Diakon Bertram Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Einen wunderschönen guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder,
„Bei uns herrscht gerade der Zeitgeiz“ hat kürzlich jemand zu mir gesagt. Erst habe ich das gar nicht verstanden. Aber dann habe ich gemerkt, dass ich so was auch kenne: dass nämlich jede Stunde am Tag aufgeteilt ist. Da ist keine Minute übrig. Ich habe einfach keine Zeit. Schon gar nicht für Unvorhergesehenes. Der Mann hat mir erzählt: Oft fangen er und seine Frau dann an, um jede Minute zu feilschen. Jeder will ein bisschen mehr Zeit rausholen für sich und das, was ihm wichtig ist. Keiner hat Zeit übrig für den zusätzlichen Elternabend oder um mal eben bei der Mutter vorbei zu schauen. Und auf einmal ist die Zeit das kostbarste, was man hat. Und der größte Streitpunkt.
Da fällt mir ein Bild ein, wie man es von den Bauernhöfen früher kennt. Der Bauer und die Bäuerin sitzen abends vor ihrem Haus auf der Bank. Sie haben den ganzen Tag hart gearbeitet. Und jetzt sitzen sie einfach nur da und ruhen sich aus. Da wird nicht geredet und schon gar nicht diskutiert. Es geht nicht um das, was geschafft wurde, und erst recht nicht um das, was morgen zu tun ist. Es passiert einfach gar nichts. Und genau das macht es so ruhig und friedlich.
Anselm Grün, der bekannte Benediktinermönch hat zu diesem Bild geschrieben: „Wer sich bewusst die Zeit nimmt, einfach nur da zu sein, der wird erfahren, wie viel Zeit er gewinnt. Die Zeit gehört dem, der sie sich nimmt.“ Schön und gut, mögen Sie jetzt denken. Aber der Tag hat eben nur 24 Stunden. Und in der Zeit muss der Haushalt erledigt und die Familie versorgt werden, ich muss zur Arbeit gehen und Besorgungen machen. Wo soll denn da noch Zeit übrig bleiben?
Genau das aber gefällt mir so gut an dem Bild von den beiden auf der Bank. Dass sie die Zeit eben nicht mehr aufteilen. Nicht mehr schauen, wie bekommen wir alles am schnellsten hin, und was macht jeder von uns dann mit der restlichen Zeit. Sondern, dass sie sich gemeinsam die Zeit nehmen, sich hinsetzen und nichts tun. Ich glaube, das könnte auch uns helfen, wenn wir mal wieder mit unserer Zeit geizen und sie nicht hergeben wollen. Sich mit denen, die meine knappe Zeit beanspruchen, zusammen hinzusetzen. Einfach nur so. Nur ein paar Minuten lang. Dann wird das hektische Hin und Her unterbrochen. Und wenn wir da so zusammen sitzen, dann kann ich spüren, was wirklich wichtig ist. Ich sehe, dass wir als Familie oder als Freunde zusammen gehören und füreinander da sein wollen. Auch wenn die Zeit knapp ist. Das ist dann wirklich ein Gewinn. Und das macht die Zeit kostbar.
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Erstellt am: 22.01.2013 19:22 Uhr
