Diakon Bertram Bolz
Guten Morgen, liebe Schwestern und Brüder!
Ein Kind möchte im Garten einen Blumenstrauß für die kranke Mutter pflücken. Aber schnell muss es feststellen, dass die großen und schönen Blumen wie Rosen, Sonnenblumen und Nelken schon alle verblüht sind. Das Kind ist darüber sehr traurig und will den Garten schon wieder verlassen. Doch da fällt sein Blick auf die kleinen Gänseblümchen. Beinahe hätte das Kind dieses kleine Wunder der Schöpfung, diese lachende Visitenkarte des menschenfreundlichen Gottes übersehen. Dabei hatte sich die Mutter anschließend so über den Gänseblümchenstrauß gefreut. Denn sie wusste, im Gegensatz zu ihrem Kind, wie widerstandsfähig eigentlich diese kleine und zarte Pflanze ist. Nach einem kalten Winter wagt sie sich oft als erste Blume aus der Erde und macht den Rasen bunt. Besonders auffallend an dieser kleinen Blume ist ihr goldgelbes Köpfchen, welches sich – wie die große Sonnenblume – immer der Sonne zuwendet. Schließlich sehen dieses Köpfchen und der gelbe Blütenboden selbst so aus wie die Sonne. Dieser Strauß hat der Mutter Mut gemacht und ihr Hoffnung geschenkt. Denn eigentlich entsprach ihre Stimmung eher dem, was wir manchmal sprichwörtlich so bezeichnen: Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist schwarz. Manchmal braucht der Mensch den Blick für das Kleine, den Blick für das Unscheinbare, damit der kleine Mut groß und die große Hoffnungslosigkeit klein werde.
In der Bibel ist oft diese Bitte zu lesen: „Gott, öffne mir die Augen, damit ich sehe!“ Die Mutter des Kindes hatte von dem Gänseblümchen gelernt, den Blick mal wieder in Richtung Sonne zu richten. Denn wie heißt es schon in einem religiösen Kinderlied? „Gottes Liebe ist wie die Sonne. Sie ist immer und überall da!“ Wer sich von Gott die Augen öffnen lässt, der bekommt die Fähigkeit, sogar durch jeden noch so dunklen Horizont schauen zu können. Und diese Fähigkeit – den Blick für das kleine Wesentliche – den brauchen wir nicht nur, wenn wir krank sind, sondern sogar dann, wenn unser Lebensgarten voller vielfältig blühender Blumen ist. Aus der Bibel wissen wir, dass der Mensch nur das sieht, was vor Augen ist – also er häufig genug doch recht kurzsichtig dreinschaut. Da ist es doch mehr als gut, dass Gott das Herz ansieht – also in die Tiefe hineinsteigt. Wir Menschen können aber vom Christen Antoine de Saint-Exupéry lernen, was damit gemeint ist. Er lässt in seinem „Kleinen Prinzen“ den schlauen Fuchs sagen: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“
Also: Bewahren Sie sich heute eine gute Sicht – ganz egal, wenn sie gerade anschauen: Ob Menschen, Tiere oder Pflanzen. Tschüss und hoffentlich bis morgen!
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Erstellt am: 10.08.2012 12:25 Uhr
