Predigt 13. Sonntag im Jahreskreis 2013 (30.06.)

L I: 1 Kön 19, 16b.-19-21 / Ev.: Lk 9, 51-62
Schwestern und Brüder!

Evangelium – so sage nicht nur ich es auch immer wieder ganz bewusst – heißt übersetzt: “Frohe Botschaft”. Und doch gibt es in unseren Evangelien immer wieder Passagen, die so gar nicht nach dem klingen, wonach wir uns sehnen, oder was wir uns von einer solch guten Nachricht erhoffen. Der heutige Sonntag bietet uns zum Beispiel solche Texte, die nicht unbedingt leicht verdaulich sind. Oder wie geht es Ihnen, wenn da von Aussagen die Rede ist wie:
Keinen Ort haben, an dem man zu Hause sein kann – die Toten ihre Toten begraben lassen – und ohne Abschied die Familie verlassen? Was lösen solche eindeutigen und kompromisslosen Worte bei Ihnen aus? Abwehr – im Stil von: „Das kann doch nicht sein“. Oder Resignation im Sinne von: „Das schaffe ich nie!“?
Nun gibt es nicht wenige Menschen die behaupten, dass es genau an solchen Aussagen wie diesen liegen würde, dass von einer Begeisterung oder auch Leidenschaft für die Sache Jesu heute so wenig spürbar wäre – bei den Gläubigen im Allgemeinen und auch bei denen, die für sich eine besondere Berufung verspüren. Man muss sich das mal vorstellen: Wir versammeln uns Sonntag für Sonntag in unseren Kirchen um das Leben zu feiern, und wir werden dabei immer weniger. Liegt das aber wirklich an solchen Aussagen des Evangeliums? Sind sie dafür verantwortlich, dass sich immer weniger Menschen für einen Beruf in dieser Kirche, oder gar explizit für den Beruf des Priesters entscheiden?
Gestern haben wir das Fest Peter und Paul begangen. Traditionell werden um diesen Termin herum in vielen deutschen Diözesen die Priesterweihen vollzogen. Wenn ich lese, dass es in Münster dieses Jahr 6 Neupriester gibt und in eben dieser Diözese im vergangenen Jahr 5 Priester ihr Amt aufgegeben haben – wohlgemerkt zusätzlich zu all den anderen, die in den Ruhestand gegangen oder durch Todesfall ausgeschieden sind – dann zeigt das unser ganzes derzeitiges Dilemma; nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Teilen Europas und Südamerikas. Einmal mehr ein Grund, darüber nachzudenken, was wollte Jesus ursprünglich – und was ist im Laufe der Zeit daraus geworden?
Jesus sagte damals zu den Menschen: „Wer mir nachfolgen will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ Doch wozu nachfolgen? Jesus will das Reich Gottes aufrichten, das ist sein Programm oder sagen wir: sein Lebenswerk. Die Welt soll immer mehr so werden, wie Gott sie gedacht hat. Eine solidarische Welt, in der die Menschen als Schwestern und Brüder füreinander einstehen und in der die Devise gilt: Einer trage des anderen Last. Das aber ist bisweilen wirklich ein schweres Kreuz – ein Opfer, das viel Kraft und Energie kosten kann. Und genau das führt uns das heutige Evangelium in vier verschiedenen Szenen der Nachfolge eindringlich vor Augen.
Die erste Szene gehört dabei Jakobus und Johannes, die recht ungestüm zu Jesus sagen: Wer dich nicht aufnimmt, soll dem Strafgericht mit Feuer vom Himmel verfallen sein. Nur – Jesus macht da nicht mit. Erinnern wir uns: Die Samariter, durch deren Gebiet sie sich auf dem Weg nach Jerusalem befinden, haben eine ganz andere Auffassung vom Glauben und von Gott, als die anderen Juden und sich deshalb von ihnen abgespalten. Aber auch die Priester in Jerusalem beten nicht in dem Geist und der Wahrheit, die Jesus für richtig hält und die er einfordert? Dabei ist auch für ihn das Volk Israel das auserwählte Volk Gottes. Aber er nimmt die Samariter, also die Andersgläubigen, in Schutz. Über niemand soll Feuer vom Himmel fallen, weil doch alle Kinder des einen Vaters sind. Jesus spürt sehr wohl, dass wer meint, er allein sei auserwählt und im Vollbesitz der Liebe und der Wahrheit Gottes, dass jemand mit einer solchen Sichtweise häufig genug nur Mord und Totschlag, Angst und Zwietracht bewirkt – also all das, was Reich Gottes nicht ist und auch nie sein will.
Die zweite Szene gehört einem Begeisterten, der mit ihm durch dick und dünn gehen will. Doch Jesus meint nur: Du weißt ja gar nicht, worauf du dich da einlässt. Sparsame Verhältnisse und Obdachlosigkeit werden notgedrungen dein Schicksal sein – oder anders gesagt: Menschen, die Jesus nachfolgen, müssen sich darauf gefasst machen, in sehr einfachen Verhältnissen zu leben, ohne sichere Beamtenpension oder Angestelltenrente und ohne staatlich eingetriebene Kirchensteuer. Es wird auch nicht gesagt, dass nur diejenigen Jesus wahrhaft nachfolgen, die Weihegewalt und Hirtenämter innehaben. Nein, alle sollen ihm nachfolgen und nicht nur die, die daraus einen Beruf machen. Vollwertige Verkünder der Gottesherrschaft und Nachfolger der Apostel kommen auch ohne Bischofspaläste und ohne Staatsverträge aus, um ihre Rechte und Privilegien abzusichern. Da hat die Kirche sich wohl zu lange in eine wohlbehütete Rolle drängen lassen oder ist ganz gerne selbst in sie hineingeschlüpft.
