Zündfunke, Donnerstag 07.02.13

Andrea Bolz, deutschsprachige katholische Gemeinde, Puerto de La Cruz
Guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder!

„Irgendwo“ hieß die Stadt, die große Stadt mit Industrie und allen Einrichtungen. „Nahebei“ die andere. Sie war nicht weniger groß. Nur waren dort die Fabriken etwas anders gebaut und der Verkehr anders geregelt. Aber es herrschte genau so viel Leben und Betrieb. Zwischen Irgendwo und Nahebei floss ein reißender Strom. Aber der war kein Hindernis.
Stand doch mitten im Strom ein mächtiger Pfeiler, der den Wellen trotzte, auf den Pfeiler stützte sich eine breite Brücke, die Ufer mit Ufer verband. Über diese Brücke wurden die Erzeugnisse von Irgendwo nach Nahebei gebracht und umgekehrt. Und über diese Brücke besuchte man sich gegenseitig. Da riss eines Tages das Hochwasser den tragenden Pfeiler fort. Natürlich fiel die Brücke ein, und von Stund an war der Verkehr zwischen den beiden Städten sehr schwierig. Die große Masse hatte keine Gelegenheit hinüber zu kommen, und so wurde man sich allmählich fremd. Die meisten wussten bald nichts Genaueres mehr von der anderen Stadt. Als dann gar einmal ein paar törichte junge Leute aus Nahebei am Ufer ihre Zielübungen machten und ein glatter Kiesel einen Bewohner von Irgendwo verletzte, war bittere Feindschaft zwischen den beiden Städten. Von keiner Seite konnte man sich mehr am Ufer sehen lassen. Eines Tages erschien ein geheimnisvoller Fremder. Niemand wusste zu sagen, wo er eigentlich herkam. Er war einfach da. Erst sprach er in Irgendwo, dann in Nahebei.
Man konnte sich nicht erklären, wieso er auf beiden Ufern sein konnte. Eindringlich mahnte er zum Frieden. Er bot sich sogar an, die Brücke über den trennenden Strom neu zu bauen. Hüben und drüben schüttelte man nur ungläubig den Kopf. „Ich werde das Unmögliche möglich machen“, erklärte der Fremde. Und siehe da, eines Morgens stand die Brücke. Sie musste über Nacht gebaut worden sein. Als man sie genügend bestaunt hatte und sich dann fragte, ob sie wohl halte, entdeckte einer, dass mitten im Strom anstelle des Pfeilers der Fremde selber stand und mit übermenschlicher Kraft die Brücke trug.
„Geht nur hinüber“, sagte er, “solange ich die Brücke trage wird sie halten“.
Zaghaft versuchte man von beiden Seiten den Übergang. Viele nahmen vorsichtshalber sogar ihre Waffen mit, weil sie der Gegenseite nicht trauten. Als man sich aber in der Mitte voll Misstrauen gegenüberstand, als jeden Augen-blick ein böser Streit ausbrechen konnte, hörte man eine Stimme vom Wasser her. Der lebendige Brückenpfeiler sprach: „Wenn ihr nicht die Waffen wegwerft und das Misstrauen aufgebt und einander gut seid, kann ich die Brücke nicht mehr tragen. Sie wird mit euch allen zusammen in den Strom stürzen“. Also warfen sie ihre Waffen ins Wasser. Und es wurde ein feierlicher Bund geschlossen, dass nie einer in unguter Absicht über die Brücke zum anderen Ufer dürfe. Die Brücke aber sollte auf gemeinsamen Beschluss hin einen Namen erhalten. Von da an nannte man die Brücke „Liebe“.

Aus :Ein Gottesdienst zum Frieden von Margit Dornisch und Regina Gröger

Infos unter:

Erstellt am: 07.02.2013 14:50 Uhr

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