Andrea Bolz, deutschsprachige Katholische Gemeinde, Puerto de la Cruz
Einen wunderschönen guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder!
In einem jüdischen Märchen ging die Wahrheit durch die Straßen, ganz nackt, wie am Tag ihrer Geburt. Kein Mensch wollte sie in sein Haus einlassen. Jeder, der sie traf, flüchtete voller Angst vor ihr. Eines Tages ging die Wahrheit wieder in Gedanken versunken durch die Straßen. Sie war sehr betrübt und verbittert. Da begegnete sie dem Märchen. Das Märchen war geschmückt, mit herrlichen, prächtigen und vielfarbigen Kleidern, die jedes Auge und jedes Herz entzückten.
Da fragte das Märchen die Wahrheit: „Sage mir, geehrte Freundin, warum bist du so bedrückt und drückst dich auf den Straßen so betrübt herum?“ Da antwortete ihm die Wahrheit: „Es geht mir sehr schlecht, ich bin alt und betagt, und kein Mensch will mich kennen.“ Hierauf erwiderte ihr das Märchen: „Nicht, weil du alt bist, lieben dich die Menschen nicht. Auch ich bin sehr alt, und je älter ich werde, desto mehr lieben mich die Menschen. Siehe, ich will dir das Geheimnis der Menschen enthüllen: Sie lieben es, dass jeder geschmückt ist und sich ein wenig verkleidet. Ich werde dir Kleider borgen, mit denen ich angezogen bin, und du wirst sehen, dass die Leute auch dich lieben werden.“ Die Wahrheit befolgte diesen Rat und schmückte sich mit den Kleidern des Märchens. Seit damals gehen Wahrheit und Märchen zusammen, und beide sind bei den Menschen beliebt. (Jüdisches Märchen)
Auch Jesus wollte uns die Wahrheit lehren und Zeugnis ablegen. Und er tat dies in einer Sprache, die die Menschen seiner Zeit verstanden. Er sprach mit Handwerkern, Hausfrauen und Kaufleuten, Hirten und Tagelöhnern, Fischern und Winzern; und er sprach mit den Worten, die im Erfahrungsbereich jener Menschen lagen. Er sprach also vom säen und ernten, weiden und fischen. Dabei hat Jesus Bildworte, sogenannte Gleichnisse geschaffen. Die Geschichten über Gott, über das religiöse Leben werden dabei „verkleidet“ mit alltäglichen Begebenheiten und Erfahrungen der jeweiligen Zuhörer. Und die, die ihm zuhörten? Sie haben ihn verstanden, denn das, was er sagte, war allgemein verständlich, und so, wie er es sagte, klang es für viele glaubhaft und nachahmenswert, denn es heißt, dass die Leute ihm in Scharen zugehört haben.
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Erstellt am: 24.10.2012 17:29 Uhr
