Lesung: Jes 52, 7-10 / Evangelium: Joh 1, 1-5.9-14
In weihnachtlicher Festfreude versammelte Schwestern und Brüder!
Die Botschaft der Heiligen Nacht geht uns ganz gewaltig ans Herz: Die Geburt des Kindes im Stall zu Bethlehem, der Jubel der Engel und dazu die Freude der Hirten. Dagegen ist die Botschaft des heutigen Weihnachtsmorgens eher eine Herausforderung für unsere „grauen Zellen“: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott… Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen…“ Oh je, denkt da wohl so manche oder mancher unter uns. Das ist ja schwer philosophisch. Richtig. Und weil ein altes Sprichwort in meinen Augen eben auch stimmig ist, nämlich: „Kindermund tut Wahrheit kund“, will ich es mal einem Kind überlassen, uns dieses schwierige Wort vom Anfang etwas gebräuchlicher zu erklären.
Da sagte der Lehrer in der Schule: „So – und jetzt noch eine ganz schwierige Frage“, und er lächelte schon vielsagend. „Was meint Ihr: Gott ist doch im Himmel, aber gleichzeitig soll er doch auch hier mitten unter uns sein. Wie kann man sich das denn wohl vorstellen?“Nach einiger Zeit meldete sich die kleine Tochter des Arztes und erklärte ganz selbstsicher: „Das ist doch ganz einfach! Seine Wohnung hat der liebe Gott im Himmel, aber seine Praxis, die hat er hier auf der Erde.“
Kann man schöner sagen, was ein ganzes Heer von Theologen wahrscheinlich nicht hätte anschaulicher ausdrücken können? Und nebenbei bemerkt, wird uns so auch der Prolog aus dem Johannes-Evangelium einfach in seiner Wirkweise, also dem, was er ausdrücken will, nahegebracht. Oder anders gesagt: mit zwei Sätzen hat dieses Kind das ganze Geheimnis der Weihnacht umschrieben. „Das ist doch ganz einfach! Seine Wohnung hat Gott im Himmel, doch seine Praxis, die hat er hier auf der Erde.“ Stellen wir uns das Bild, welches das Kind hier zeichnet, doch einfach mal vor. Gott hat eine Praxis eingerichtet, wie ein Arzt, mit Sprechzimmer und Behandlungsraum. Und Weihnachten macht ganz ausdrücklich deutlich, wo wir diesen Raum, diese Praxis, finden können! Denn dadurch, dass er – Gott selbst – Mensch geworden ist, dadurch dass er unter uns gewohnt hat, dadurch hat er uns eben auch endgültig deutlich gemacht, wo er zu finden, wo er am Werke ist. Seine Praxis hat er hier auf der Erde. Hier, bei uns wirkt Gott, hier dürfen wir seine Behandlung, sein Handeln spüren.
Gott ist kein ferner Gott, kein Machthaber, der weit über den Wolken thront. Nein, unser Gott ist ein menschenfreundlicher Gott. So menschenfreundlich, dass er sogar selbst einer von uns wird. Und deshalb: Schauen Sie nicht ständig hinauf, denken Sie nicht immer nur an das Wort, sondern vertrauen Sie darauf: der Herr ist hier bei uns – mitten unter uns! Seine Praxis hat er auf der Erde, hier ist er am Werk. Wir müssen es nur sehen und wahrnehmen!
Übrigens geht das tatsächlich! Auch wenn viele sagen: Gott sei tot, er sei nirgendwo mehr zu entdecken. Auch wenn noch so viele aus genau diesen Gründen ihr Heil irgendwo anders suchen – z.B. in reiner Wissenschaftsgläubigkeit auf der einen oder einem ganz neuen Aberglauben auf der anderen Seite; auch wenn viele Menschen sich von Gott abwenden, weil sie meinen, bei all den Gräueltaten, die uns tagtäglich auf der Welt begegnen, bei all dem Hass, all dem Unfriede, all den Katastrophen und Unglücksfällen, bei all dem könne man doch nicht mehr an einen guten Gott glauben. Auch wenn immer mehr Menschen damit anfangen nur noch die Steine im Leben zu sehen – sie alle übersehen etwas ganz markantes: die Blumen am Weg! Gottes Wirken unter uns Menschen kann man entdecken, man muss sich nur den Blick dafür, den Blick für die Wunder dieser Erde bewahren und wach halten.
