Predigt zum 5. Sonntag der Osterzeit 2013 (28.04.)

Lesung: Apg 14, 21b-27 / Evangelium: Joh 13, 31-33a.34-35
Schwestern und Brüder!
Der Fußball bzw. die Personen, die man damit in Verbindung bringt, haben die letzten Tage ganz gewaltig die Medienlandschaft und somit auch unseren Alltag – selbst in den Tagen des Urlaubs – beherrscht. Sicher, da waren einmal die glanzvollen Siege in den Halbfinal-Hinspielen der Champions-League durch den FC Bayern und die Dortmunder Borussia;
da war aber gleichzeitig eben auch das gigantische Eigentor eines Uli Hoeneß in Sachen Steuerhinterziehung, welches nicht nur die aktuelle Fragestunde des deutschen Bundestages in der vergangenen Woche bestimmt hat, sondern auch die meisten Talkshows. In all diesen Diskussionen, die teilweise von Gerechtigkeit und Selbstgerechtigkeit nur so strotzten, fiel mir der Vorschlag eines Pfarrers ein, den dieser mal in Bezug auf die Missbrauchsfälle in unserer Kirche in eben einer solchen Talkrunde gemacht hat. Er wollte, dass man an alle Kirchentüren das Schild anbringt: ZUTRITT NUR FÜR SÜNDER! Damit sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass hier alle willkommen sind, die sich demütig zu denen zählen, die tagtäglich hinter dem Anspruch zurückbleiben, das Volk Gottes zu sein. Oder anders ausgedrückt:  die etwas davon begriffen haben, was der Hl. Pfarrer von Ars mal so ins Wort gebracht hat: „Ein Heiliger ist einer, der endlich erkannt hat, dass er ein Sünder ist!“
Dass wir uns nicht falsch verstehen. Das was Uli Hoeneß getan hat ist nicht zu dulden und muss mit den Mitteln des Rechtstaates verfolgt und auch geahndet werden. Gar keine Frage. Die Tatsache aber, dass auch er Christ ist und die Botschaft des heutigen Evangeliums haben mich dazu veranlasst, einfach mal der Frage nachzugehen: Was ist denn das spezifische des Christseins bzw. wer ist oder wer wird denn ein Christ? Dabei geht es mir jetzt nicht darum, dass jemand getauft sein muss. Nein, es geht vielmehr darum, ob es ein Verhalten gibt, an dem man Christen erkennen kann. Und weil wir nun alle das beliebte Fernsehquiz: „Wer wird Millionär?“ seit Jahren kennen und schätzen, möchte ich diese Spielidee mal zur Grundlage meiner heutigen Gedanken machen. Wie das Quiz funktioniert, wissen wir. Der Moderator stellt den Kandidaten Fragen quer durch alle Wissensgebiete, und diese müssen dann aus vier Antwortmöglichkeiten die richtige auswählen. Die Fragen werden dabei immer schwieriger, und mit jeder neuen Frage verdoppelt oder vervierfacht sich die Gewinnchance. Dabei stehen den Kandidaten insgesamt drei Joker zur Verfügung, die sie dann anwenden können, wenn sie bei einer Antwort unsicher oder gar unwissend sind.
Mein Quiz, zu dem ich Sie jetzt als Kandidatin bzw. Kandidaten gewinnen möchte, heißt also: „Wer wird Christ?“ Dabei beginne ich mit einer ganz leichten Frage: Was sollen denn Leute sagen, die uns Christen, unsere Gemeinschaften und Gemeinden genauer betrachten? Sollen sie sagen:
A: Seht, wie fromm sie beten und singen?
B: Seht, wie schön sie von ihrem Glauben reden?
C: Seht, wie viele Gebote und Verbote sie beachten müssen? Oder:
D: Seht, wie sie einander lieben?
Die Wahl dürfte hierbei nicht schwer fallen und ich denke, Sie allen haben ganz schnell die nächste Runde erreicht: Antwort D – „Seht, wie sie einander lieben“ – ist richtig, weil es in früherer Zeit ein geflügeltes Wort dafür war, Christen zu charakterisieren. Nicht fromme und schöne Worte oder Gesänge, nicht Einschränkungen und Vorschriften sollen das Markenzeichen der Christen sein, sondern wie sie miteinander umgehen. „Liebt einander!“ – das ist das einzige Vermächtnis, das Jesus seinen Jüngern und somit aber auch uns allen hinterlassen hat. „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger, meine Jüngerinnen seid: wenn ihr einander liebt.“ Die Liebe ist nach dem Johannes-Evangelium das Erkennungszeichen der
Christen schlechthin.
Die nächste Quizfrage ist nun schon etwas schwieriger: Was bedeutet „Liebe“ im Sinne Jesu? Bedeutet sie:
A: Immer freundlich und nett zueinander sein?
B: Solidarisch und respektvoll miteinander umgehen?
C: Unter allen Umständen Streit vermeiden? Oder bedeutet sie:
D: Jede und jeden sympathisch finden?
