Diakon Bertram Bolz
Deutschsprachige Kath. Gemeinde in Puerto de la Cruz
Guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder!
Meine Oma ist für mich so etwas, wie eine Heilige. Als kleines Kind habe ich oft zugesehen, wie sie den Rosenkranz betete. Entweder draußen auf ihrem Bänkchen im Garten oder im Wohnzimmer. Da wollte sie auch nicht gestört werden und ich sehe noch heute, wie innig sich ihre Lippen bewegten.
Später dann, als ich mein Studium der Religionspädagogik und Pastoraltheologie in Freiburg aufnahm, da war es mir mit dem Rosenkrank-beten nicht mehr ganz so geheuer. Das war natürlich auch die Zeit, in der glaubensmäßig wirklich alles hinterfragt wurde und wo ich mir mit diesem Gebet unsagbar schwer tat. Aber dennoch: Durch das Rosenkranzgebet meiner Oma habe ich so etwas wie „Ehrfurcht vor dem Gespräch mit Gott“ erfahren. Und genau daran denke ich heute, an Allerheiligen, gerne zurück.
Vor einigen Jahren sah ich einen ähnlich einfachen Rosenkranz, wie ihn meine Oma hatte, auf einem Werbeplakat wieder. Ein junger Mann war da zu sehen, bärtig, halbnackter muskulöser Oberkörper, Stirnband wie ein Hippie, und der hielt mit ausgestrecktem Arm andächtig ein Jesus-Kreuz vor sich. Um seine Arme herum hängt eine Perlenkette – und da erst sah ich: Das ist ein Rosenkranz, genauso, wie ihn meine Oma hatte. Genial dachte ich, da waren Profis am Werk. Ein wilder Bursche, von dem man denkt, dass er auch mal hart zuschlagen kann, der hat da ein religiöses Andachts-Symbol in der Hand. Ein Symbol, welches heutzutage nur noch wenige, und leider überwiegend ältere Leute benutzen. Ein starkes Bild. Und dazu ganz rechts unten am Bildrand zwei kleine Worte: „Test it!“
Klar, in erster Linie waren damit Zigaretten gemeint. Aber mir kam bei diesem Anblick und diesen Worten wieder meine Oma in den Sinn, die damals – als ich so die Revoluzzerphase im Glauben während meines Studiums erlebte – zu mir mal auf ihrem Bänkchen gesagt hat: „Versuchs einfach!“ Und dann streckte sie mir ihren Rosenkranz hin und sagte: „Du wirst spüren, dass Gott dir dabei ganz nahe kommt. Nimm den Perlenkranz und das Kreuz in deine Hand und schau, was mit dir passiert. Was das Kreuz und die Perlen aus deiner geballten Faust machen. Spüre im Beten, im Gespräch mit Gott, wie ruhig du wirst. Nachdenklich, zuversichtlich.“ Oh ja – dachte ich beim Blick auf das Werbeposter – „Test it!“ und so habe ich gelernt, im Gebet, die heilende Kraft des Himmels zu erfahren. Ich weiß heute, wie heilsam dieses Beten ist, und dass es manchmal sogar eine geballte Faust öffnet.
Ob man dazu nun immer einen Rosenkranz braucht, das glaube ich nicht. Aber man braucht Menschen wie meine Oma, die einem die Ehrfurcht vor dem Beten nahebringen. Oder auch die Ehrfurcht vor dem, was Gott von mir will. Und das sind für mich die Heiligen: Die mir mitten im Alltag ein Stück des Himmels auf die Erde bringen. Und zu dieser Heiligkeit sind wir alle berufen.
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Erstellt am: 01.11.2012 19:43 Uhr
