Andrea Bolz, Deutschsprachige Katholische Gemeinde, Puerto de la Cruz
Guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder!
Gehetzt zu sein, sich gehetzt zu fühlen, beeinflusst sehr stark das jeweilige Leben. Wirklicher oder vermeintlicher Zeitdruck und Aufgabenfülle treiben den gehetzten Menschen an und machen ihn unfrei. Der Kopf ist nicht frei und sich wirklich auf etwas Bestimmtes zu konzentrieren funktioniert nicht. Mit den Gedanken ist er nicht bei der Sache, sondern schon immer bei der nächsten. Solchen Menschen ist wenig damit gedient, wenn man ihnen zuruft: „Komm zur Ruhe, verlangsame dein Leben, denk auch einmal an dich“. Denn die Beruhigung, die man von ihnen fordert, begreifen sie wieder nur als neue Aufgabe, die sie auch noch erledigen sollen: Es genügt offenbar nicht, dass der Kalender mit beruflichen Terminen voll ist; jetzt sollen auch noch die letzten kleinen und kaum wahrnehmbaren Lücken mit sogenannten „Zeitmanagement-Seminaren“ und Entspannungs-übungen der unterschiedlichsten Art gefüllt werden. Bei solchen gehetzten Menschen werden auch Aufrufe häufig fehlschlagen, der eigenen Seele einmal Ruhe zu gönnen, sich zurückzuziehen, auch in sich selber; oder einen geistlich meditativ-spirituellen Text zu lesen, oder ein Gebet zu sprechen. Wie der Hamster im Rad durch schnelleres Laufen nicht wirklich vorankommt, wird man einen gehetzten Menschen nicht durch weitere Anforderungen im Sinne von „Werde ruhiger!“ verlangsamen oder entlasten können. Allenfalls vergrößert man sein schlechtes Gewissen, dass er möglicherweise durch noch größere Anstrengungen zu beruhigen sucht – und das Rad dreht sich immer schneller.
Eine jüdische Erzählung berichtet von einem Mann, der tagsüber von seinen Geschäften durch Markt und Gassen gehetzt wird – fast vergisst er, so heißt es, dass es einen Schöpfer der Welt gibt. Erst am Abend geht ihm auf: ich muss beten. Und da seufzt er vom Grund seines Herzens, läuft in eine Seitengasse und betet. Diese Erzählung schließt mit den Worten: Teuer, sehr teuer ist dieser Beter vor Gott geachtet, und sein Gebet durchbohrt das Firmament.
Diese Geschichte stellt uns einen Menschen vor, der nicht trotz seiner Hetze gebetet hat oder der erst ein ruhiger Mensch werden musste, bevor er beten konnte, sondern sie zeigt ihn wie er ist: Als einen Gehetzten, der betet, der betet unter den Bedingungen von Hetze und Eile. Heute geschieht dies vielleicht nicht in einer Seitengasse, sondern an der Bushaltestelle, im Auto, zwischen zwei wichtigen Geschäftsterminen oder auf der Rolltreppe. Dafür muss man sich nicht erst ändern oder andere Vorleistungen erbringen, dafür muss man die Hetze nicht erst überwinden, sondern das kann auch mitten in der Hetze gelingen. Ein solches Gebet – mag es kurz und knapp oder nur ein Seufzer sein, weil mehr im Moment einfach nicht geht – das sollte man wirklich nicht gering achten, denn es durchbohrt das Firmament.
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Erstellt am: 19.03.2013 18:55 Uhr