Wenn Sie sich jetzt nicht ganz sicher sind und deshalb den Fifty-Fifty-Joker ziehen, dann wird der Ihnen die falschen Antworten A – immer freundlich und nett zueinander sein und D – jede und jeden sympathisch finden wegstreichen. Sie fragen weshalb? Nun: Lieben im Sinne Jesu heißt weder permanente Nettigkeit mit gequältem Dauerlächeln und evtl. Heuchelei, noch meint sie die große Rundherum-Sympathie mit unterdrückten negativen Gefühlen und Vorspiegelung von Harmonie. Wenn Sie jetzt aber die verbleibenden zwei Antworten miteinander vergleichen, dann wird schnell deutlich, dass Lieben und konstruktive Kritik, faires Streiten und klare Worte absolut keine Gegensätze sind. Also bleibt Antwort B übrig: Solidarisch und respektvoll miteinander umgehen.
Beim jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber lautet das Liebesgebot Jesu übrigens nicht: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“, sondern: „Liebe deinen Nächsten – er ist wie du!“ Ich meine, in dieser Übersetzung kommt das Anliegen Jesu besonders gut zum Ausdruck: Liebe deinen Nächsten – nicht, weil er dir sympathisch oder weil er freundlich zu dir ist, sondern weil er so ist wie du: ein Mensch, dein Mitmensch – so wie du angewiesen auf Respekt und Solidarität, auf Ehrlichkeit und Gerechtigkeit – wie du angewiesen auf Anteilnahme an seinem Schicksal und auf Hilfe in
Not.
Diese solidarische und respektvolle Liebe könnte man blumig etwa so um-
schreiben: „Augen, die im anderen nicht den Feind oder Konkurrenten, sondern vielmehr die Schwester oder den Bruder sehen. Lippen, die nicht verletzen, sondern trösten und aufrichten. Ohren, die die feine Stimme des Gewissens und die leisen Bitten der anderen hören. Hände, die sich zum Geben und Annehmen öffnen, die stützen und zur Versöhnung ausgestreckt sind. Füße, die nicht treten oder zerstören, sondern den Weg zum anderen gehen. Ein Herz, das vertraut und an das Gute im anderen glaubt. Ein Geist, der weit und offen ist, der andere nicht unterdrückt oder demütigt, sondern ihnen Freiheit lässt und ihr Anders-Sein akzeptiert.“
Eine so verstandene Liebe ist die Quintessenz unseres christlichen Glaubens und sie müsste deshalb das Erkennungszeichen der Christen, ihrer Gemeinden und Gemeinschaften sein. Und von einer so verstandenen Liebe hängt unsere Glaubwürdigkeit, unsere Überzeugungskraft ab: „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jüngerinnen und Jünger seid; wenn ihr einander liebt.“ Wo diese Liebe fehlt, da kann man uns unsere Botschaft auch nicht abnehmen. Das hat auch ein peruanischer Indianerhäuptling sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, als er bei einer Großveranstaltung die Bibel, die die Kirche den Indianern vor über 400 Jahren gebracht hat, mit den Worten an Papst Johannes Paul II. zurückgab: „Meine indianischen Geschwister werden von schlechten Christen oft ausgebeutet. Wir sind seit jeher Opfer der Erniedrigung und des Rassismus. Wie Christus über alle Menschen richten wird, werden die Armen über die Reichen richten. Ich gebe dir die Bibel zurück, weil sie uns in all den Jahren weder Liebe noch Frieden gebracht hat. Du Papst, sollst sie zurücknehmen und an unsere Unterdrücker aushändigen, deren Herzen und Gehirne die biblische Lehre wohl am meisten brauchen.“
Unsere Lehre, das Evangelium, überzeugt erst dann, wenn es gelebt wird. Jesu Botschaft von der Liebe wird erst dann glaubwürdig, wenn man sie an unserem solidarischen und respektvollen Umgang miteinander ablesen kann.
Aber halt – wir waren ja mit unserem Quiz noch nicht zu Ende. „Wer wird
Christ?“ Die letzte und schwierigste Frage steht noch aus. Sie lautet: Wann beginnen Sie mit dieser Liebe? Beginnen Sie:
A: Gar nicht, weil es eben auch anders geht?
B: Morgen, morgen, nur nicht heute?
C: Wenn der andere damit angefangen hat? Oder beginnen Sie:
D: ….
Tja, diese Antwort D können nur Sie selbst geben. Da kann Ihnen weder ein Publikumsjoker noch ein Telefonjoker helfen. Nicht das, was die Mehrheit sagt oder tut, und nicht das, was Ihnen Freunde oder Bekannte raten. Hier sind Sie ganz persönlich gefragt. Aber die Chance, dass Sie mit Ihrer Antwort D gewinnen, die ist riesengroß. Es werden keine Millionen sein – auch nicht an der Steuer vorbei – aber ein sinnvolles und erfülltes Leben wird es sein, ein echtes und überzeugendes Christsein. Amen.

Infos unter:

Erstellt am: 28.04.2013 08:15 Uhr

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