liebsten davon gelaufen wäre, ob er sich der Tragweite dessen, was er getan hatte bewusst war, es bleibt offen. Jedenfalls beginnt er, nach außen und vor sich selbst alles zu verharmlosen. Die Schuld wird trotz ihrer offensichtlichen Größe klein geredet. So lässt David dem Boten sagen: “Das ist nicht so schlimm, denn das Schwert frisst bald hier, bald da.” Er bagatellisiert, redet sich heraus. “Das wäre doch auch so passiert”, “da kann ich doch überhaupt nichts für.”
David macht sich vor sich selbst gerecht. Schuld haben immer die anderen. Bis zu dem Moment, wo Natan ins Spiel kommt. Als er ihm von einem reichen Mann erzählt, der wiederum einem armem übel mitgespielt hat, da macht David den Schuldigen leicht aus. Mit klarem Urteil über den reichen Mann bringt er sein scheinbares Gespür für die Gerechtigkeit zum Ausdruck. Das aber ist der Punkt, wo Natan ihn festnageln kann; wo er seinem König deutlich die Leviten liest und ihm klar macht, dass er der Reiche in dieser Gleichniserzählung ist, wenn er an Urija und Batseba denkt. Dieses „Zur-Rede-Stellen“ des Natan bewirkt, dass David umkehrt. Er zeigt sich als einer, der sich doch noch etwas sagen lässt; als einer, der den Mut hat, zu seinem Fehler zu stehen, den Lebenswandel zu ändern, wieder so zu leben, wie es Gottes Willen entspricht.
Die Geschichte von David ist für mich ein krasses Beispiel zum Thema Schuld. Und ich spüre deutlich, dass sie etwas mit mir, etwas mit uns zu tun hat. Auch wenn es nicht gleich so extrem sein muss, wie in dieser biblischen Erzählung. Aber die Schritte der Schuld, die hier aufgezeigt werden, die sind mir vertraut: schuldig werden, Schuld vertuschen, sich in Schuld verstricken, sie verharmlosen und vor allem auf andere schieben. In jedem dieser Schritte besteht eigentlich die Möglichkeit, die Schuld zu durchbrechen. Aber mit jedem Schritt kann die Schuld eben auch grösser und schwieriger werden, und die Opfer nehmen zu.
In der Geschichte Davids wird die Schuld erst im fünften Schritt durchbrochen. Als David mit Engagement das Urteil über den reichen Mann spricht, sagt Natan zu ihm: “Du selbst bist dieser Mann.” Und dieser Satz sitzt. Er verfehlt seine Wirkung nicht. Du selbst bist der Mann. du selbst bist die Frau!
Im Grunde ist Natan für David ein Engel, auch wenn die Worte alles andere als engelgleich klingen. Natan hilft David den Schuldenberg zu sehen und zu ändern, was noch zu ändern ist. “Ich habe gegen den Herrn gesündigt”, sagt David und ich kann mir vorstellen, dass ihn dieser Satz einen enormen Kraftaufwand gekostet hat. Aber er wirkt befreiend, denn im Auftrag Gottes sagt Natan: “Der Herr hat dir deine Sünde vergeben.”
Hier wird deutlich, dass Gott keinen im Regen stehen lässt, dass von Gott her Umkehr und Vergebung grundsätzlich immer möglich ist – ganz egal was auch anliegt. Und Jesus macht später deutlich – und das zeigt auch das heutige Evangelium, dass Gott immer zur Umkehr einlädt; dass sein Lebensprinzip immer Erbarmen, Verzeihen und Liebe heißt. Und wenn einem Menschen vom Schlag eines David verziehen wird, warum sollte er dann mit seinem Vergeben Halt machen z.B. vor einer Frau oder einem Mann, der oder die in ihrer Ehe gescheitert ist und sich eine neue Lebensperspektive aufbauen möchte?
So wünsche ich Ihnen und mir zum Ende dieser Gedanken, dass auch wir immer wieder so einen Menschen wie Natan zur Seite haben. Einen Menschen, der mir beim Schuldigwerden nicht den Rücken kehrt, sondern mir das Vertrauen Gottes zuspricht: “Gott hat dir deine Sünde vergeben!” Denn aus diesem Vertrauen kann ich Kraft gewinnen, eigene Schuld einzugestehen und sie zu durchbrechen. Ja, vielleicht sollten wir uns alle bewusst werden, dass wir manchmal in der Rolle des David sind; dass Gott uns aber auch beauftragt, die Rolle des Natan  einzunehmen. Lesung und Evangelium von heute lehren uns, dann das je angemessene zu tun. Amen.

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Erstellt am: 17.06.2013 09:24 Uhr

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