Predigt zum 19. Sonntag im Jahreskreis 2012

L I: Eph 4, 30 – 5, 2 / Ev: Joh 6, 41-51
Schwestern und Brüder!

Sie gilt als der Klassiker unter den Pressekonferenzen von Fußballtrainern. Ich meine jene dreieinhalb Minuten des Giovanni Trapattoni im März 1998 als er Chefcoach von Bayern München war. Mit den Worten: „Ich habe fertig“ beendete er seine Brandrede, in der er einigen Spielern seiner Mannschaft wegen derer mangelnder Berufsauffassung heftig kritisiert hatte.
Seine sprachlichen Ausrutscher in dieser Pressekonferenz wurden zur Steilvorlage für viele Kabarettisten und sein Schlusssatz – dieses: „Ich habe fertig“ – zum geflügelten Sprichwort bei all den Leuten, die auf humorvolle Weise  umschreiben wollen, dass sie mit einem bestimmten Menschen oder auch einer bestimmten Problemstellung nichts mehr zu tun haben wollen. Getreu der Auffassung: man hat zu viel ins Leere investiert, zieht man den Schlussstrich: Ich habe fertig.
Das gilt z.B. für die Frau, die die Geduld mit ihrem Mann verloren hat, den sie einst als einen unternehmungslustigen Burschen geheiratet hatte, der aber jetzt nur noch allabendlich seinen Bierbauch vor dem Austrocknen bewahren will. Oder da kann der Mann es nicht länger ertragen, dass der ständige Erzählstrom seiner Angetrauten ihm stündlich die Gehörnerven strapaziert – ich habe fertig! Da resigniert vielleicht auch der kirchliche Obere angesichts von Untergebenen, die sich überhaupt nichts mehr sagen lassen und sich auch nicht annähernd so benehmen, wie er es sich gerne wünscht und andererseits rückt das Kirchenvolk immer mehr von seinen Würdenträgern ab, weil deren Art den Glauben zu verkünden und Schwerpunkte in der pastoralen Arbeit zu setzen, meilenweit an den Bedürfnissen und Erfahrungen der Menschen vorbeigehen. Irgendwann ist das Ende der Fahnenstange einfach erreicht. „Ich habe fertig.“ Aus und Vorbei. Schluss. Punkt.
Wenn man an diesem Punkt mal angelangt ist, dann ist das keineswegs ein
Grund, dessen man sich schämen müsste. Das ist anderen Leuten auch schon so gegangen und die waren vielfach weitaus berühmter als Sie und ich. Haben Sie z.B. die Lesung von vorhin noch im Ohr? Die hat uns an einen solch berühmten Menschen erinnert: an den Propheten Elia. Dieser hatte seinen Auftrag erfüllt, dem Götzenkult um dem Regen- und Fruchtbarkeitsgott „Baal“ ein Ende zu bereiten und der dazugehörigen Priesterschaft den Garaus zu machen. Das hat ihm aber nicht nur Lob, sondern auch eine Morddrohung eingebracht, und zwar durch niemand geringeren als König Ahab und dessen Frau Isebel. Deshalb flüchtete Elia, so erzählt es die Lesung, eine Tagesreise weit in die Wüste, verkroch sich in den Schatten eines Ginsterstrauches und seufzte: „Nun ist es genug, Herr. Nimm mein Leben, denn ich bin nicht besser als meine Väter.“ Spüren und hören Sie es, auch wenn es so nicht dezidiert dasteht oder gesagt wird? „Ich habe fertig!“
Mit wenigen Worten wird hier die ganz persönliche „Wüste“ des Elia skizziert. Es ist seine Angst und seine Kraftlosigkeit. All seine Begeisterung ist in Resignation umgeschlagen, er kann und er will nicht mehr. Jetzt nur noch schlafen, die Augen zumachen, in Ruhe gelassen werden. Das ist das, was er will und unter dem Ginsterstrauch hat er einen Platz gefunden, wo er diese, seine ganze Lebenslast ablegen kann.
Manchmal, so geht mir durch den Kopf, bin ich auch wie dieser Elia. Ich sag dann immer: „Ich will nichts mehr hören und sehen“ und ich meine dann, dass ich einfach mal zur Ruhe kommen und abschalten will. Oft ist es einfach zu viel, was auf Menschen einströmt, was an uns hängt oder was uns – Ihnen und mir – abverlangt wird. „Ich will nichts mehr hören und sehen“ – oder auch: „Ich habe fertig!“, das signalisiert den Wunsch nach einer Auszeit; nach einem Ausstieg aus dem Laufrad des Lebens, das oft so sehr von Hek-
tik und Unruhe, von Streitereien und Anfeindungen geprägt ist.
Der Ginsterstrauch des Elia – er kann auch ein Symbol für unser Abschalten,
