Predigt vom 07.07.2013 von Pfarrer Helmut Müller

Der Text für die heutige Predigt steht im 43. Kapitel des Propheten Jesaja. Damals zur Zeit des Propheten vor über 2500 Jahren lebten viele Israeliten im babylonischen Exil. Ihnen, die schon jahrelang in der Fremde zugebracht haben, kündigt der Prophet das Ende der Fremdherrschaft an.
Wir hören aus dem 43 Kapitel die Verse 1-7:

1 Und nun spricht der Herr, der dich geschaffen hat, Jakob und dich gemacht Israel:
Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen: du bist mein!
2 Wenn du durchs Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen.
3 Denn ich bin der Herr, dein Gott, der Heilige Israel, dein Heiland. Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner statt,
4 weil du in meinen Augen so wert geachtet und auch herrlich bist und weil ich dich lieb habe.
Ich gebe Menschen an deiner statt und Völker für dein Leben.
5 So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir. Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln.
6 Ich will sagen zum Norden: Gib her! Und zum Süden: Halte nicht nicht zurück! Bring her meine Söhne von ferne und meine Töchter vom Ende der Erde,
7 alle, die mit meinem Namen genannt sind, die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe.
Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Weg.
Liebe Gemeinde
die eben gehörten Bibelworte aus dem Propheten Jesaja sind tröstlich und befreiend.
Das gilt besonders vom Wochenspruch, der vielen vertraut ist und  mit dem unser heutiger
Predigttext beginnt:
So spricht der Herr, der dich geschaffen und gemacht hat:
Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen – du bist mein!
Ursprünglich richten sich die Worte an das Volk Israel – genauer gesagt an Teile des Volks, die im Exil in Babel leben. Ihnen, die jahrzehntelang getrennt von ihrem Herkunftsland in der Verbannung leben, wird in Form eines Heilsorakel die Heimkehr angekündigt.
Mit dem Erstarken der Perser sieht der Prophet das Ende des babylonischen Exils kommen.
Anstelle Israels sollen nun andere Völker versklavt werden. Ägypten und 2 weitere Nilländer werden das Lösegeld sein, mit denen Israel ausgelöst wird.
Es mag uns befremden, wie unbekümmert hier der Prophet von Gottes Wirken in der Geschichte spricht. Hier wird Gottes Wirken in der Sprache des damaligen Sippenrechts beschrieben, nach dem der nächste Verwandte die Pflicht hat, einen in Schuldsklaverei Geratenen auszulösen. Als Lösegeldsumme werden im Text Länder des nördlichen Afrika benannt:
Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner statt.
Wenn wir diese Worte im Horizont des Neuen Testaments  bedenken, dann können wir heute so nicht mehr von Gott und seinem Wirken in der Geschichte reden. Denn Gott lässt die Sonne scheinen über Gerechte und Ungerechte –  heißt es im Neuen Testament, was darauf hinweist,dass   Gottes Wirken letztlich unbegreiflich ist und auch nicht in dem Schema Belohnung und Bestrafung aufgeht.
Leid und Ungemach werden im Alten Testament häufig als Strafe Gottes gesehen, wogegen sich schon Hiob heftig  zur Wehr setzt. Auch im Neuen Testament findet sich ein solches Denken.
Im Johannesevangelium wird Jesus angesichts eines Menschen, der schon von Geburt an blind war,  gefragt: wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren wurde? Man glaubte offenbar an einen Zusammenhang von Schuld und Ergehen. Eindeutig ist die Antwort, die Jesus gibt:
Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern es sollen die Werke Gottes an ihm offenbar werden.
Diese andere Perspektive, belastende Lebensumstände zu betrachten, weg von der Schuldfrage hin zum Wozu, lässt uns heute anders und bescheidener von Gott und seinem Wirken in der Geschichte reden als es Jesaja tut.
Bibeltexte sind mitgeprägt vom Denken der Zeit. Es ist deshalb erforderlich, die Bibel von der Mitte der Schrift her zu lesen – wie Luther gesagt hat: „Sucht, was Christum treibet!
„Was auf Christus ausgerichtet ist, ist Gottes bedingungslose Liebe, die schon im heutigen Predigtabschnitt durchscheint.
In der Mitte des Textes wird auf die Liebe hingewiesen, die Gott bewegt, ein Volk auszuwählen und durch dieses Volk auch uns. Im Text heißt es: Ich habe dich erwählt, weil du in meinen Augen so wert geachtet und auch herrlich bist und weil ich dich lieb habe. Diese Worte zielen auf den Kern der Botschaft Jesu von der Liebe Gottes,die uns auch heute bei der Feier des Abendmahls spürbar  angeboten wird. Ja, beim Abendmahl haben haben wir teil an der Zusage Gottes: Du bist mein!
Wo wir dieser Zusage vertrauen, wo wir daran festhalten, dass wir Gottes sind, da lernen wir, Ängste zu überwinden, Ängste, die uns einengen und versklaven. An diese Botschaft, die uns von den  Lasten der Vergangenheit befreit, erinnern uns die Worte: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen: du bist mein.
