Deutschsprachige katholische Gemeinde Puerto de la Cruz
Guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder!
Gereizt und voller Wut im Bauch den Beleidigten spielen, das ergibt sich bei uns meistens schnell und passiert recht oft. Gut, wenn der andere dann noch sagen kann: „Sei doch nicht so empfindlich!“ Warum aber sind wir so schnell und so oft empfindlich?
Könnte es sein, dass wir so schnell empfindlich reagieren, weil wir es weithin verlernt haben, empfindsam zu sein: empfindsam uns selbst gegenüber und gegenüber anderen? Und wir merken und spüren: ohne Empfindsamkeit werden oder bleiben unsere Begegnungen unbeherrscht und gewöhnlich. Wir können dies immer wieder an uns selbst beobachten: Wie lautstark und grob behandeln wir einander bisweilen, drängen uns vor, überschreien, verlachen und verspotten einander, gehen statt aufeinander zu, sogleich aufeinander los und marschieren herzlos über die Gefühle des Nächsten hinweg.
Empfindsam sein, das ist ein Wagnis, ein Abenteuer, das ich zuerst mit mir selber eingehen muss. Es erfordert Mut, bei mir selber zu bleiben, bei mir selber zu beginnen: einmal still sein und schweigen; nichts sagen sondern hören – in mich selbst hinein hören; und nicht gleich in den Lärm der Anderen oder in irgendeine Beschäftigung fliehen. Empfindsam sein heißt: Ansprüche an mich selber stellen, nicht an andere. Vielleicht auch weinen können, nicht aus Selbst-mitleid, sondern über mich weinen können, weil ich merke, wie phantasielos und langweilig, wie gleichgültig und respektlos ich oft bin.
Empfindsam sein, das ist also zunächst ein Weg zurück zu mir selbst. Wie viele positive, aber auch negative Empfindungen spüre ich da in mir! Aber ich lasse sie nicht gleich plump und unkontrolliert am Nächstbesten aus, sondern versuche, sie einmal selber auszuhalten. Ob eine solche neue Empfindsamkeit nicht auch die Mitmenschen wohltuend zu spüren bekommen?
Ich wünsche Ihnen und mir, dass wir dieses lernen und einüben:
einander anziehen ohne festzuhalten
einander loslassen ohne wegzustoßen
beieinander sein wollen, aber auch allein sein können
einander annehmen und nicht fallen lassen
einander vergeben und nicht zerstören
miteinander, füreinander sein, und nicht übereinander
einander vertrauen und nicht besitzen
empfindsam sein und nicht empfindlich
Infos unter:
Erstellt am: 13.11.2012 19:52 Uhr