Die dritte Szene beschreibt uns einen Jünger, der mit der Nachfolge so lange abwarten will, bis er die Eltern begraben hat. So wichtig in den Augen Jesu der Totenkult auch ist, aber das Reich Gottes ist wichtiger. Im Zweifelsfalle gibt es eben Prioritäten; etwas, das mit Lebenden und vor allem mit Zukunft zu tun hat. Und die vierte Szene? Die beschreibt, wie einer noch schnell eine Abschiedsfeier geben möchte, bevor er in die Nachfolge aufbricht. Doch Jesus macht ihm klar: Reich Gottes, das liegt nicht hinter uns, sondern vor uns. Und deshalb sind Rückschau und Nostalgie nicht angebracht. Oder konkret für uns heute gesagt: Wenn – wie eingangs erwähnt – in diesen Tagen bundesweit in 27 Diözesen knapp hundert Priester geweiht werden, dann muss doch die Frage erlaubt sein: Zu wem hat Jesus jemals gesagt: Mach’s wie ich, werde Priester? Zu niemandem! Hat er je gesagt: Haltet euch von Frauen fern, sonst ist euer Herz nicht frei für Gott? Nein – im Gegenteil, es hat ihm überhaupt nichts ausgemacht, dass ihn sogar eine Frau mit recht zwielichtigem Ruf in aller Öffentlichkeit zärtlich gesalbt hat.  
Also frage ich mich doch nach all dem Gesagten: Was bedeutet denn Berufung und Nachfolge? Und ich meine zunächst einmal: Machtverzicht! Denn beim Begriff der Nachfolge sind nicht nur ein paar wenige gemeint. Klerus und auch Priesterkaste sind nichts jesuanisches und auch nichts Neutestamentliches. Das Kult-, Weihe- und Opferpriestertum kann ich bei Jesus so nicht entdecken. Im Gegenteil: Er hatte doch die größten Schwierigkeiten mit den Hohepriestern. Von daher glaube ich eben nicht, dass er einen privilegierten Priesterstand einrichten wollte, wie ich es auch nicht glaube, dass er eine Kirche wollte, die ihre Privilegien mit Verträgen absichern muss wie ein Zwergenstaat. Vielmehr befürchte ich aber, dass auch heute noch viele in der Kirche der Machtversuchung dergestalt erliegen, dass sie sagen: Jesus ist der Herr. Und weil er der Herr ist, treten sie die Herrschaft an als seine Stellvertreter auf Erden – als Bischöfe und Fürstbischöfe. Interessant, dass nur wenige Konzilsväter zum Ausklang des II. Vatikanums den Katakombenpakt unterschrieben haben, der ein Bekenntnis zur Nachfolge Christi in Armut ist, wie sie Papst Franziskus heute einfordert.
Desweiteren ist Nachfolge „allumfassend“. So wie es der Begriff katholisch auch meint. Gott lässt seine Sonne aufgehen über allen Menschen – wohlgemerkt: ALLEN! Deshalb lehrt Jesus auch Toleranz gegenüber den andersgläubigen Samaritern. Und wir? Wir sprechen anderen Christen das Kirche-Sein ab und schließen sie vom Abendmahl aus!! Die Sache Jesu aber betreibt doch wirklich nur der, der Hunger, Krankheit, Krieg und Ängste in dieser Welt minimiert. Außerdem können wir doch nicht wirklich Gottesdienst – Danksagung – feiern, wenn wir nicht das, was Gott uns geschenkt und anvertraut hat, mit anderen teilen; wenn wir z.B. nicht mit den Menschen kommunizieren wollen, mit denen wir im Alltag zu tun haben. Oder wenn wir nicht bereit sind, unser Brot mit den Armen zu brechen – ist das dann nicht ein Widersinn dessen, was wir hier feiern? Unsere sonntägliche Gemeinschaft möchte ein Ort sein, an dem wir all das Einüben, was uns Jesus gelehrt hat. Nur dann sind wir eine Gemeinschaft, die auf sein Wort hört und feiernd bedenkt, was sein Tod und seine Auferstehung mit all den mühselig und beladenen Menschen zu tun hat, in deren Dienst wir uns heute im Namen Jesu stellen sollen. Er spricht allen Menschen eine einmalige und unwiderrufliche Würde zu, die hier – in der Kirche – für alle erfahrbar werden soll.
Und ein letzter Gedanke: Menschen verlassen heute oft die Kirche weil sie den Eindruck haben, dass sie nur als Kirchensteuerzahler gefragt sind, sie aber ansonsten keine Stimme in ihr haben oder sie bei wichtigen Vorhaben nicht wirklich mitentscheiden können. Der Glaube aber kommt doch vom Hören. Wenigstens meint dies der heilige Paulus. Warum aber sind dann die Bischöfe gegenüber dem Volk Gottes oft so taub? Ich fürchte, sie hören nicht hin auf das, was Gott den Menschen durch die Zeichen der Zeit und seinen Geist sagen will. Ob es ein Papst Franziskus schafft?
Wie sagte mal jemand: Jesus predigte das Reich Gottes und gekommen ist die Kirche. Das ist nicht weiter dramatisch, wenn die, die das sagen in ihr haben, so handeln wie er. Jesus ist uns Menschen in allem gleich geworden, außer der Sünde. Wohlgemerkt: Gleich geworden ohne Talar und Kollar. Amen.

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Erstellt am: 01.07.2013 17:16 Uhr

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