Von der Liebe Gottes her, die in Jesus Christus aufscheint, bekommen diese Worte eine Weite, die uns hilft, unser Leben angstfreier –  befreiter zu leben und zu gestalten.
In unserem heutigen Text begegnet uns die Bitte, sich nicht zu fürchten, am Anfang und gegen Ende des Abschnitts. Beides mal steht die Bitte in Verbindung mit Gottes Nähe: „So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir.
Wo Gott ist, wo wir uns von ihm behütet wissen und wir in seiner Nähe sind, da brauchen wir auch keine Angst mehr haben.
Auf die Überwindung der Angst durch Gottvertrauen hat Jesus wiederholt hingewiesen – beispielsweise in der Begpredigt durch die Worte:  „Sorget nicht für morgen, denn der morgige Tag wird für das seine sorgen. Es ist genug, dass jeder Tag seine eigene Plage habe.“
Sorgen können uns niederdrücken und auch angst machen, seien es Sorgen um Menschen, die uns nahe stehen, seien  es Sorgen um unser eigenes Leben. All diese Ängste – auch die vor dem eigenen Sterben – können wir in Gottes Hände legen, und ihm überlassen, – wie Jesus ebenfalls in der Bergpredigt gesagt hat: Wer ist unter euch, der seines Lebens Länge auch nur ein Stück zusetzen kann, wie sehr er sich auch darum sorgt?
Anstatt uns zu ängstigen können wir darauf vertrauen, dass wir uns beim Sterben einmal nicht im Nichts auflösen, sondern heimkehren zu jenem Herrn, der uns empfängt mit den Worten, die diesseits und jenseits der Todesgrenze gelten:
Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen: du bist mein! Am Ende wird unsere Seele wieder an Gott angefügt. Und wenn wir dann bei unserem Namen gerufen werden, dann ist damit unser Wesen gemeint, unsere Lebensgeschichte, die wir heimbringen.
Wir sind Gottes – im Leben wie im Sterben!
Gott spricht zu uns in seinem Wort; er spricht zu uns durch Menschen und durch Ereignisse.
Alles, was uns im Leben begegnet und widerfährt, das Helle und das Dunkle, sind Lektionen, von den Gott will, dass wir daraus lernen und ihm näher kommen.
Gerade auch in lebensbedrohlichen Situationen gilt seine Zusage: Ich will bei dir sein!
Davon – von lebensbedrohlichen Situationen – ist mit  Bildern vom Wasser und vom Feuer die Rede. Welche Bedrohung für uns Menschen vom Wasser oder vom Feuer ausgehen kann, wird einem bewusst, wenn wir an Überschwemmungen – wie vor kurzem in Deutschland  – oder an Waldbrände denken.
Im Predigttext heißt es: Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen.
In solchen lebensbedrohlichen Situationen können wir uns an Gott halten, der uns seine bleibende Nähe zugesagt hat. Mag sein, das uns Gott nicht vor Schwerem bewahrt, aber er bewahrt uns in schweren Situationen und lässt uns – unsere Seele- unversehrt daraus hervorgehen.
In der Seelsorge – bei der Begleitung von Schwerkranken und Sterbenden – habe ich dies wiederholt erfahren.
Wir erfahren Gott und sein heilendes Wirken, wo unsere Gedanken und Sinne ganz auf ihn ausgerichtet sind, wo er unser Herr ist und wir ihm ganz vertrauen.
In unserem heutigen Text lässt uns Gott durch den Propheten sagen: Denn ich bin der Herr, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland.
Noch einmal wird uns zusagt: Wir sind Gottes und können uns seinem heilenden Wirken anvertrauen. Im Text ist von Gott als dem Heiland die Rede. Im hebräischen Urtext steht dafür das Wort „Jescha“ ,was auf den Namen Jesus hinweist, und übersetzt werden kann mit Retter, Helfer, Heiland.
Sich Gottes heilendem Wirken zu öffnen, dazu sind wir heute eingeladen.
Der Predigttext schließt mit dem Ruf an alle vier Himmelsrichtungen, sie möchten die Zerstreuten heimführen:
Ich will vom Osten deine Kinder bringen und dich vom Westen her sammeln. Ich will sagen zum Norden: Gib her! Und zum Süden haltet nicht zurück! Bring her meine  Söhne von ferne und meine Töchter vom Ende der Erde, alle, die mit meinem Namen genannt sind,die ich zu meiner Ehre geschaffen und zubereitet und gemacht habe.
In diesem Ruf an die Himmelsrichtungen wird die Botschaft von der Heimkehr aus dem Exil ausgeweitet zu einem endzeitlichen Geschehen, eben dass Gott am Ende der Zeiten alle Zerstreuten heimführt zu seiner Ehre. Dieser Ruf darf freilich nicht einseitig zentralistisch gedeutet werden, als ob alle Christen in einer Institution leben müssen. Die Zusammenführung der Christen am Ende der Zeit ist nicht Sache der Menschen, sondern es ist Gott, der zusammen führt.
Wo wir auf Gott ausgerichtet bleiben und uns von seiner Liebe leiten lassen, bewegen wir uns aufeinander zu und tragen zum Frieden auf der Welt bei.
Dazu gebe uns Gott seinen Segen.
Amen

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Erstellt am: 08.07.2013 11:19 Uhr

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