Betrachten wir doch nur mal die Entwicklung eines Kindes, wie es heranwächst. Das ist doch nicht nur eine andauernde Folge von Zellteilungen – nein, das ist Leben! Und Leben ist mehr, viel mehr, als uns Wissenschaft und Philosophie je werden erklären können.
Betrachten Sie doch einfach mal die Ereignisse in Ihrem Leben, all die Dinge, die manchmal ganz eigenartigerweise zusammentreffen. Wie oft gibt es da so brenzlige Situationen, in denen keine oder keiner mehr damit gerechnet hat ungeschoren davon zu kommen, weil eben alles dagegen sprach. Und doch war es so. Ich erinnere nur an unsere Engelgedanken an den einzelnen Adventssonntagen. Oder schauen Sie die Zeiten an, in denen Sie glücklich waren, oder vielleicht es sogar noch sind, und fragen Sie sich, wie viele Kleinigkeiten da zusammenkommen mussten, für die Sie absolut nichts können, die Sie überhaupt nicht in der Hand gehabt haben. Das ist mehr, viel mehr, als man mit Zufällen erklären kann. Gott wirkt in unserem Leben und zwar an jedem Tag.
Sicher, manchmal spüren auch wir es kaum; manchmal beutelt auch uns der Alltag so, dass wir an diesem unserem Glauben zweifeln oder fast schon verzweifeln. Das bleibt nicht aus. Und ich sage Ihnen: Wenn Ihnen diesbezüglich einer etwas dergestalt vormachen will, der Himmel hänge doch voller Geigen und auf dem Weg des Glaubens gäbe es keine Steine, dann seien Sie damit mehr als vorsichtig; denn Glaube kann mitunter auch Schwerstarbeit sein. Und warum? Weil jeder Lebensweg Täler kennt und manchmal durch ganz tiefe Schluchten führt. Das lieblich lächelnde Kind in der Krippe, das am Kreuz hingerichtet wurde, das hat das nie verheimlicht – im Gegenteil! Aber es hat uns eben auch davon berichtet, dass dieser Gott uns genau dann am nächsten ist. Dann, wenn wir glauben ihn gar nicht mehr zu spüren; dann, wenn wir oft nur noch die Steine sehen.
Sicherlich: manchmal braucht es ein paar Tage, und manchmal sind es lan-
ge Tage, bis man die Blumen dann wieder wahrnehmen kann. Vielleicht schafft man es manchmal überhaupt nicht allein, sie wieder zu sehen. In solchen Fällen wünsche ich Ihnen und mir die Hilfe, die wir dann brauchen; denn die Blumen sind ja da, es braucht oft nur jemanden, der uns die Augen dafür wieder öffnet; denn die Blumen blühen, sie blühen an jedem Weg, weil Gott geht jeden Weg mit.
Seine Wohnung ist im Himmel, aber seine Praxis, die hat er auf der Erde, hier unter uns Menschen! Da können wir ihn finden. Auch in unserem je eigenen Leben – dem Ihrigen und dem meinen. Suchen wir ihn, heute und morgen – denn Weihnachten, das Fest der Menschwerdung Gottes mit und für uns, ist ein Fest, das 365 Tage im Jahr Gültigkeit hat – unser ganzes Leben lang. Es gilt auch für uns: Er wohnt im Himmel, aber seine Praxis, die hat er in unserem je eigenen Leben. Amen.
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Erstellt am: 25.12.2012 17:31 Uhr