für unseren Wunsch nach Ruhe und Schlaf sein. Und ein solcher Schlaf ist ja immer auch ein heilsamer Schlaf. Oft ist er wirklich die erste Etappe auf dem Weg aus einer persönlichen Krise, mit dem dann etwas Neues beginnen kann.  Der alte Spruch: „Schlaf erst mal eine Nacht darüber“, kommt ja nicht von ungefähr. Schon immer haben es Menschen als gut und wichtig empfunden, vor großen Entscheidungen oder gravierenden Veränderungen eine Nacht darüber zu schlafen. Und der Schweizer Dramatiker Friedrich Dürrenmatt schreibt: „Wir brauchen immer wieder sichere Höhlen, in die wir uns zurückziehen können – und seien es nur die Höhlen unseres Schlafes.“ Und ein anderer großer Zeitgenosse lies Gott einmal sagen: „Den liebe ich nicht, der nicht schläft. Der Schlaf ist der Freund des Menschen und er ist der Freund Gottes. Ja, vielleicht ist der Schlaf sogar meine schönste Schöpfung.“
Aber die Erzählung des Elia geht noch weiter. Wir haben gehört: „Ein Engel rührte ihn an und sagte zu ihm: Steh auf und iss! Und als er um sich blickte, sah er neben seinem Kopf Brot, das in glühender Asche gebacken war und einen Krug mit Wasser. Er aß und trank und legte sich wieder hin. Doch der Engel des Herrn kam zum zweiten Mal, rührte ihn an und sprach: „Steh auf und iss! Sonst ist der Weg zu weit für dich!“
Mit ein paar Hinweisen ist hier ein ganz neuer Anfang für Elia gemacht. Ein Engel berührt ihn; bringt ihm das, was er zum Überleben braucht und macht ihm Mut. Auch darin entdecke ich Parallelen zu meinem Leben. Auch ich begegne ab und an einem Engel, der mir weiterhilft. Da sag ich dann zu einem Menschen: „Dich schickt der Himmel!“ Da ist jemand einfach da, hat Geduld mit mir und spürt, was ich brauche. Und – dieser Mensch versucht es auch ein zweites Mal mir auf die Beine oder sie sprichwörtlichen Sprünge zu helfen wenn er spürt, dass es beim ersten Versuch noch nicht geklappt hat. „Dich schickt der Himmel“, das heißt für mich auch: Du redest nicht auf mich ein. Du verschonst mich mit frommen und platten Sprüchen, verzichtest auf glorreiche Belehrungen. Du überschüttest mich nicht mit guten Ratschlägen und kommst mir nicht mit abgedroschenen Floskeln wie: „Das wird schon wieder!“, oder: „Schlimmer kann‘s nicht kommen!“ – oder: „Kopf hoch, das wird schon alles seinen Sinn haben!“ Nein, dieser menschliche Engel begleitet mich und lässt mir doch meine Freiheit.
„Dich schickt der Himmel!“, weil du mich freundlich ansprichst, mir ermutigend sagst: „Komm, probier’s noch einmal!“ Dieser Engel lässt mich spüren, dass er mir was zutraut, dass er meine Ideen schätzt. Und – er weckt meinen Lebenshunger und meinen Lebensdurst. Meine Sehnsucht nach Sinn und Freude. Spüren Sie, wie aus dem biblischen Engel das Bild meines eigenen Engels geworden ist? Jenes Engels, der mir hilft aufzustehen und meinen Weg weiterzugehen.
Die Lesung berichtet dann weiter:  „Elia stand auf, aß und trank und wanderte, durch diese Speise gestärkt, vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Gottesberg Horeb.“ Auch hier wird wieder mit knappen Worten ein neues Ziel für Elia skizziert. Mit frischer Kraft bricht er auf zum Horeb, wobei dieser Berg für die Begegnung mit Gott steht und für eine neue Orientierung. Manchmal sind wir – Sie und ich – doch auch wie dieser Elia. Wir sagen dann häufig: „Ich habe wieder ein Ziel vor Augen“ und meinen damit: Mir ist neu bewusst geworden, wofür ich lebe. Ich erkenne wieder einen Sinn und die richtige Richtung. „Ich habe wieder ein Ziel vor Augen“ könnte auch heißen: Ich erkenne eine Aufgabe, vor die Gott mich stellt; einen Auftrag, den nur ich – ich mit meinen Fähigkeiten, aber auch mit meinen Grenzen – erfüllen kann. Auch wenn der Weg durch Wüsten geht;  wenn er mühsam und schwierig ist; auch wenn ich einsam und mit schwerem Gepäck unterwegs bin. Der Berg Horeb aus der Lesung, der kann so in meinem Leben für ein neues Ziel, für ein neues Interesse an Gott und an dem, was er mit meinem Leben vorhat, stehen.  
Erinnern Sie sich an den Werbespott zweier alter Schulkameraden, die Bilder wie Spielkarten auf den Tisch legen und anfangen, sich gegenseitig zu übertrumpfen? „Mein Auto, mein Haus, meine Yacht!“ Ich kann, wenn ich will, mit der heutigen Lesung nicht nur einem Giovanni Trapattoni wieder auf die Sprünge helfen, sondern auch meine Glaubensgeschichte in Bildern auf den Tisch legen: „Meine Wüste, mein Ginster, mein Engel, mein Horeb“ und damit kann ich aufzeigen, was mich müde macht, aber auch, wo ich neue Kraft finde, wer mir auf die Beine hilft, welche Ziele ich habe und worin ich meine Hoffnung festmache. Amen.

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Erstellt am: 12.08.2012 12:45 Uhr

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